Mit vollen Segeln in die Arme der NATO?
Die Schweiz will ihr Militärgesetz revidieren - Die Friedensbewegung sagt NEIN
Von Diethelm Raff, Zürich
Bei der neuen Sicherheitspolitik des Bundes "Sicherheit durch Korruption" (SIPOL 2000) handelt es sich um einen Schritt auf dem Weg zum Anschluss an die Nato. Wie kann diese Aussage belegt werden? Der Verteidigungshaushalt der Schweiz wird bereits seit 1996 in Brüssel bei der Nato besprochen, wie der Bundesrat selber darlegte (SIPOL S. 11). Damals hat sich die Schweiz der Nato-Organisation "Partnerschaft für den Frieden" angeschlossen; einer Organisation, die 1994 einzig dazu gegründet wurde, um so viel Länder wie möglich in die Nato einzubinden, ohne dass diese direkt Mitglied werden müssen. Das VBS schreibt dazu (Die Schweiz und die Partnerschaft für den Frieden, S.12), dass die Schweizer Armee in Sprache und Terminologie, in ihrer Doktrin, in Führungs- und Planungsabläufen, in ihrer gesamten Struktur und in ihrem Material an die Nato angepasst werden müsse - unter dem Stichwort Interoperabilität.
Leitmotiv für die Armee 21: Anschluss an die Nato-Anforderungen
Das VBS erklärt selbst, dass die "Interoperabilität ein zentrales Leitmotiv für die aktuelle Reform der Armee geworden ist" (Die Schweiz und die Partnerschaft für den Frieden, S. 13). Der Unterschied zwischen der "Partnerschaft für den Frieden" und der Nato ist nur noch wie ein Stück Papier wie der ehemalige Verteidigungsminister der USA, William Percy, dazu erklärte. Der stellvertretende Generalsekretär der NATO, Sergio Ballanzino schrieb im Nato-Brief bereits im Juli 1997 (S.13): "Die neue PfP ist nun mit der neuen NATO 'verschweisst'".
Angriffskriege mit der Schweiz unter dem Titel "friedensunterstützende" Operationen?
Darüberhinaus hat der Schweizer Bundesrat in seiner Sicherheitsplitik 2000 erklärt, dass die Schweizer Armee nicht etwa nur "friedenserhaltende Einsätze" mit der Nato zusammen durchführen werde, sondern "friedensunterstützende" (SIPOL S. 48, neuer Artikel 66.3, Militärgesetz). Dieser verschleiernde Begriff "Friedensunterstützung" beinhaltet Angriffskriege, sogenannte "Friedenserzwingung", wie am 8./9. Februar an einer Tagung der Nato-Befürworter an der ETH Zürich ausführlich dargestellt wurde. Die Schweizer Armee soll zu einem Modul der Nato werden, das auch ausserhalb Europas für irgendwelche Interessen einsetzbar werden soll. "Die Armee ist in der Lage, den Auftrag Friedensunterstützung und Krisenbewältigung zu erfüllen, indem sie in einem Krisengebiet, vor allem in Europa und in Kooperation mit anderen Streitkräften, modulartig aufgebaute Verbände nach kurzer Vorbereitung über längere Zeit einsetzen kann. (SIPOL 2000, S. 48). In der Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Militärgesetzes (S. 478, 482) erklärt der Bundesrat, dass die jetzige Änderung des Militärgesetzes nur ein weiterer Schritt hin zu einer völligen Umgestaltung der Armee auf Nato-Anforderungen hin sei. Es geht am 10. Juni nämlich darum, zumindest einen Teil der Armee in eine Berufsarmee umzuwandeln - genauso wie es alle anderen Nato-Staaten für die geplanten Angriffkriege getan haben oder tun. Laut neuem Artikel 66.1 könnten diese Einsätze zwar unter UNO- oder OSZE-Mandat stattfinden, aber es ginge auch ohne diese.
1999: Nato mutierte vom Defensivbündnis zum Angriffsbündnis
Warum aber nicht mit der Nato zusammenarbeiten, die doch ein Teil Europas gegen den Kommunismus geschützt hat? Weil die Nato im April 1999 ihre Doktrin geändert hat. Sie hat sich von einem reinen Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsbündnis gewandelt. Die Nato hat sich das Recht herausgenommen, das Völkerrecht auf Selbstbestimmung aufzuheben. Sie will militärische Besetzungen vornehmen, wenn ein Land nicht die richtigen Reformen durchführt, Rohstoffe nicht zu niedrigen Preisen verkauft, wenn es irgendwo zu ethnischen oder religiösen Konflikten kommt und diese Region geostrategisch von Interesse ist usw. wie im "Neuen strategischen Konzept der NATO in den Artikeln. 20 und 24 nachgelesen werden kann. Wie im Balkan gehört zur sogenannten "Gestaltung des Sicherheitsumfeldes" ausserhalb der Grenzen, wie sie jetzt auch das VBS propagiert, Bombardements wie in Jugoslawien (Art. 12). Henry Kissinger sagte dazu in der Welt am Sonntag (15.8.99), dass die Nato mit ihrer Forderung, ganz Jugoslawien zu besetzen, den Krieg selbst provoziert hätte. Die Nato hätte sich damit von Prinzip der Souveränität verabschiedet, das seit dem Westfälischen Frieden die Verhältnisse der Länder untereinander verbessert hätten. Das Defensivbündnis hätte man aufgegeben.
Echte Hilfe durch den Nato-Anschluss gefährdet
Die meisten Schweizerbürger wissen noch nicht, dass die Schweiz an dieser neuen aggressiven Grossmachtspolitik beteiligt werden soll. Die Schweiz würde für mindestens eine Konfliktpartei zum Feind und verlöre damit ihre Jahrhunderte dauernde Fähigkeit für alle Verfeindeten, auf neutralem Boden, echte Lösungen von Konflikten an Runden Tischen zu erarbeiten. Wie im Kosovo müsste das Rote Kreuz in Zukunft nicht nur die deutschen, englischen, französischen Delegierten als Bürger der kriegsbeteiligten Nationen abberufen, sondern auch die Schweizer. Sie wären dann ebenfalls potentielle Feinde. Als Kriegspartei kann die Schweiz keine guten Dienste mehr geben. Es gibt kein anderes Land in der Welt, dem man überall so viel Vertrauen entgegenbringen könnte wie der Schweiz. Die Uno, die sich seit dem Brahimi-Bericht vom Juni letzten Jahres in Zukunft mit "robusten Einsätzen" ebenfalls zur Kriegspartei erklären will, wird so immer weniger zu einer Friedensstifterin. In solch einer bedrohlichen Situation in der ganzen Welt ist es um so nötiger, dass die Schweiz wirklich neutral bleibt. Sie wird damit zur Alternative zu der weltweitern Kriegstreiberei auch für andere friedliebenden Völker. Wer Krieg verhindern will, muss am 10. Juni Nein sagen zur Eingliederung der Schweiz in die jetzige kriegstreibende Nato.
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