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amnnesty international klagt die NATO an

Im Krieg gegen Jugoslawien gegen Genfer Konvention vertoßen

Die Menschenrechtsorganisation ai-amnesty international veröffentlichte am 6. Juni 2000 einen Bericht, der sich kritisch mit Verstößen der NATO gegen die Genfer Konvenzion während des Krieges gegen Jugoslawien befasst. Hierzu folgender Artikel aus der jungen welt (vom 8. Juni 2000):

Amnesty International (ai) veröffentlichte am Dienstag in London einen Bericht, der die NATO anklagt, bei ihrem Angriffskrieg gegen Jugoslawien gegen das Kriegsrecht der Genfer Konvention verstoßen zu haben. In der Presseerklärung fordert ai deshalb, daß die verdächtigen NATO-Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden müssen. Besonders hat ai den Angriff der NATO gegen das Gebäude des zivilen serbischen Fernsehsenders RTS herausgestellt, bei dem 16 Angestellte von Bomben getötet wurden. Die ranghöchsten NATO-Offiziere, einschließlich Oberbefehlshaber US-General Clark, haben in Interviews öffentlich zugegeben, daß der Angriff auf dieses rein zivile Objekt absichtlich geführt worden war, nur weil der Sender angeblich »serbische Propaganda« verbreitete und sich geweigert hatte, das NATO-Ultimatum anzunehmen, am Tag mindestens sechs Stunden »objektive« NATO-Informationen zu senden, wenn er einer Bombardierung entgehen wollte.

Außerdem hätten die NATO-Befehlshaber spätestens dann das Kriegsrecht gebrochen, als deutlich geworden war, daß sie bei ihren Angriffen Zivilisten töteten. Amnesty betont: »Die Tötung von Zivilisten hätte maßgeblich reduziert werden können, wenn die NATO sich während der Operation Allied Force an das Kriegsrecht gehalten hätte.«

Dies ist ein neuer schwerer Rückschlag für die selbstgerechten NATO-Krieger. Bereits letzte Woche hatten die Vertreter des militaristischen »Humanismus« der Neuen Weltinterventionsordnung einen anderen Schlag ins Gesicht bekommen, als Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Rede beim Katholikentag in Hamburg die Beteiligung der Bundeswehr an dem NATO-Angriff gegen Jugoslawien scharf verurteilte. Helmut Schmidt betonte, daß »das erklärte Ziel der NATO, nämlich die angebliche Verteidigung der Menschenrechte im Kosovo, unter Mißachtung der Autorität der Vereinten Nationen den NATO-Angriff gegen den souveränen Staat Jugoslawien nicht rechtfertigen könnte.« Außerdem hätten die verschiedenen NATO- Militäroperationen auf dem Balkan nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Bosnien sei zu einem westlichen Protektorat geworden und die Gewalt im Kosovo sei nicht gestoppt worden.

Derweil forderte Amnesty International in London alle NATO-Länder auf, »auch all jene ihrer eigenen Staatsbürger vor Gericht zu stellen, die verdächtigt werden, (im Rahmen der NATO-Angriffe) schwere Verstöße gegen das internationale Menschenrecht begangen zu haben.« Amnesty rief auch andere Länder, ebenso wie das UNO- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, dazu auf, allen diesbezüglichen Anklagen nachzugehen. »Den Opfern dieser Verbrechen muß Gerechtigkeit widerfahren«, betonte ai. Selbst wenn die Chefanklägerin des Tribunals in Den Haag, Frau Del Ponte, mit fadenscheinigen Begründungen soeben alle Ermittlungen gegen NATO-Angehörige eingestellt hat, so bleibt doch die Hoffnung, daß die Kriegsverbrecher der NATO irgendwann doch noch vor Gericht gestellt werden.

Der ehemalige Diktator von Chile, Agusto Pinochet, hätte sich vor 25 Jahren auch nicht vorstellen können, daß er für seine Untaten einmal zur Verantwortung gezogen würde.

Rainer Rupp

Aus: junge welt, 08.06.2000

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