Auf Patrouille in die NATO?
Schweden und Finnland sollen an Luftüberwachung Islands teilnehmen
Von Gregor Putensen *
Seit Monaten dauert die Debatte um
die Beteiligung finnischer und
schwedischer Flugzeuge an der militärischen
Kontrolle Islands aus der
Luft durch die NATO an.
Island ist zwar NATO-Mitglied,
verfügt jedoch nicht über eigene
Streitkräfte. Seit der Schließung
des USA-Stützpunktes in Keflavik
im Jahre 2006 sieht sich die NATOFührung
dazu veranlasst und befugt,
die Kontrolle der Sicherheit
Islands durch Patrouillenflüge von
Bündnisstaaten zu gewährleisten.
Diese Luftpatrouillen mit voller
Kriegsausrüstung werden als »air
policing« bezeichnet. Durch
entsprechende Flüge – unter
Beteiligung der bundesdeutschen
Luftwaffe – wird
im NATO-Verständnis bereits
seit Langem auch die
militärische Sicherheit Estlands,
Lettlands und Litauens
gewährleistet. Ohne
ausdrückliche Nennung
dessen, der diese Sicherheit
in Frage stellt, besteht sowohl
hinsichtlich des Baltikums
als auch des Nordatlantiks
und Islands unausgesprochener
Konsens darin,
dass solche Gefahren
nur von Russland ausgehen
könnten.
Allerdings gehören
Finnland und Schweden
formell noch immer nicht dem
Nordatlantikpakt an. Dies, obwohl
sowohl die NATO-Führung als
auch die Regierungen in Helsinki
und Stockholm intensiv danach
streben, nicht nur in Afghanistan,
sondern auch in Europa gemeinsam
militärisch zu agieren. Die inzwischen
jährlichen gemeinsamen
Militärmanöver im Norden Europas
reichen ihnen offensichtlich
nicht mehr. Die Beteiligung beider
Staaten an den Island-Patrouillen
der NATO wäre ein nächster
Schritt. Während eines Besuchs in
Helsinki und Stockholm Mitte November
2012 versicherte sich
NATO-Generalsekretär Anders
Fogh Rasmussen der grundsätzlichen
Bereitschaft der Regierungen
zur Teilnahme an der Luftüberwachung
Islands. Für die mehrheitlich
immer noch ablehnende
Haltung der Bevölkerung beider
Länder gegenüber einer NATOMitgliedschaft
finden sich scheinbar
gut verdauliche Argumente:
Vorerst sollen finnische und
schwedische Patrouillenflüge nicht
im Rahmen der militärischen Beistandsverpflichtungen
des NATOVertrages
erfolgen, im Gegensatz
zum »air policing« im Baltikum
sollen sie also unbewaffnet sein.
Und man will der Bevorzugung einer
»nordischen Verteidigungsidentität
« in der Bevölkerung
Rechnung tragen.
Diese »nordische Verteidigungsidentität« in scheinbarer
Distanz zur NATO stellt nichts anderes
als eine Verzerrung des Zusammengehörigkeitsgefühls
der nordeuropäischen Völker im
Dienste der Militarisierung dar.
Nicht nur Linke in Finnland und
Schweden durchschauen das. Auch die ehemalige finnische Verteidigungsministerin
Elisabeth Rehn meldete sich: »Das Gerede
von mehr nordischer Zusammenarbeit,
das sind nur leere Worte.« Wie die Vorsitzende des Sicherheitspolitischen
Ausschusses im finnischen Reichstag, Tarja Cronberg
(Grüne), sieht Rehn die geplanten
Island-Patrouillenflüge »in einer allzu engen Kopplung an die
NATO«. Dies wohl nicht zuletzt
angesichts der jüngsten Umfrage
der Zeitung »Hufvudstadsbladet«: Nur 7 Prozent der Befragten waren
für einen direkten Beitritt, 17 Prozent
für eine größere Nähe zur NATO.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 3. Januar 2013
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