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OVKS: Problemlöser in Zentralasien

Wochenkolumne von Fjodor Lukjanow *

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat während seines Moskau-Besuchs an einer Sitzung des OVKS-Rats (Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit) teilgenommen.

Beobachter sehen darin ein wichtiges Ereignis. Schon seit Jahren strebt Russland die internationale Anerkennung dieses Gremiums an - vor allem von der UN und der Nato. Mit der nordatlantischen Allianz sind derzeit keine Erfolge zu erkennen, obwohl die Nato-Länder wegen der schlechter werdenden Situation in Afghanistan nicht alles kategorisch ablehnen. Mit den Vereinten Nationen entwickelt sich die Zusammenarbeit erfolgreicher. Im Frühjahr wurde ein offizielles Abkommen abgeschlossen. Jetzt nannte Ban Ki Moon konkrete Kooperationsrichtungen - Kampf gegen Drogen und Terror, die Förderung des Friedens und der Stabilität. Russland kann man wohl gratulieren.

Doch das Schwierigste steht noch bevor. Die OVKS muss in ein vollwertiges militärpolitisches Bündnis verwandelt werden, das oben erwähnte Aufgaben in Angriff nimmt.

Die OVKS (früher Organisation des Taschkent-Vertrags) gibt es bereits seit 20 Jahren als Klub der Freunde Russlands ohne klare Verpflichtungen. In dieser Form war sie allen genehm. Nach dem Zerfall der Sowjetunion musste man sich koordinieren. Die Erhaltung dieser Struktur bestärkte jedoch die Illusion (vor allem bei Moskau), dass eine gemeinsame Kraft hinter den Mitgliedsstaaten steht.

Doch lange Zeit konnte man sich nichts vormachen. Angesichts der alarmierenden Ungewissheit in Afghanistan und der bröckelnden Stabilität in Zentralasien musste eine Struktur geschaffen werden, die die regionale Sicherheit gewährleistet. OVKS ist zurzeit dafür noch nicht soweit. Die Beziehungen zwischen Russland und seinen Verbündeten sind bislang nicht normalisiert worden. Das betrifft vor allem Usbekistan, das als militärisch stärkster Staat in diesem Teil Eurasiens die Führungsrolle übernehmen muss. Zudem ist unklar, welchen Platz Weißrussland und Armenien einnehmen sollen, die keine Interessen in Zentralasien haben. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die beiden Staaten an der tadschikisch-afghanischen Grenze an Militäreinsätzen beteiligen. Zudem nutzt Weißrussland seine Mitgliedschaft in vielen Gremien als Druckhebel bei seinen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland.

Doch diese zwei Staaten haben eigene Sicherheitsprobleme. Weißrussland hat schlechte Beziehungen zum Westen und Armenien befindet sich formell im Kriegszustand mit Aserbaidschan. Für Russland besteht der Ausweg wohl in der gleichzeitigen Stärkung der Sicherheitsbeziehungen zu Weißrussland und Armenien. Bei Minsk handelt es sich um die „Sapad-“Manöver, die mit jedem Mal ein größeres Ausmaß annehmen. Bei Jerewan handelt es sich um die Verlängerung der Stationierungsdauer des russischen Militärstützpunkts bis 2045 und die Erneuerung der Sicherheitsgarantien an den Grenzen (also nicht nur gegen die Türkei, sondern auch gegen Aserbaidschan).

Was die OVKS selbst betrifft, kamen Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen zutage, als ethnische Unruhen im Süden Kirgistans aufflammten. Die inneren Angelegenheiten eines Staates fallen zwar nicht in die Zuständigkeit der Organisation, die regionale Stabilität war jedoch ernsthaft bedroht. Vor allem Usbeken fielen den Krawallen zum Opfer, also Stammesgenossen der Bürger und Spitzenpolitiker des Nachbarlandes. Doch die Nachbarländer wollten weder die Gefahrenherde stabilisieren noch eine Einmischung Russlands. Taschkent und Duschanbe waren mehr darüber beunruhigt, dass ein Präzedenzfall entsteht und Russland sich einmischt, falls etwas Ähnliches wie in Kirgistan geschieht. Usbekistan wollte seine vollständige strategische Selbstständigkeit bewahren und die Möglichkeit haben, mit den USA und der Nato vollwertig zusammenzuarbeiten.

Die Stabilisierung und Vertiefung der Beziehungen zwischen den OVKS-Verbündeten sind nur dann möglich, wenn die zentralasiatischen Länder die tatsächliche Gefahr vom Süden bemerken. Was im Norden Afghanistans geschieht, der früher als das ruhigste Gebiet am Hindukusch galt und sich fast in ein Nest der Radikalen verwandelt hat (Überfall auf die UN-Mission in Mazar-i-Scharif und die Ermordung der Mitarbeiter), kann die zentralasiatischen Länder nicht unberührt lassen. Falls es tatsächlich zu einem unvorhersehbaren Ereignis kommt, wird niemand außer Russland diesen Ländern Sicherheitsgarantien geben.

Die Umgestaltung der OVKS wird künftig eine der wichtigsten Aufgaben Russlands im Sicherheitsbereich sein. Das hängt teilweise damit zusammen, dass eine funktionierende OVKS ein Trumpf bei der Entwicklung der Beziehungen zur Nato und den USA sein könnte, die dringend einen Partner in Zentralasien brauchen. Das Wichtigste ist jedoch, dass sich jede Instabilität südlich der russischen Staatsgrenzen fast unvermeidlich auf sein Territorium ausdehnen wird. Deshalb sind Präventivmaßnahmen vonnöten.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 28. April 2011; http://de.rian.ru

OVKS

Die Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit (OVKS) wurde am 15. Mai 1992 in Taschkent gegründet und wurde neben Russland von Armenien, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan unterzeichnet. 1993 schlossen sich dem Vertrag Aserbaidschan, Georgien und Weißrussland an.



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