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"Der Krieg gegen den Terror ist der entscheidende ideologische Konflikt des 21. Jahrhunderts"

Im Wortlaut: Rede von US-Präsident George W. Bush auf dem NATO-Gipfel in Riga

Im Folgenden dokumentieren wir die unwesentlich gekürzte Rede von US-Präsident George W. Bush anlässlich des NATO-Gipfels in Lettland vom 28. November 2006. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst.



Nicht weit von dem Ort, an dem wir uns heute treffen, steht das Freiheitsdenkmal von Riga. Es wurde 1935 erbaut, während der kurzen Zeit der Unabhängigkeit des Landes zwischen den beiden Weltkriegen. Während der dunklen Jahre der Sowjetherrschaft wurde die einfache Geste, Blumen am Fuße des Denkmals niederzulegen, von den kommunistischen Behörden als Verbrechen erachtet. 1989 war das Denkmal Schauplatz einer der beachtenswertesten Demonstrationen in der Geschichte der Freiheit. Hunderttausende von Menschen bildeten zusammen eine Kette, die sich über mehr als 640 Kilometer durch die baltischen Staaten erstreckte – von Tallinn im Norden über die Innenstadt von Riga bis ins Herz von Vilnius. Hand in Hand demonstrierten die Menschen dieser Region ihre Einheit und ihre Entschlossenheit, in Freiheit zu leben – und machten den sowjetischen Behörden klar, dass die baltischen Staaten nichts weniger als vollständige Unabhängigkeit akzeptieren würden.

Es waren noch einige Jahre des Kampfes erforderlich, aber heute haben die baltischen Staaten ihren rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft freier Nationen eingenommen, und Lettland ist Gastgeber eines wichtigen NATO-Gipfels. Es ist das erste Treffen unseres Bündnisses in einem der ehemals von der Sowjetunion gewaltsam annektierten Staaten. Es ist ein stolzer Tag für die Menschen in Lettland und alle baltischen Staaten, und im Namen der Amerikaner danke ich Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, Ihre Freundschaft und den Mut, den sie innerhalb des NATO-Bündnisses beweisen.

Als Mitgliedstaaten der NATO sind Sie ein wesentlicher Teil der effektivsten multilateralen Organisation der Welt und des wichtigsten Militärbündnisses der Geschichte. Als NATO-Bündnispartner werden Sie Ihre Freiheit nie wieder alleine verteidigen müssen, und Sie werden nie wieder von einer fremden Macht besetzt werden.

Alle baltischen Staaten kommen ihren Verpflichtungen zur Stärkung der NATO nach, indem sie neue Energie, Vitalität und Klarheit im Ziel in das Bündnis einbringen. Ihre Liebe zur Freiheit hat die NATO stärker gemacht, und mit Ihrer Hilfe wird unser Bündnis die neuen großen Herausforderungen und Verantwortungen dieses jungen Jahrhunderts meistern, indem die NATO die weltweit effektivste und einigste Kraft für die Freiheit wird.

Eine der Hauptverantwortungen dieses Bündnisses ist die Stärkung und Erweiterung des Kreises der Freiheit hier in Europa. In den fast sechzig Jahrzehnten seit Gründung der NATO hat Europa eine beispiellose Verbreitung der Freiheit erfahren. Ein Kontinent, der einst durch eine hässliche Mauer geteilt war, ist jetzt in Freiheit geeint. Dennoch, die Arbeit der europäischen Einigung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Viele Länder, die die Fesseln der Tyrannei abgeworfen haben, arbeiten noch immer an den freien Institutionen erfolgreicher Demokratien. Die NATO unterstützt diese Länder auf dem Weg der Reform, und mit den harten Entscheidungen, die Regierungen für ihre Bevölkerung treffen, werden sie in den Institutionen der euroatlantischen Gemeinschaft begrüßt.

