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Deckmantel

Ein Sammelband beleuchtet rechte Kampagnen gegen Muslime

Von Markus Bernhardt *

Kampagnen gegen den Islam und den Bau von Moscheen gelten bei Rechtsextremen als wahlkampfträchtige Erfolgsthemen. In den meisten europäischen Ländern hat der Antiislamismus den Antisemitismus als bedeutendste Ausgrenzungs- und Haßideologie abgelöst. In Deutschland versucht aktuell die selbsternannte nordrhein-westfälische »Bürgerbewegung PRO NRW«, mittels antiislamischer und rassistischer Kampagnen bei Wählern zu punkten. Erstmals beleuchtet nun das kürzlich von dem Sozialwissenschaftler Alexander Häusler herausgegebene Buch »Rechtspopulismus als ›Bürgerbewegung‹ – Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien« diese rechtsextreme Vereinigung, die mit ihrem ursprünglich für September in Köln geplanten »Antiislamisierungskongreß« bundesweit für Aufsehen sorgte.

Kommunale Verankerung

Mehr als ein Dutzend Kenner der braunen Szenerie befassen sich in dem Band mit der »PRO«-Partei, die nicht mehr nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in anderen bundesdeutschen Städten aktiv ist. Bereits 2005 hatte sich – initiiert vom Kölner Stadtratsmitglied Manfred Rouhs (PRO Köln) – die »Bürgerbewegung PRO Deutschland« (PRO D) gegründet. Rouhs ist bis heute Bundesvorsitzender von »PRO D« und war zuvor bereits Mitglied der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), der »Republikaner« (REP) und der »Deutschen Liga für Volk und Heimat« (DLVH).

Die extreme Rechte versuche, sich auf unterschiedlichen Wegen kommunal zu verankern, schreibt Herausgeber Alexander Häusler in seinem Einführungstext. Dabei sei der »Deckmantel einer angeblich lokalen Bürgerinitiative« eine »neue Form öffentlicher Selbst­inszenierung«. Der »organisierte und kampagnenorientierte Rechtspopulismus« versuche – vor allem im kommunalen Raum – dort anzusetzen, wo vorhandene Ängste und Vorurteile sowie zugleich real existente Problemlagen politisch instrumentalisiert und rassistisch kanalisiert werden könnten.

Das Buch ist in vier Schwerpunkte unterteilt. Im ersten Abschnitt wird zunächst der in Mode gekommene Begriff des »Rechtspopulismus« kritisch beleuchtet. Karin Priester, tätig am Institut für Soziologie der Universität Münster, verortet in ihrem Beitrag Populismus als Politikstil in gesellschaftlichen Strukturen. Häusler selbst widerspricht in seinem Beitrag der landläufigen Ansicht, beim Rechtspopulismus handele es sich um eine Abkehr vom klassischen Rechtsextremismus und ordnet den Populismus der »PRO-Bewegung« als öffentlichkeitswirksame Modernisierungsstrategie der extremen Rechten ein.

Im zweiten Teil untersuchen die Autoren Aufbau, Methodik und Programmatik der »PRO«-Gliederungen und geben einen Einblick in deren organisatorisches Innenleben und ihre agitatorische Taktik. Hans Peter Killguss und Jürgen Peters beleuchten die Keimzelle der »PRO-Bewegung«, die »Bürgerinitiative Pro Köln«. Uli Jentsch, Journalist und Mitarbeiter des »Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin« (Apabiz), stellt die propagandistischen Aktivitäten der Rechten im Raum Berlin-Brandenburg dar, während Tomas Sager und Jürgen Peters in einem weiteren Beitrag das Verhältnis der »PRO-Bewegung« zu anderen Teilen der extremen Rechten analysieren und deren Gemeinsamkeiten bzw. parteipolitisch motivierte Differenzen erörtern. Ergänzt wird der zweite Teil des Buches durch einen Beitrag von Jan Schedler und Hans Peter Killguss, der die Jugendpolitik der »PRO«-Gliederungen genau beleuchtet.

Ressentiments

Mit unterschiedlichen Facetten der antiislamischen Stimmungsmache befaßt sich der dritte Teil des Buches. Neben verschiedenen anderen Beiträgen stellt der Politikwissenschaftler Kemal Bozay dort die Entwicklungen der überregional bekanntgewordenen Auseinandersetzung um den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld dar. Die Rolle des Kölner Stadtanzeigers, der auflagenstärksten kommunalen Tageszeitung, in dieser Auseinandersetzung, beschreibt der Kultur- und Politikwissenschaftler Andreas Lindner.

Ein Highlight des faktenreichen Buches stellt indes ein Essay des Erziehungswissenschaftlers Micha Brumlik dar, das den Titel »Das halbierte Humanum – Wie Ralph Giordano zum Ausländerfeind wurde« trägt. Brumlik widmet sich darin der Wandlung des jüdischen Publizisten und Holocaustüberlebenden von einer »moralischen Autorität« zu einem »von dumpfen Ressentiments getriebenen Kleinbürger«, der aufgrund seiner Stimmungsmache gegen den Moscheebau in Köln unverhohlenen Beifall von Rechtsextremisten erhält.

Im vierten und letzten Teil des Buches werden indes kommunale Handlungsstrategien gegen die antimuslimische Kampagnenpolitik erörtert. Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrantenvertretungen NRW (LAGA NRW) schildert Anforderungen für wirkungsvolles Handeln – nicht nur gegen rechtspopulistische Diskriminierung.

Insgesamt ist das Buch ein dringend benötigter Beitrag zur Debatte um die massiv zunehmende antimuslimische Hetze in Deutschland, die nicht nur von der extremen Rechten, sondern auch von den Verfechtern der »westlichen Demokratien« ausgeht. Den Autoren ist es gelungen, die politische Ausrichtung und den politischen Hintergrund der »PRO-Bewegung« äußerst facetten- und kenntnisreich darzustellen. Das Buch gehört in das Regal eines jeden, der sich rassistischen Bewegungen inhaltlich gut gewappnet in den Weg stellen will.

Alexander Häusler (Hrsg.): Rechtspopulismus als »Bürgerbewegung« - Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, 292 Seiten, 24,90 Euro

* Aus: junge Welt, 10. November 2008


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