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Flüchtlingstragödie vor Sizilien

Boot mit hundert Syrern und Ägyptern auf Grund gelaufen / Sechs Tote *

Wenige Meter vor einem Touristenstrand Siziliens sind am Samstag sechs Flüchtlinge aus Ägypten ertrunken. Die jungen Männer im Alter zwischen 17 und 27 Jahren gehörten nach Angaben der Behörden zu einer Gruppe von rund hundert Flüchtlingen aus den Krisenländern Ägypten und Syrien, deren Boot kurz vor der süditalienischen Insel auf Grund lief. 94 Flüchtlinge wurden demnach gerettet. Drei mutmaßliche Schlepper konnten fliehen.

Das Flüchtlingsboot lief am Samstag im Morgengrauen rund 15 Meter vor einem Badestrand nahe Catania auf einer Sandbank auf. Die sechs jungen Ägypter seien vom Boot gesprungen, weil sie geglaubt hätten, das Ufer erreicht zu haben, sagte Staatsanwalt Giovanni Salvi der Zeitung »L'Avvenire«. Sie hätten offenbar nicht schwimmen können und seien ertrunken. Die Ermittler gingen davon aus, dass mehr als 100 Menschen an Bord waren, offiziell wurden 94 Gerettete registriert. Es handelte sich überwiegend um Syrer, aber auch um Ägypter.

Italienische Regierungsmitglieder forderten mehr Unterstützung der Europäischen Union bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms auf die italienischen Küsten. Diese markierten »nicht nur nationale Grenzen, sondern auch europäische«, sagte Innenminister Angelino Alfano. Integrationsministerin Cécile Kyenge sagte, es müsse mehr Druck auf Brüssel ausgeübt werden, damit Italien mit »diesen dramatischen Situationen« nicht allein konfrontiert sei.

Jedes Jahr versuchen zehntausende Menschen aus Afrika, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Derzeit sind die Flüchtlingsbewegungen aufgrund der ruhigen Wetterbedingungen besonders intensiv. Fast 90 Bootsflüchtlinge wurden am Samstag zwischen Spanien und Marokko aus Seenot gerettet.

* Aus: neues deutschland, Montag, 12. August 2013


Notsignal Catania

Von Katja Herzberg **

Es war das erste Flüchtlingsboot, das überhaupt am Strand von Catania auf der italienischen Insel Sizilien angekommen ist – und mit ihm sechs Leichen. Dies ist nicht nur ein Hinweis darauf, dass immer mehr Menschen angesichts anhaltender Krisen in ihren Heimatländern und der derzeit ruhigen See versuchen, nach Europa zu kommen. Es muss auch ein Notsignal an die Regierungen der europäischen Länder sein, endlich weitere Flüchtlingsunglücke zu verhindern.

Das Mittelmeer gilt als das Gewässer, in dem weltweit die meisten Menschen umkommen – nicht etwa bei Naturkatastrophen oder Schiffsunglücken. Die Menschheit versucht sich immer wieder über die Natur zu erheben, glaubt die Elemente zu beherrschen. So schottet sich Europa zu Land, Luft und eben auch Wasser vor unerwünschten Migranten ab. Die Verzweiflung der Menschen aus Afrika, Vorderasien und dem Mittleren Osten ist aber ungebrochen. Aus jenen Ländern stammen die meisten Mittelmeer-Toten. Ihr Leid wird ausgenutzt, die italienischen Behörden verdächtigen die Mafia, am Menschenhandel beteiligt zu sein.

Die Schlepper ausfindig zu machen, ändert allein jedoch nichts. Die Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, das für die Zeit von 1993 bis 2012 von mindestens 17 000 toten Flüchtlingen ausgeht, zeigen, dass Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung nicht helfen. Flucht darf kein Verbrechen sein, das mangels Geld oder Physis mit dem Tod bestraft wird. Das müssen die EU-Länder endlich einsehen.

** Aus: neues deutschland, Montag, 12. August 2013 (Kommentar)


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