Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Deutsche Kampfjets nach Litauen

NATO streitet um Ausbau der Kräfte in Osteuropa

Von Olaf Standke *

Es ist in diesen Tagen im Nordatlantik-Pakt viel von Solidarität die Rede. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beschwor sie am Dienstag in Brüssel mit Blick auf die östlichen Mitglieder. Wie weit sie gehen soll, war auf der Tagung der NATO-Außenminister umstritten. Die Bundesregierung sagte eine »Verstärkung« der militärischen Luftraum- und Seeüberwachung in Osteuropa zu und ist zur Entsendung von sechs Jagdflugzeugen ins Baltikum und eines Minenräumschiffes in die östliche Ostsee bereit, wie es gestern im NATO-Hauptquartier hieß. Wann die Eurofighter auf dem litauischen Flugplatz Siauliai stationiert werden, entscheidet Oberkommandeur Philip Breedlove. Der Pakt hat bereits AWACS-Aufklärungsflugzeuge nach Polen und Rumänien sowie US-Kampfflugzeuge nach Polen verlegt. Auch Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Portugal kündigten Jets an. Begonnen hat ein Manöver, an dem neben F15-Jets und AWACS-Maschinen Jagdflieger des NATO-Partners Schwedens teilnehmen, wie das litauische Verteidigungsministerium erklärte. Auch das Parlament in Kiew hat Militärübungen mit der NATO zugestimmt. Dadurch würden US-Verbände in die Nähe Russlands verlegt. Derweil kündigte Moskau den Abzug von Panzertruppen von der ukrainischen Grenze an. Die NATO wollte ihn gestern noch nicht bestätigen und hat die militärische Kooperation mit Russland ausgesetzt.

Die vom polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski wiederholte Forderung nach dauerhafter Stationierung von Bodentruppen und schweren Waffen der Allianz in den östlichen Mitgliedstaaten findet in Brüssel vorerst kein positives Echo. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen lehnte sie ab, sagte diesen Staaten aber erneut militärischen Beistand zu: »Es gibt keinen Grund, an unser Verpflichtung zur Verteidigung aller Mitgliedstaaten zu zweifeln – einschließlich der baltischen.« Die NATO habe Verteidigungspläne »gegen jede Art von Bedrohung«. Wobei es als Reaktion auf die Krim-Krise wichtig sei, diese weiterzuentwickeln. In einem siebenseitigen vertraulichen Dokument (»Nato Restricted«) hat das Militärbündnis zusammengefasst, wie es seine Präsenz in der Region erhöhen kann. So sollen u.a. Armenien, Aserbaidschan und Moldava ermutigt werden, die »Interoperabilität« ihrer Armeen mit denen der Allianz auszubauen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. April 2014


Krieg im Blick

NATO verschärft Konflikt mit Russland

Von Arnold Schölzel **


Um das Verhältnis der NATO zu Osteuropa und Rußland hat ein offenes Tauziehen im Militärpakt eingesetzt. Die USA hätten sich »an die Spitze der Bewegung« gesetzt, zitiert Der Spiegel aus einem Brief des deutschen NATO-Botschafters. Mit »Bewegung« sind die Vasallenstaaten der Vereinigten Staaten auf dem alten Kontinent gemeint, das »neue Europa«. Eine Hauptfunktion ihrer Regierungen ist, die antirussischen Reflexe bei den Westeuropäern wachzuhalten, eine mögliche Kooperation mit Rußland zu stören oder zu torpedieren und in Konflikten Hysterie zu schüren. Das ist erneut der Fall: Warschau, Vilnius, Riga, Tallin und Bukarest tun seit Wochen so, als stehe die Existenz ihrer Länder auf dem Spiel. Der größte Teil der deutschen Medien und die deutschen Grünen beteiligen sich an dem Krawall und verlangen Sofortmaßnahmen gegen russische Aggressionen. Die Koalition tritt öffentlich vor allem für Abwiegeln und Auf-die-lange-Bank-Schieben ein.

Hinter verschlossenen Türen soll es andere Töne geben. So unterstützte die Bundeskanzlerin in der CDU-Bundestagsfraktion laut Spiegel ausdrücklich das Schwadronieren der Verteidigungsministerin, es sei wichtig, daß die NATO an den östlichen Grenzen des Pakts »Präsenz« zeige. Die wurde nun am Dienstag in Brüssel beschlossen. Die Sprachregelung lautet: Man helfe bei verstärkten Routineoperationen.

Das bedeutet: Wenn Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier eine »militärische Option« im Konflikt mit Rußland ausschließen, schließt das ein, mehr Kriegsgerät näher an russische Grenzen zu bringen. Die beschlossenen Maßnahmen sind für sich genommen geringfügig, im heutigen NATO-Kontext erhalten sie Gewicht. Ein Beleg ist das am Dienstag bekannt gewordene NATO-Papier, wonach Staaten wie Moldawien, Aserbaidschan oder das mehrheitlich prorussische Armenien enger an den Pakt gebunden werden sollen.

Das entspricht der Existenzweise der Allianz. Sie hatte seit dem Zerfall der Sowjetunion den nächsten Krieg stets im Blick, dehnte ihren Radius bis nach Zentralasien und weit hinein nach Afrika aus, derzeit sind laut eigenen Angaben 100000 Soldaten in NATO-Missionen »rund um die Welt« im »Einsatz«. Militärische Expansion ist das Wesensgesetz des Bündnisses, der Angriffskrieg mit oder ohne UN-Mandat Doktrin, »Herrenvolkdemokratie« der Inbegriff für seinen rassistischen Konsens.