Nach meiner Amtsübernahme 2001 erklärte ich, dass die Vereinigten Staaten an die NATO-Mitgliedschaft für alle Demokratien Europas glauben, die sie wünschen und bereit zur Übernahme der mit dem NATO-Beitritt einhergehenden Pflichten sind. Im folgenden Jahr in Prag haben wir sieben Länder eingeladen, unserem Bündnis beizutreten: Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien, die Slowakei und Slowenien. Hier in Riga werden die Bündnispartner deutlich machen, dass die Tür zur NATO-Mitgliedschaft offen bleibt, und bei unserem nächsten Gipfeltreffen 2008 hoffen wir, weitere Einladungen an Länder aussprechen zu können, die für eine Mitgliedschaft bereit sind.

Heute beteiligen sich Kroatien, Mazedonien und Albanien am Aktionsplan zur Mitgliedschaft, und die Vereinigten Staaten unterstützen ihren Wunsch, in das atlantische Bündnis aufgenommen zu werden. Georgien strebt ebenfalls eine NATO-Mitgliedschaft an, und während es den Weg der Reform weiter beschreitet, werden wir den Wunsch des Landes, ein NATO-Bündnispartner zu werden, auch weiterhin unterstützen. Wir unterstützen auch die Führung der Ukraine bei der Bekämpfung von Korruption, der Förderung von Rechtsstaatlichkeit und der Unterstützung der Sache des Friedens. Unsere Position ist eindeutig: Wenn die Demokratie in der Ukraine Fuß fasst und die politische Führung die entscheidenden Reformen weiter verfolgt, steht die NATO-Mitgliedschaft den Ukrainern offen, sollten sie dies denn wünschen.

Wir arbeiten im Rahmen des NATO-Russland-Rats auch mit Russland zusammen. Wir erkennen Russland als maßgebliches und wichtiges Land an und wissen, dass es in unserem Interesse ist, die Zusammenarbeit mit Russland in Bereichen wie der Terrorismusbekämpfung und der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen auszuweiten. Indem wir Bande zwischen Russland und diesem Bündnis knüpfen, stärken wir unsere gemeinsame Sicherheit und fördern die Sache des Friedens.

Während wir den neuen Demokratien in Europa behilflich sind, den europäischen Institutionen beizutreten, dürfen wir diejenigen nicht vergessen, die noch immer unter Tyrannei zu leiden haben. Gleich hinter der Grenze liegt die Nation Belarus - ein Land, wo friedliche Demonstranten geschlagen werden und Agenten eines brutalen Regimes Oppositionsführer verschwinden lassen. Die Existenz derartiger Unterdrückung in unserer Mitte beleidigt das Gewissen Europas, und sie beleidigt das Gewissen Amerikas. Wir haben eine Botschaft für die Menschen in Belarus: Die Vision eines Europas, das geeint, frei und in Frieden lebt, schließt Sie ein - und wir stehen Ihnen in Ihrem Kampf für die Freiheit bei.

Eine weitere große Aufgabe dieses Bündnisses ist die Anpassung an neue Herausforderungen. Als die NATO 1949 gegründet wurde, bestand ihre Hauptmission darin, Europa vor einer Invasion durch sowjetische Panzer zu schützen. Heute existiert die Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr. Unter der fähigen Führung des Generalsekretärs verwandelt sich die NATO von einem statischen, auf die Verteidigung Europas ausgerichteten Bündnis in ein Expeditionsbündnis, das zur Verteidigung der Freiheit Truppen außerhalb Europas stationieren kann. Dies ist eine überaus wichtige Aufgabe.

In den letzten sechs Jahren haben wir entschiedene Maßnahmen ergriffen, um unsere Fähigkeiten im Bündnis umzugestalten. Wir haben ein neues NATO-Kommando für Fragen der Umgestaltung geschaffen um sicherzustellen, dass unser Bündnis immer auf die Bedrohungen der Zukunft vorbereitet ist. Wir haben ein neues NATO-Bataillon für Bedrohungen durch Feinde eingerichtet, die mit Massenvernichtungswaffen bewaffnet sind. Wir haben eine neue NATO-Eingreiftruppe geschaffen um zu gewährleisten, dass unser Bündnis Truppen schnell und effektiv entsenden kann.

