Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Blitzartige Beitritte

NATO: Ukraine und Georgien sollen innerhalb eines Jahres Mitglieder werden

Von Tomasz Konicz *

Die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in den Membership Action Plan (MAP) der NATO steht unmittelbar bevor: In genau einer Woche -- am kommenden Mittwoch -- kommen die Vertreter des westlichen Militärbündnisses für drei Tage zu einem Gipfel in Bukarest zusammen und wollen dort weitere Eckpunkte der Osterweiterung setzen. Die MAP gilt als Vorstufe einer Vollmitgliedschaft in dem Nordatlantikpakt, während der die militärischen Strukturen des Beitrittskandidaten an die der NATO angeglichen werden. Obwohl sich US-Präsident Bush vehement für die Integration der Ukraine und Georgiens in das aggressiv gen Osten expandierende Militärbündnis aussprach, ist deren Aufnahme allerdings innerhalb der NATO durchaus umstritten -- und dieses vor allem aufgrund heftiger russischer Kritik.

Der künftige Präsident Rußlands hatte jüngst keine Zweifel an der Kontinuität von Moskaus Außenpolitik aufkommen lassen. »Wir sind nicht glücklich, was die Situation bezüglich Georgiens und der Ukraine anbelangt. Wir erachten es als extrem beunruhigend für die bestehende europäische Sicherheitsstruktur«, warnte Dimitri Medwedew in einem Zeitungsinterview (Financial Times Deutschland, 25.3.2008) vor einer weiteren Expansion der westlichen Militärallianz an Rußlands Grenzen. Kein Staat wäre darüber erfreut, wenn »ein Militärblock, dem er selbst nicht angehört, in die Nähe der eigenen Grenzen kommt«, meinte Medwedew. Überdies sei die Mehrheit der Bürger der Ukraine gegen einen NATO-Beitritt, weswegen nach Ansicht des designierten russischen Staatschefs »zumindest ein Referendum« notwendig würde.

Neben den Vereinigten Staaten befürworten neun osteuropäische Länder und Kanada die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in den MAP. Westeuropäische Mitglieder der NATO -- darunter Belgien, Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien und Ungarn -- stehen dem Vorhaben hingegen skeptisch gegenüber. Zudem macht man sich innerhalb der Militärallianz Gedanken darüber, wie mit der Ablehnung eines NATO-Beitritts durch die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung zu verfahren sei. Im Gespräch ist beispielsweise eine zeitliche Straffung des gewöhnlich mehrjährigen MAP, so daß künftig Staaten schon nach einem Jahr diese Übergangsperiode abschließen und Vollmitglied der NATO werden könnten.

Konfrontiert mit einem solch aggressiven »Blitzbeitritt« beider ehemaliger Sowjetrepubliken in den Nordatlantikpakt, greift Rußland zu inzwischen eindringlichen Warnungen, um den Regierungen beider Staaten die verheerenden Konsequenzen eines NATO-Beitritts klarzumachen. Am 22. März ließ der kremlnahe Fernsehsender Rossija in seiner politischen Diskussionsendung »Nationales Interesse« eine Reihe von Experten und Politikern zu Wort kommen, die von einer eventuellen »Spaltung« der Ukraine wie Georgiens warnten, solle deren Regierung ihren Westkurs fortsetzen. Regierungsberater Gleb Pawlowski verwies auf die russische Minderheit in der östlichen Ukraine, die sich einem Beitritt der Ukraine zur NATO niemals fügen würde. Der russische NATO-Botschafter Dimitri Rogosin warnte ebenfalls vor »dem Zerfall« sowohl der Ukraine als auch Georgiens, sollten sie dem MAP beitreten. Die Aufnahme beider Länder in den MAP durch das westliche Militärbündnis sei »Wahnsinn« und ein »Abenteuer«.

* Aus: junge Welt, 26. März 2008

Weitere Meldungen

Anschluss der Ukraine an Aktionsplan bedeutet noch keinen Nato-Beitritt - Juschtschenko

KIEW, 27. März (RIA Novosti). Der Beitritt der Ukraine zum Membership Action Plan der Nato (MAP) bedeutet noch keinen Nato-Beitritt. Das erklärte Präsident Viktor Juschtschenko auf dem Ukrainischen Intellektuellenforum in Kiew am Donnerstag, teilt ein RIA-Novosti-Korrespondent aus der ukrainischen Hauptstadt mit.
Die ukrainische Führung hat den Anschluss der Ukraine an den Aktionsplan für den Nato-Beitritt beantragt und erwartet vom Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest "positive Impulse" in Bezug auf den MAP-Anschluss.
Dieser Schritt Kiews hatte sowohl im In- als auch im Ausland geteilte Reaktionen ausgelöst. Die ukrainische Opposition forderte ein Referendum über den Nato-Beitritt. Das russische Außenministerium erklärte, dass Moskau nach der Aufnahme der Ukraine in die Allianz "adäquate Maßnahmen" werde ergreifen müssen.

