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100 Mann und kein Befehl

Angeblich geplanter Kommandoeinsatz deutscher Söldner in Somalia abgesagt. NDR und ARD sitzen Aufschneiderei eines westfälischen Kleinunternehmers auf

Von Knut Mellenthin *

Unter Überschriften wie »Deutsche Söldner im Anmarsch« hatten Journalisten von NDR und ARD-Tagesschau während der nachrichtenarmen Pfingsttage für Aufregung gesorgt. Ein deutsches »Sicherheitsunternehmen«, so ging die Story, wolle »mehrere hundert« ehemalige Bundeswehrangehörige als Söldner nach Mogadischu schicken, um dort die Regierung zu stürzen und einem somalischen Geschäftsmann zum Präsidentenamt zu verhelfen. Inzwischen hat sich das angeblich geplante Kommandounternehmen als Phantasieprodukt zweier PR-lüsterner Aufschneider entpuppt.

Man hätte es sich denken können, denn weder über das in Münster ansässige »Sicherheitsunternehmen« Asgaard noch über seinen somalischen Klienten Abdinur Ahmad Darman kann man im Internet viel finden, was nicht von ihnen selbst stammt. (...) Nichts in den ersten Beiträgen von NDR und Tagesschau deutete auf darüber hinausgehende Recherchen hin.

Unter dem Titel »Sicherheit in Somalia unter deutscher Leitung« war seit dem 16. Dezember im Internet zu lesen, daß die Firma Asgaard einen »exklusiven Vertrag« mit Darman unterzeichnet habe. Dieser sehe »weitreichende und exklusive Kompetenzbereiche (…) bis hin zur operativen Umsetzung und Durchführung aller Maßnahmen, die notwendig sind, um Sicherheit und Frieden wiederherzustellen«, vor. Wahrheitswidrig und mit holpriger Grammatik wurde behauptet, Darman sei »von den USA, ausgewählten Vertretern der Arabischen Welt sowie Welt Sicherheitspartner (sic) als demokratisch gewählter Präsident der Republik Somalia seit 2003 anerkannt«. Und weiter: »Als die zuständigen Vertreter für die Sicherheit in Somalia sind die Deutschen damit auch Ansprechpartner und Dienstleister für die inländische, besonders aber auch für ausländische Wirtschaft.«

Man hätte meinen sollen, daß dies auf Anhieb eindeutig als Prahlerei eines Kleinunternehmers zu erkennen wäre, der davon träumt, in der internationalen Blackwater-Liga mitzuspielen. Mittlerweile hat Asgaard-Chef Thomas Kaltegärtner, der über die möglichen juristischen Folgen seines PR-Coups vielleicht nicht richtig nachgedacht hatte, kalte Füße bekommen. In einer auf den 23. Mai datierten Pressemitteilung rudert er kräftig zurück: Seine Dienste für Darman werde er erst leisten, »sobald dieser mit Billigung der UN die Staatsgeschäfte wiederaufgenommen hat«. Er selbst wolle »dabei eng mit der deutschen Regierung zusammenarbeiten«. Es befänden sich im übrigen »zur Zeit keine deutschen Staatsbürger« in seinem Auftrag in Somalia.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Münster jedoch ein Ermittlungsverfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen Paragraph 109h des Strafgesetzbuchs (Anwerben für fremden Wehrdienst) eingeleitet. Es droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Der Reservistenverband der Bundeswehr hat sich von Kaltegärtner distanziert.

Der Hauptfeldwebel der Reserve leitet innerhalb des Verbands den Arbeitskreis Reserve-Unteroffiziere (AKRU) in Münster. Zu der im Internet gut dokumentierten Freizeitgestaltung des AKRU gehören neben regelmäßigen Schießwettbewerben auch sogenannte EAKK-Geländespiele. Das Kürzel steht für »Einsatzvorbereitende Ausbildung im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung«. Es geht dabei unter anderem um »Eindringen in ein Gebäude«, »Aufbau und Betrieb eines Checkpoints« und »Verhalten einer Patrouille insbesondere unter Beschuß«.

Auch weltanschaulich scheint Kaltegärtner das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Das Firmenlogo zeigt ein Wikingerschiff, um das mehrere Worte in altnordischer Runenschrift angeordnet sind. Sie lauten: »Treue, Loyalität, Disziplin, Ehre, Tapferkeit, Pflicht«.

* Aus: junge Welt, 28. Mai 2010

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Von Philipp Robert Reher. Kassel, März 2010 (Praktikumsarbeit für die AG Friedensforschung an der Uni Kassel; pdf-Datei)




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