Hier in Riga unternehmen wir neue Schritte, um auf diesen Fortschritten aufzubauen. Bei diesem Gipfeltreffen werden wir die NATO-Initiative zu Sondereinsatztruppen auf den Weg bringen, die die Fähigkeit von Sondereinsatztruppen aus den NATO-Mitgliedstaaten verbessern wird, auf dem Gefechtsfeld zusammenzuarbeiten. Wir werden eine neue Initiative für strategische Lufttransporte ankündigen, durch die sichergestellt wird, dass den teilnehmenden NATO-Mitgliedern hierfür eine C-17-Flotte zur Verfügung steht. Wir werden die Globale Partnerschaftsinitiative von Riga ins Leben rufen, im Rahmen derer die NATO gemeinsam ausbilden und gemeinsame Übungen sowie eine gemeinsame Verteidigungsplanung mit Ländern wie Japan und Australien durchführen kann - Länder, die die Werte der NATO teilen und mit dem Bündnis für die Sache des Friedens zusammenarbeiten wollen. Wir werden eine neue NATO-Kooperationsinitiative zur Ausbildung in die Wege leiten, im Rahmen derer Streitkräfte im Nahen Osten von der NATO in Terrorismusbekämpfung, Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und friedenserhaltenden Maßnahmen ausgebildet werden können. Während wir diese Schritte unternehmen, muss jedes NATO-Mitglied die Verteidigungsinvestitionen tätigen, die erforderlich sind, um der NATO die Fähigkeiten zu geben, die unser Bündnis benötigt, um für jede Herausforderung gewappnet zu sein, die in den kommenden Jahrzehnten auftreten könnte.

Die grundlegendste Verantwortung dieses Bündnisses ist die Verteidigung unserer Bevölkerung gegen die Bedrohungen eines neuen Jahrhunderts. Wir befinden uns in einem langen Kampf gegen Terroristen und Extremisten, die einer hasserfüllten Ideologie anhängen und von Spanien bis Indonesien ein totalitäres Reich errichten wollen. Wir kämpfen gegen die Extremisten, die Zufluchtsorte suchen und bereit sind, für ihre Ziele Unschuldige an jedem Ort zu ermorden.

Die NATO hat diese Bedrohung erkannt. Vor drei Jahren hat die NATO eine beispiellose Maßnahme ergriffen, als sie Bündnisstreitkräfte zur Verteidigung einer fast 5.000 Kilometer entfernten jungen Demokratie entsandte. Seit sie das Kommando über die Internationale Schutztruppe für Afghanistan übernommen hat, hat die NATO diese kleine, nur in Kabul eingesetzte Truppe in schlagkräftige Streitkräfte verwandelt, die Sicherheitseinsätze in ganz Afghanistan durchführen. Die NATO unterstützt die Ausbildung der nationalen afghanischen Streitkräfte. Das Bündnis unterhält 25 Wiederaufbauteams in den Provinzen, die der Landesregierung behilflich sind, ihre Reichweite in die entlegenen Regionen des Landes auszudehnen. Zurzeit sind alle 26 NATO-Bündnispartner und 11 Partnerländer Truppensteller für die NATO-Mission in Afghanistan. Ihr Einsatz ist mutig, und sie leisten die grundlegende Arbeit, um diese junge Demokratie bei der Sicherung des Friedens zu unterstützen.

Wir haben die Effektivität der NATO-Truppen diesen Sommer gesehen, als die NATO die Leitung der Sicherheitseinsätze in Südafghanistan von den Vereinigen Staaten übernahm. Die extremistischen Taliban, die versuchen, die Demokratie Afghanistans zum Scheitern zu bringen und wieder an die Macht zu gelangen, sahen die Befehlsübergabe von den Vereinigten Staaten an die NATO als Möglichkeit, den Willen des Bündnisses auf die Probe zu stellen. Die Taliban sammelten also eine große Anzahl von Kampftruppen bei Kandahar, um sich den NATO-Truppen frontal zu stellen. Das war ein Fehler. Gemeinsam mit den afghanischen Streitkräften stellten sich NATO-Truppen aus Kanada, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Australien und den Vereinigten Staaten dem Feind – mit operationeller Unterstützung rumänischer, portugiesischer und estnischer Streitkräfte. Den NATO-Befehlshabern zufolge kämpften die Bündnisstreitkräfte tapfer und fügten den Taliban erheblichen Schaden zu.