Wie der Präsident Viktor Juschtschenko auf dem Forum, das im Gebäude der Nationaloper in Kiew stattfindet, erklärte, "kann der Anschluss an den Membership Action Plan der Ukraine ein Programm für mehrere Jahre geben, nach dessen Verwirklichung man von unserem Nato-Beitritt oder Nichtbeitritt sprechen kann".
Nach Juschtschenkos Worten war der Prozess des Beitritts von Bulgarien, Ungarn, Rumänien und Polen zum MAP "logisch und tolerant". Der mögliche MAP-Beitritt der Ukraine rief jedoch "eine kolossale Resonanz" in der Weltgemeinschaft hervor.
"Das ist nicht grundlos. Wenn die Welt über eine solche Entscheidung der Ukraine so lebhaft debattiert, heißt das, dass es hier um ernste Dinge geht", so der Präsident.

Auch innerhalb der Nato gibt es Kontroversen über die mögliche Aufnahme der Ukraine. Frankreich und Deutschland haben sich skeptisch über den Beitritt der Ukraine zum Militärbündnis geäußert. In der Ukraine hat sich mehr als die Hälfte der Bürger gegen die Nato-Mitgliedschaft ausgesprochen.

In seinem jüngsten Interview für westliche Medien betonte Präsident Juschtschenko, dass das Streben der Ukraine in die Nato von dem Wunsch diktiert sei, sich dem derzeit weltweit wirksamsten System der kollektiven Sicherheit anzuschließen, aber auch von dem Wunsch, die Verantwortung für die Sicherheit des Kontinentes mit allen Europäern zu teilen.

Am 31. März stattet US-Präsident George Bush der Ukraine einen Besuch ab.


Ukraine: Massenproteste gegen NATO-Beitritt bei Bush-Besuch geplant

KIEW, 27. März (RIA Novosti). Die linken Parteien in der Ukraine haben Massendemonstrationen gegen einen NATO-Beitritt während des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush vom 31. März bis 1. April angekündigt.
"Die Sozialistische Partei ist der Ansicht, dass Präsident (Viktor Juschtschenko) und die Regierungskoalition dadurch, dass sie die Ukraine in die NATO drängen, bewusst und zynisch den Willen des Volkes ignorieren und eine grobe Verletzung der Verpflichtungen, die die Ukraine auf sich genommen hat, anstreben, die zum Beispiel die Nichtteilnahme an Militärblöcken beinhalten", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung der Sozialistischen Partei der Ukraine (SPU) hervor

Im Januar hatten Juschtschenko, Parlamentspräsident Arseni Jazenjuk und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ein Schreiben an NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gerichtet. In dem Brief wird die Hoffnung geäußert, dass sich Kiew im April beim NATO-Gipfel in Bukarest dem Aktionsplan für Mitgliedschaft anschließt.
Das Schreiben löste eine Parlamentskrise in der Ukraine aus. Die oppositionelle Partei der Regionen des früheren Regierungschefs Viktor Janukowitsch blockierte die Arbeit der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) für etwa einen Monat. Das Parlament konnte seine Arbeit erst wieder aufnehmen, nachdem eine Verordnung über ein Referendum über den NATO-Beitritt angenommen worden war.

Laut der SPU verlangt ein NATO-Beitritt von der Ukraine "finanzielle Ausgaben, die für ihre Wirtschaft zu groß sind und erschwert ihre Zukunft in einem katastrophalen Ausmaß, vor allem in der Sphäre der wirtschaftlichen Sicherheit".
Einem im Dokument zitierten Analytiker zufolge wird ein Beitritt der Ukraine zur Organisation die "Stabilität in Osteuropa zerstören, die freundschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn - Russland und Weißrussland - ernsthaft trüben, zur Notwendigkeit des Einsatzes ihrer Streitkräfte in den Brennpunkten der politischen und militärischen Expansion der NATO führen und die Außenpolitik des Landes gänzlich diskreditieren". "Letztendlich werden wir für die NATO nicht mehr sein, als eine Marionette in den geopolitischen Spielen der Supermächte", betont die SPU.
Wie es heißt, wird ab dem 1. April das Präsidentensekretariat blockiert. Ab dem 31. März sollen zudem im Kiewer Stadtzentrum für einige Tage Zelte stehen, in denen über den Konflikt um den NATO-Beitritt der Ukraine diskutiert werden könne und diesbezügliche Informationsmaterialien erhältlich seien.


