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Rainer Arnold, SPD: "Eine wichtige sicherheitspolitische Einrichtung"

NATO-Raketenabwehrschirm wird im pfälzischen Ramstein aufgebaut / Kritik aus Russland


Am 2. Februar 2012 beschloss die NATO, die geplante Raketenabwehrzentrale in Ramstein/Pfalz zu erreichten. Dazu äußerte sich der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold in einem Deutschlandfunk-Interview. Wir zitieren daraus einige Passagen. Im Anschluss ein Kommentar aus dem "neuen deutschland".


Dirk-Oliver Heckmann
(...) Gestern wurde offiziell bekannt gegeben, die Kommandozentrale für den geplanten Raketenabwehrschirm soll im pfälzischen Ramstein errichtet werden. Und ihn habe ich gefragt, Rainer Arnold: eine gute Nachricht für die Region, die ja wirtschaftlich stark gebeutelt ist, oder?

Rainer Arnold: Ich denke nicht, dass das in erster Linie regionalpolitisch bedeutsam ist. Das gibt vielleicht 100 Arbeitsplätze mehr in Ramstein, das ist nicht so ganz entscheidend. Aber es ist eine wichtige sicherheitspolitische Einrichtung und es ist sinnvoll, was dort geschieht, nämlich zunächst mal die bereits vorhandenen Fähigkeiten der Raketenabwehr innerhalb der NATO zu bündeln und gemeinsam zu führen. Das ist das ja, was wir eigentlich wollen: mehr Synergie durch eine vertiefte Zusammenarbeit.

Heckmann: Das heißt, Sie begrüßen diesen Aufbau dieses Raketenabwehrschirms auch in Deutschland mit einer Zentrale dort?

Arnold: Ich halte diesen Schritt, das Kommando dort einzurichten, für richtig und sinnvoll. Die Frage, was wird aus diesem ursprünglich mal angedachten sehr großen Raketenabwehrschirm, die ist damit nämlich abschließend beantwortet. Meine Einschätzung ist, das wird so nicht zustande kommen, wird auch nicht finanzierbar sein, und deshalb ist es wahrscheinlich klug, vorhandene Fähigkeiten zu bündeln und an der einen oder anderen Stelle durch neue Technik zu ergänzen. Und wenn es uns dann noch gelingt, mit der russischen Regierung zu guten Verabredungen zu kommen, die den Russen die Ängste und Sorgen nimmt - und Deutschland kann hier vielleicht eine wichtige Brückenfunktion übernehmen -, dann wäre das auch ganz vernünftig.

Heckmann: Aber das sieht im Moment ja nicht danach aus. Der Ministerpräsident Russlands hat noch einmal bekräftigt, der Raketenabwehrschirm sei gegen Russland gerichtet. Dieser Widerstand aus Moskau, ist der aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?

Arnold: Ich kann ihn nicht nachvollziehen und wir Deutschen sollten alles tun, um diese Urteile abzubauen. Ich halte sie nicht für gerechtfertigt und ich habe manchmal schon den Eindruck, auch die russische Politik, auch die führenden Militärs in Russland tun sich auch schwer, dieses alte Denken zu verlassen und sich so zu orientieren in der neuen Welt, wo doch jeder weiß, wir werden mit den Herausforderungen nur in Kooperation zwischen der NATO und Russland fertig werden und sind eigentlich dringend auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen, und die Russen sollten das aus meiner Sicht natürlich auch irgendwann merken.

Heckmann: Verteidigungsminister Thomas de Maizière kann sich vorstellen, dass deutsche Patriot-Raketen dem System zur Verfügung gestellt werden. Ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Ankündigung?

Arnold: Ja, das ist sinnvoll. Die Deutschen haben Teilfähigkeiten, das Ganze wird aber deutlich einsatzfähiger und besser, wenn es in das große System eingeordnet ist. Und Deutschland alleine kann kein modernes Raketensystem beschaffen, das ist alles viel zu teuer. Deshalb ist ja dieses ursprüngliche transatlantische Projekt zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten mit Namen MEADS hier auf Eis gelegt. Es wird zwar geforscht und entwickelt, ich glaube aber nicht, dass die Investition am Ende erfolgen kann.
(...)

Quelle: Deutschlandfunk, 3. Februar 2012; www.dradio.de


Unvernunft seit 60 Jahren

Von René Heilig *

Am 2. März, also in fast genau einem Monat, wird man auf der größten US-Luftwaffenbasis außerhalb der Staaten ein Fest feiern. Neben dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) wird der derzeitige Commander Charles Hyde die 60-jährige Geschichte der US-Base in Ramstein lobpreisen.Doch statt zu sagen, jetzt ist es genug, tschüss, kommt gern ohne Uniform wieder, wird man gewiss die Entscheidung begrüßen, auf dem Atomwaffenstützpunkt das Hauptquartier des geplanten NATO-Raketenschildes zu errichten.

Vielleicht kann man es ja noch verstehen, dass konversionsunwillige Bürgermeister samt Spielhallenbesitzern und Tankstellenpächtern klatschen, weil die von Washington geplante Ausdünnung des US-Militärs in Ramstein weniger spürbar sein wird. Doch wer etwas über die pfälzischen Hügel hinausblickt, muss bei so viel Unvernunft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Abgesehen davon, dass der landgestützte westeuropäische Raketenschirm ob maritimer Fähigkeiten der USA militärisch zumindest zweifelhaft ist - politisch betrachtet ist er ein Desaster. Denn das teure Projekt, dessen Zentrale in Deutschland installiert wird, fordert Russland heraus. Da können US-Außenamtschefin Clinton und ihr deutscher Nachplapperchor noch so viel dementieren. Gesetzt, man bräuchte wirklich so einen Schirm, warum ignorierte man Moskaus Offerten zur Gemeinsamkeit? Warum verweigert man eine völkerrechtliche Garantie, dass der Schirm sich nicht gegen Russland richtet?

Es gab eine Zeit, da hat man Deutschland tatsächlich eine Brückenfunktion in Europa zugetraut. Die Chance ist ein weiteres Mal vertan.

* Aus: neues deutschland, 3. Februar 2012


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