General David Richards, britischer Befehlshaber der NATO-Truppen in Afghanistan, formulierte es folgendermaßen: "Es gab Zweifel an der NATO und ihrer Fähigkeit, anspruchsvolle Sicherheitseinsätze durchzuführen. Jetzt gibt es keine Fragen bezüglich unserer Fähigkeiten mehr. Wir haben hunderte von Taliban getötet, und das hat die Zweifel bei jedem ausgeräumt, der dachte, die NATO sei nicht in der Lage, das zu leisten, wozu sie hierhin entsandt wurde."

Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer, Drogenschmuggler, Kriminelle und regionale Kriegsherren sind weiterhin aktiv und wollen die Demokratie in Afghanistan zerstören. Der Sieg über sie erfordert das volle Engagement unseres Bündnisses. Damit die NATO Erfolg hat, müssen die Befehlshaber vor Ort die erforderlichen Ressourcen und die nötige Flexibilität haben, um ihre Arbeit zu leisten. Das Bündnis basiert auf einem klaren Grundsatz: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle. Dieser Grundsatz gilt, egal ob der Angriff auf unserem Hoheitsgebiet oder auf unsere Truppen verübt wird, die sich in einem NATO-Auslandseinsatz befinden. Heute ist Afghanistan der wichtigste Militäreinsatz der NATO, und indem wir in Afghanistan Seite an Seite stehen, schützen wir unsere Bevölkerung, verteidigen unsere Freiheit und setzen ein klares Zeichen für die Extremisten, dass die Kraft der Freiheit und Anständigkeit obsiegen wird.

Jeder Bündnispartner kann auf die Veränderungen stolz sein, die die NATO Afghanistan ermöglicht. Dank unserer Anstrengungen hat sich Afghanistan von einem totalitären Albtraum in eine freies Land verwandelt, mit einem gewählten Präsidenten, einer demokratischen Verfassung und mutigen Soldaten und Polizisten, die ihr Land verteidigen.

Über 4,6 Millionen afghanische Flüchtlinge sind nach Hause zurückgekehrt. Es ist eine der größten Rückkehrbewegungen der Geschichte. Die Wirtschaft Afghanistans ist in den letzten fünf Jahren um das Dreifache gewachsen. Etwa zwei Millionen Mädchen gehen jetzt zur Schule, verglichen mit null unter den Taliban, und 85 Frauen wurden in die afghanische Nationalversammlung gewählt oder ernannt. Ein Land, das einst Zufluchtsort für Terroristen war, wurde zu einem Bündnispartner im Krieg gegen den Terror, angeführt von einem mutigen Präsidenten, Hamid Karzai. Unsere Arbeit in Afghanistan bringt Freiheit für die Afghanen, Sicherheit für die euroatlantische Gemeinschaft, und sie macht dem NATO-Bündnis alle Ehre.

Die NATO-Partner leisten auch wichtige Beiträge im Kampf für die Freiheit im Irak. In diesem Moment stellen ein Dutzend NATO-Verbündete, darunter alle baltischen Nationen, Streitkräfte für die Koalition im Irak bereit. Zudem stellen 18 NATO-Mitgliedsländer und die Ukraine Soldaten für die NATO-Ausbildungsmission, die dazu beiträgt, die nächste Führungsgeneration der irakischen Sicherheitskräfte zu instruieren. Bis heute hat die NATO nahezu 3.000 irakische Sicherheitskräfte ausgebildet, darunter fast 2.000 Offiziere und zivile Verteidigungsexperten, die im Irak ausgebildet wurden, sowie weitere 800 Iraker, die im Ausland geschult wurden. Die NATO war den Irakern bei der Gründung einer neuen Militärakademie in der Nähe von Bagdad behilflich, so dass die Iraker in den kommenden Jahren ihre militärischen Anführer eigenständig ausbilden können. Die NATO hat dem irakischen Militär ferner militärische Ausrüstung im Wert von 128 Millionen Dollar bereitgestellt, darunter 77 ungarische T-72-Kampfpanzer. Indem sie bei der Ausrüstung der irakischen Sicherheitskräfte und der Ausbildung der nächsten Generation der irakischen Militärführung hilft, steht die NATO den Irakern bei der schwierigen Aufgabe zur Seite, ihr Land und ihre Freiheit zu sichern.