Ukraine erhofft sich vom Nato-Gipfel in Bukarest Erfolg für Beitritt

KIEW, 27. März (RIA Novosti). Präsident Viktor Juschtschenko erwartet vom Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest positive Impulse für den Anschluss der Ukraine an den Aktionsplan für den Nato-Beitritt. Das teilte der Pressedienst des ukrainischen Staatschefs unter Hinweis auf das Interview, das Juschtschenko der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times", der französischen "Le Monde" und der italienischen "Corriere della Sera" gewährte.

Die ukrainische Staatsführung hatte den Anschluss des Landes an den Aktionsplan in der Hoffnung beantragt, dass dies beim Nato-Gipfel in Bukarest geschieht. Dieser Schritt Kiews hatte sowohl im In- als auch im Ausland geteilte Reaktionen ausgelöst. Die ukrainische Opposition forderte ein Referendum über den Nato-Beitritt. Das russische Außenministerium erklärte, dass Moskau nach der Aufnahme der Ukraine in die Allianz "adäquate Maßnahmen" werde ergreifen müssen.
Auch innerhalb der Nato gibt es Kontroversen über die mögliche Aufnahme der Ukraine. Frankreich und Deutschland haben sich skeptisch über den Beitritt der Ukraine zum Militärbündnis geäußert. In der Ukraine hat sich mehr als die Hälfte der Bürger gegen eine Nato-Mitgliedschaft ausgesprochen.

In dem Interview betonte der Präsident, dass des Streben der Ukraine in die Nato, von dem Wunsch diktiert wird, sich dem derzeit weltweit wirksamsten System der kollektiven Sicherheit anzuschließen, aber auch von dem Wunsch, die Verantwortung für die Sicherheit des Kontinentes mit allen Europäern zu teilen.
In seinem Interview nahm Juschtschenko auf Frage der "Financial Times" Stellung zu der Aussage des neu gewählten russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, dass die Situation um den möglichen Nato-Beitritt Georgiens und der Ukraine "für die europäische Sicherheit äußerst unangenehm" sei.
Der ukrainische Staatschef brachte die Überzeugung zum Ausdruck, dass die Diskussion, die im Ausland über die euroatlantischen Bestrebungen der Ukraine geführt wird, "wahrscheinlich nicht wegen der Besorgnisse über die Grundlagen unserer nationalen Sicherheit und Souveränität ausgelöst wurde".
Eine Annäherung der Ukraine an die Nato und deren mögliche Aufnahme sind Juschtschenko zufolge keine Bedrohung für die Nachbarstaaten, auch nicht für Russland. "Offensichtlich geht es darum, die Ukraine auch zukünftig als Randgebiet anzusehen, in dem die politischen Souveränitäten nicht exakt definiert sind und die Nation keine moderne Verteidigungs- und Sicherheitspolitik betreibt", sagte Juschtschenko im Interview. Er brachte die Überzeugung zum Ausdruck, die diese Bestrebungen der Ukraine auf Verständnis bei den europäischen Völker stößt. "Die Frage danach, ob die Ukraine der Nato beitritt oder nicht, entsteht letztendlich im Kontext, ob es die ukrainische Souveränität geben wird oder nicht", resümierte er.


Niederlande lehnen Nato-Aufnahme der Ukraine und Georgiens vorerst ab

DEN HAAG, 27. März (RIA Novosti). Die Niederlande lehnen eine Aufnahme der Ukraine und Georgien im nächsten Jahr in die Nato ab.
Dies erklärte der niederländische Außenminister Maxime Verhagen am Mittwoch im Landesparlament. Damit haben sich die Niederlande vor dem am 2.April beginnenden Nato-Gipfel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest der Position von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg angeschlossen.
Die USA und Großbritannien dagegen wollen die Ukraine und Georgien schnellstmöglich zu Nato-Mitgliedern machen.
Zugleich sagte Verhagen, dass er kein prinzipieller Gegner der Aufnahme dieser Nachfolgerepubliken der Sowjetunion in die Allianz sei. Der Außenminister äußerte die Meinung, dass man die Aufnahme der Ukraine und Georgien in die Nato um ein Jahr verlegen und in der Zwischenzeit Möglichkeiten einer freieren Form der Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern und dem Militärbündnis prüfen könnte.

Alle Meldungen von der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti;
http://de.rian.ru





Weitere Beiträge zur NATO

Zur Georgien-Seite

Zur Ukraine-Seite

Zurück zur Homepage