Erstmals seit 1991 hat Rußland im Herbst 2013 eine militärische Attacke des Westens auf einen souveränen Staat, auf Syrien, verhindert. Der Putsch vom 22. Februar in der Ukraine wird zur Revanche: Die »Spitze der Bewegung« in der NATO und ihre in Kiew regierenden Kreaturen halten sich den Weg zum Bürgerkrieg offen. Wer dem durch scheinbar kleine militärische Schritte Vorschub leistet, beteiligt sich am imperialistischen Abenteuer. Von Hineinschlittern kann keine Rede sein.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 2. April 2014 (Kommentar)


Dokumentiert: Die Beschlüsse der NATO:

Statement by NATO Foreign Ministers - 1 April 2014

1. We, the Foreign Ministers of NATO, are united in our condemnation of Russia’s illegal military intervention in Ukraine and Russia’s violation of Ukraine’s sovereignty and territorial integrity. We do not recognize Russia’s illegal and illegitimate attempt to annex Crimea. We urge Russia to take immediate steps, as set out in the statement by the NATO-Ukraine Commission, to return to compliance with international law and its international obligations and responsibilities, and to engage immediately in a genuine dialogue towards a political and diplomatic solution that respects international law and Ukraine’s internationally recognized borders. We support the deployment of an OSCE monitoring mission to Ukraine.

2. Our goal of a Euro-Atlantic region whole, free, and at peace has not changed, but has been fundamentally challenged by Russia. We support the sovereignty, political independence, and territorial integrity of all states within their internationally recognised borders. An independent, sovereign, and stable Ukraine, firmly committed to democracy and respect for human rights, minorities, and the rule of law, is key to Euro-Atlantic security.

3. In order to demonstrate our commitment to Ukraine, we will intensify our cooperation in the framework of our Distinctive Partnership. Today NATO and Ukraine have agreed, as set out in the statement by the NATO-Ukraine Commission, to implement immediate and longer-term measures in order to strengthen Ukraine’s ability to provide for its own security.

4. We have also today agreed a package of measures aimed at deepening our cooperation with other NATO partners in Eastern Europe, in consultation with them and within our existing bilateral programmes.

5. Over the past twenty years, NATO has consistently worked for closer cooperation and trust with Russia. However, Russia has violated international law and has acted in contradiction with the principles and commitments in the Euro-Atlantic Partnership Council Basic Document, the NATO-Russia Founding Act, and the Rome Declaration. It has gravely breached the trust upon which our cooperation must be based.

6. We have decided to suspend all practical civilian and military cooperation between NATO and Russia. Our political dialogue in the NATO-Russia Council can continue, as necessary, at the Ambassadorial level and above, to allow us to exchange views, first and foremost on this crisis. We will review NATO’s relations with Russia at our next meeting in June.

7. As stated by our Heads of State and Government at the Chicago Summit in 2012, NATO is based on solidarity, Alliance cohesion, and the indivisibility of our security. In the current situation, the Alliance has already taken steps to demonstrate solidarity and strengthen its ability to anticipate and respond quickly to any challenges to Alliance security. We will continue to provide appropriate reinforcement and visible assurance of NATO’s cohesion and commitment to deterrence and collective defence against any threat of aggression to the Alliance.

Tuesday, 1 April 2014 - Press Release (2014) 062


Statement of the NATO-Ukraine Commission

We, the Foreign Ministers of the NATO-Ukraine Commission, are united in our condemnation of Russia’s illegal military intervention in Ukraine, and Russia’s violation of Ukraine’s sovereignty and territorial integrity. We do not recognize Russia’s illegal and illegitimate “annexation” of Crimea. We will continue to work together to reach a political and diplomatic solution which respects international law and Ukraine’s internationally recognized borders.

We call on Russia to de-escalate by reducing its troops in Crimea to pre-crisis levels and withdrawing them to their bases; to reduce its military activities along the Ukrainian border; to reverse the illegal and illegitimate “annexation” of Crimea; to refrain from any further interference and aggressive actions in Ukraine; to respect the rights of the Ukrainian population including the Crimean Tatars; and to fulfil its international obligations and to abide by international law.

We support the deployment of an OSCE monitoring mission to Ukraine.

We commend the Armed Forces of Ukraine for their courage, discipline and restraint, in the face of provocation.

As a tangible demonstration of Allied commitment to the Distinctive Partnership between NATO and Ukraine, we have agreed on concrete measures to enhance Ukraine’s ability to provide for its own security.

NATO and Ukraine will intensify cooperation and promote defence reforms through capacity building and capability development programmes. NATO Allies will also reinforce the NATO Liaison Office in Kyiv with additional experts.

Allies will continue working together with the Ukrainian government, the Verkhovna Rada and civil society to strengthen civilian control over the armed forces and related security sectors.

Allies support the measures taken by the Ukrainian government to advance reforms and to promote an inclusive political process, based on democratic values, respect for human rights, minorities and the rule of law.

We welcome Ukraine’s signature of the political chapters of the Association Agreement with the European Union on 21 March.

An independent, sovereign and stable Ukraine, firmly committed to democracy and the rule of law, is key to Euro-Atlantic security. Allies firmly support Ukraine’s sovereignty and territorial integrity. We call on Russia to abide by these principles.

Tuesday, 1 April 2014 - Press Release (2014) 058




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