Morgen werde ich nach Jordanien reisen und mich dort mit dem irakischen Ministerpräsidenten treffen. Wir werden die Situation im Irak, unsere andauernden Bestrebungen, mehr Verantwortung auf die irakischen Sicherheitskräfte zu übertragen sowie die Verantwortung anderer Nationen in der Region diskutieren, Sicherheit und Stabilität im Irak zu unterstützen. Wir werden weiterhin flexibel sein und die für den Erfolg erforderlichen Veränderungen vornehmen. Aber eines werde ich nicht tun. Ich werde unsere Truppen nicht vom Schlachtfeld abziehen, bevor die Mission abgeschlossen ist.

Die Kämpfe im Irak und in Afghanistan sind Teil eines größeren Konfliktes zwischen gemäßigten und extremistischen Elementen, der sich im Nahen und Mittleren Osten entwickelt. Unser Feind folgt einer hasserfüllten Ideologie, die grundlegende Freiheiten wie die Rede- und Versammlungsfreiheit sowie freie Religionsausübung ablehnt. Sie verweigert Frauen Rechte. Sein Ziel besteht darin, Regierungen zu stürzen und Millionen von Menschen seine totalitäre Herrschaft aufzuzwingen. Er hat eine Strategie, um diese Ziele zu erreichen. Er will die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten überzeugen, dass sie ihn nicht besiegen können, dass unsere einzige Hoffnung darin besteht, uns zurückzuziehen und eine ganze Region aufzugeben, die dann seiner Vorherrschaft unterliegt. Der Krieg gegen den Terror, den wir heute führen, ist mehr als ein militärischer Konflikt. Er ist der entscheidende ideologische Konflikt des 21. Jahrhunderts. In diesem Konflikt können wir für unsere Kinder und Enkelkinder nichts Geringeres als den Sieg akzeptieren.

Wir können diesen Konflikt im Libanon beobachten, wo vergangene Woche Bewaffnete den Industrieminister des Landes töteten. Pierre Gemayel spielte eine wichtige Rolle in der Bewegung, die letztes Jahr die Unabhängigkeit des Libanon errang. Sein Tod veranschaulichte einmal mehr die Bösartigkeit jener, die versuchen, die junge Demokratie im Libanon zu destabilisieren. Wir können diesen Konflikt in Syrien beobachten, wo es das Regime erlaubt, dass iranische Waffen über das eigene Staatsgebiet in den Libanon gebracht werden und der Hisbollah Waffen und politische Unterstützung gewährt wird. Wir sehen diesen Konflikt in Iran, wo ein reaktionäres Regime seine stolzen Bürger unterdrückt, freie Gewerkschaftsführer verhaftet und die iranischen Ressourcen dazu nutzt, die Verbreitung von Terror sowie den Wunsch nach Nuklearwaffen zu finanzieren. Wir sehen diesen Konflikt in den Palästinensergebieten, wo Extremisten gemäßigte Politiker davon abhalten, Fortschritte auf dem Weg hin zu zwei demokratischen Staaten zu erzielen, Israel und Palästina, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben.

An allen diesen Orten nutzen Extremisten den Terror dazu, die Verbreitung von Freiheit aufzuhalten. Einige von ihnen sind schiitische, andere sunnitische Extremisten – aber sie stellen nur unterschiedliche Seiten derselben Bedrohung dar. Und wenn es ihnen gelingt, fragile Demokratien zu destabilisieren und die Kräfte der Freiheit aus der Region zu vertreiben, ist der Weg zur Verwirklichung ihrer Ziele frei. Jede Strömung des gewalttätigen islamistischen Radikalismus würde in ihren Bestrebungen gestärkt, die Kontrolle über Staaten zu erlangen und neue Zufluchtsorte zu erschließen. Die Extremisten würden Ölressourcen für ihre radikale Agenda einsetzen und dazu nutzen, die Industrienationen zu bestrafen. Außerdem würden sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstreben. Ausgerüstet mit Nuklearwaffen könnten sie die freie Welt erpressen, ihre Ideologie des Hasses verbreiten und würden eine tödliche Bedrohung für Europa, die Vereinigten Staaten sowie die gesamte zivilisierte Welt darstellen.

