Was haben der Jugoslawienkrieg (1999) und der Irakkrieg (2003) gemeinsam?
Eine Stellungnahme zum 4. Jahrestag des Kriegsbeginns gegen Jugoslawien
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 24. März 2003.
Presseerklärung
Friedensbewegung zum 4. Jahrestag des Jugoslawienkriegs:-
NATO-Krieg 1999 ohne UN-Mandat
- Irakkrieg gegen den Willen der UNO
- Bushs Klage wegen der Genfer Konvention "scheinheilig"
- Kritik an Struck-Plan zum Umbau der Bundeswehr
Anlässlich des 4. Jahrestages des Beginns des Jugoslawien-Kriegs erklärt
der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Peter Strutynski:
Auch wenn die Unterschiede zwischen dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien
1999 und dem jetzigen Irakkrieg auf der Hand liegen, gibt es Besorgnis
erregende Gemeinsamkeiten. Beide Kriege wurden bzw. werden ohne Mandat
der Vereinten Nationen geführt. In beiden Fällen handelt es sich -
völkerrechtlich gesprochen - um verbotene Angriffskriege. Beim Irakkrieg
muss man sogar davon sprechen, dass er gegen den ausdrücklichen Willen
des UN-Sicherheitsrats begonnen wurde. Denn der Sicherheitsrat hatte mit
Resolution 1441 (2002) ein klares Programm zur Abrüstung des Irak
beschlossen, dessen weitere Umsetzung die USA und Großbritannien durch
ihren Krieg verhindert haben.
Eine weitere Gemeinsamkeit liegt darin, dass in beiden Kriegen -
übrigens auch im Afghanistankrieg - offenkundig gegen elementare Regeln
des humanitären Kriegsvölkerrechts, nämlich gegen zahlreiche
Bestimmungen der Genfer Konvention, verstoßen wurde bzw. wird. Die
meisten Opfer des Krieges 1999 waren Zivilpersonen (sog.
"Kollateralschäden"). Neben Menschen wurden viele zivile Objekte und
Infrastruktureinrichtungen wie Brücken, Industriebetriebe,
Krankenhäuser, Kraftwerke, Rundfunk- und Fernsehsender zerstört. Auch
der Einsatz von Streubomben und von uranhaltiger Munition verstößt nach
gängiger Auffassung gegen die Genfer Konvention. Der bisherige
Kriegsverlauf im Irak lässt vermuten, dass es die Alliierten mit ihren
angeblich gezielten Raketen- und Bombenangriffen mit der Schonung der
Zivilbevölkerung auch nicht so genau nehmen. Die Zahl der zivilen Opfer
wird dramatisch ansteigen, wenn in den großen Städten die Strom- und
Wasserversorgung unter dem Bombenhagel ganz zusammenbrechen wird. In
Basra ist die Wasserversorgung bereits zusammengebrochen.
In dem Zusammenhang ist es scheinheilig, wenn US-Präsident die irakische
Führung des Bruchs der Genfer Konventionen anklagt, weil sie
US-amerikanische Kriegsgefangene im Fernsehen vorgeführt hat. Natürlich
ist das verboten. Doch wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen
schmeißen: Die US-Kriegführung schert sich bei ihrem Angriffskrieg gegen
Irak weder um den von der Genfer Konvention geforderten Schutz der
Zivilbevölkerung, noch um das Völkerrecht insgesamt. Und das Schicksal
der rund 800 Gefangenen auf Guantánamo, die keinerlei rechtlichen Schutz
genießen, darf hier nicht unerwähnt bleiben.
Abgesehen von den unterschiedlichen Beweggründen bzw. Anlässen für den
Jugoslawienkrieg (Verhinderung einer angeblich drohenden "humanitären
Katastrophe") und den Irakkrieg (Regimewechsel, Entwaffnung, "Kampf
gegen Terror") geht es den USA heute ganz offensichtlich sowohl um die
Durchsetzung globaler Weltmachtansprüche als auch um eine direkte
Kontrolle über die strategisch wichtigen irakischen Ölreserven. Dies
entspricht dem neuen strategischen Konzept der NATO aus dem Jahr 1999
und der neuen Nationalen Sicherheitsdoktrin der USA vom September 2002.
In beiden Kriegen ging bzw. geht es darum, diesen Anspruch militärisch
durchzusetzen.
Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Kriegen besteht darin, dass
beim Jugoslawienkrieg die Bundesrepublik mitgemacht hat, während sie
jetzt strikt gegen den Krieg Position bezieht. Leider wird dieser
Positionswechsel nur sehr unzureichend vollzogen. Auch die Bundeswehr
wird auf die neue NATO-Strategie vorbereitet, indem sie in eine weltweit
einsetzbare Interventionsarmee umgewandelt wird. Dies sah bereits das
Rühe-Konzept von 1992 (Verteidigungspolitische Richtlinien-VPR) vor. Die
rot-grüne Bundesregierung hat diese Planungen übernommen: In den
kommenden 15 Jahren sollen für rund 200 Mrd. DM neue Waffen und
Ausrüstungen beschafft werden. Die Stärke der für Interventionen ("so
genannte Kriseneinsätze" bzw. "Friedensmissionen") zur Verfügung
stehenden Truppen soll auf über 150.000 Soldatinnen und Soldaten
ausgelegt werden. Vor kurzem kündigte Verteidigungsminister Peter Struck
an, die VPR von 1992 zu überarbeiten. Seine am 21. Februar 2003
vorgelegten "11 Kriterien" für neue VPR haben vor allem ein Ziel: Der
Kurs der Herausbildung einer weltweit einsetzbaren Interventionstruppe
wird zum Wesensmerkmal der Bundeswehr. Sie stellt den endgültigen
Abschied von einer Verteidigungsarmee dar, wie sie im Grundgesetz
vorgeschrieben ist (Art. 87 a).
Diese "11 Kriterien" zur Neufassung der VPR passen nach Auffassung der
Friedensbewegung nicht in die politische Landschaft. Wie will die
Bundesregierung glaubhaft ihr Nein zum Irakkrieg
aufrecht erhalten, wenn sie gleichzeitig die Bundeswehr für ähnliche
Interventionen fit macht?
Die Friedensbewegung, die das Nein der Bundesregierung zum Irakkrieg
immer begrüßt hat, fordert von Berlin entsprechende positive Signale:
-
die Verweigerung von Überflugrechten für US-Kriegsflugzeuge,
- die Verweigerung der Nutzung der US-Militärstützpunkte für den Krieg,
und
- die Aussetzung des weiteren Ausbaus der Bundeswehr zu einer Armee mit
"strukturellen Angriffsfähigkeiten".
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, 24. März 2003
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