Wenn wir den Extremisten das erlauben, werden die Menschen in 50 Jahren mit unversöhnlicher Klarheit zurückblicken und wissen wollen, warum wir nicht gehandelt haben. Unser Bündnis hat die Verantwortung zu handeln. Wir müssen die moderaten Kräfte und Reformer stärken und unterstützen, die sich im Nahen und Mittleren Osten für Veränderungen einsetzen. Wir müssen Millionen von Menschen Hoffnung bringen, indem wir junge Demokratien von Kabul über Bagdad bis Beirut stärken. Und wir müssen die Freiheit als große Alternative zu Tyrannei und Terror fördern.

Ich weiß, dass manche in meinem Land und manche hier in Europa pessimistisch bezüglich der Aussichten von Demokratie und Frieden im Nahen Osten sind. Einige haben ihre Zweifel, ob die Menschen dieser Region auch bereit für die Freiheit sind, ob sie sie wirklich wollen oder den Mut haben, die Kräfte des totalitären Extremismus zu überwinden. Ich verstehe diese Zweifel, teile sie jedoch nicht. Ich glaube an die Allgemeingültigkeit der Freiheit. Ich glaube, dass die Menschen im Nahen Osten Freiheit wollen. Ich bin beeindruckt vom Mut der Menschen in der Region, die für ihre Freiheit kämpfen.

Wir sehen diesen Mut bei den acht Millionen Afghanen, die sich terroristischen Bedrohungen widersetzten und in die Wahllokale gingen, um ihre politische Führung zu wählen. Wir sehen diesen Mut bei den nahezu 12 Millionen Irakern, die es nicht zuließen, dass Autobomber und Mörder sie davon abhalten, ihre Stimme für die freie Zukunft ihres Landes abzugeben. Wir sehen diesen Mut bei den mehr als eine Million Libanesen, die für eine freie und souveräne Regierung für ihr Land stimmten. Und wir sehen diesen Mut bei Bürgern von Damaskus bis Teheran, die wie die Bürger von Riga vor ihnen die brennende Flamme der Freiheit in ihren Herzen tragen und wissen, dass ihr Licht eines Tages auch in ihren Nationen leuchten wird.

Vor nicht allzu langer Zeit zweifelten viele daran, dass die Freiheit in Europa siegen könnte. Hier auf dem Baltikum erinnern sich viele Menschen noch an die Anfangsjahre des Kalten Krieges, als der Sieg der Freiheit noch nicht ersichtlich oder gesichert war. 1944 besetzte die Rote Armee Lettland, Litauen und Estland und stürzte die Region in nahezu fünfzig Jahre kommunistischer Herrschaft. 1947 bedrohten kommunistische Kräfte Griechenland und die Türkei, der Wiederaufbau Deutschlands stockte und in ganz Europa begannen die Menschen zu hungern. 1948 fiel die Tschechoslowakei an den Kommunismus; Frankreich und Italien schienen auf das gleiche Schicksal zuzusteuern und Berlin wurde auf Befehl von Josef Stalin von der Welt abgeschnitten. 1949 zündete die Sowjetunion eine Atomwaffe, und Wochen später übernahmen kommunistische Kräfte die Kontrolle in China. Im Sommer 1950 strömten sieben nordkoreanische Divisionen über die Grenze nach Südkorea, und damit begann der erste direkte militärische Zusammenstoß des Kalten Kriegs. All dies geschah in den ersten fünf Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Heute, sechzig Jahre später, ist der Kalte Krieg vorbei, die Sowjetunion gibt es nicht mehr und die NATO trifft sich in der Hauptstadt eines freien Lettlands. Europa bringt nicht mehr die bewaffneten Ideologien hervor, die andere Nationen mit Aggression, Eroberung und Besetzung bedrohen. Ein Kontinent, der viele Generationen lang eine Quelle der Instabilität und der globalen Kriege war, ist eine Quelle für Stabilität und Frieden geworden. Die Freiheit hat Europa Frieden gebracht – und auch die Fähigkeit, dem Nahen und Mittleren Osten Frieden zu bringen.

Kurz nach meinem Amtsantritt sprach ich vor Studenten an der Warschauer Universität. Ich sagte ihnen, die Vereinigten Staaten haben die Lektionen der Geschichte gelernt. Ich sagte: "Kein München mehr, kein Jalta." Ich sprach damals von Europa, aber die Lektionen aus Jalta lassen sich genauso auf andere Regionen der Welt anwenden. Die Frage, die sich unseren Nationen heute stellt, ist folgende: Werden wir totalitären Extremisten das Schicksal von Millionen von Menschen überlassen und zulassen, dass der Feind seine hasserfüllte Ideologie im Nahen Osten durchsetzt? Oder werden wir den Kräften der Freiheit in diesem Teil der Welt zur Seite stehen und die gemäßigte Mehrheit verteidigen, die eine Zukunft in Frieden will?

Mein Land hat seine Entscheidung getroffen, genau wie das NATO-Bündnis. Wir weigern uns, uns einem Pessimismus zu beugen, der Millionen von Menschen im Nahen Osten endloser Unterdrückung aussetzen würde. Wir wissen, dass letztendlich der einzige Weg zu dauerhaftem Frieden über den Erfolg dauerhaft freier Gesellschaften führt.

Hier in den baltischen Staaten wissen viele, dass Freiheit allgemeingültig und die Auseinandersetzung wert ist. Während des Zweiten Weltkriegs flüchtete ein junges Mädchen aus Riga mit ihrer Familie vor der einrückenden Roten Armee. Sie flohen gen Westen, zuerst in ein Flüchtlingslager in Deutschland, später nach Marokko, wo sie sich niederließen und fünfeinhalb Jahre lebten. Da sie ihre Jugend in einem muslimischen Land verbrachte, lernte das Mädchen eine grundlegende Wahrheit über die Menschen: Mütter und Väter in der muslimischen Welt wollen dieselben Dinge für ihre Kinder wie Mütter und Väter hier in Riga - eine Zukunft in Frieden, die Möglichkeit, in Freiheit zu leben und die Chance, ein besseres Leben aufzubauen.

Heute ist das lettische Mädchen Präsidentin eines freien Landes – die eiserne Lady des Baltikums, die Präsidentin Lettlands. Die Erfahrungen, die sie während ihrer Kindheit in Casblanca machte, leiten sie bei der Führung ihrer Nation. Anfang des Jahres sagte sie in einer Rede vor dem Kongress der Vereinigten Staaten: "Wir wissen um den Wert der Freiheit und empfinden Mitgefühl für jene, denen sie immer noch verwehrt wird. Jede Nation auf der Welt hat ein Recht auf Freiheit." Sie sagte: "Wir müssen den gemeinsamen Traum haben, dass es eines Tages keine Tyrannei mehr auf der Welt gibt. Wir müssen auf diese Zukunft hinarbeiten, wir alle, groß und klein, zusammen."

Wie Ihre Präsidentin glaube ich, dass dieser Traum in Reichweite ist. Im Rahmen des NATO-Bündnisses arbeiten große und kleine Nationen daran, ihn zu verwirklichen.

Wir danken den Bürgern Lettlands für ihre Beiträge zur NATO und das leuchtende Beispiel, das sie für die Freiheit setzen. Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft während dieses Gipfels. Die Vereinigten Staaten sind stolz darauf, Sie als Verbündeten in der Sache des Friedens und der Freiheit zu haben. Möge Gott Sie segnen, und möge Gott Amerika weiterhin segnen. Vielen Dank.

Originaltext: President Bush Discusses NATO Alliance During Visit to Latvia
siehe: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2006/11/print/20061128-13.html



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