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Was folgte auf die Flüchtlingsproteste?

Bayerische Staatsregierung sagt minimale Verbesserungen zu / Flüchtlingsrat: "Reine Symbolpolitik"

Von Johannes Hartl *

Vor einer Woche hat die Münchner Stadtverwaltung das Camp der hunger- und durststreikenden Flüchtlinge am Rindermarkt nach sieben Tagen des Protests durch die Polizei räumen lassen. Was ist seither passiert?

Aus Verzweiflung über die Lebensbedingungen in Bayern und die Asylpolitik im Freistaat haben vor zwei Wochen Flüchtlinge nach einer Demonstration den Münchner Rindermarkt besetzt. Mit einem Hunger- und später auch einem Durststreik forderten die rund 55 Asylsuchenden die sofortige Anerkennung als politisch Verfolgte nach Artikel 16a des Grundgesetzes. Zugleich kritisieren sie den Lagerzwang, die Residenzpflicht, das Arbeitsverbot und die Versorgung mit Essenspaketen. Kernziel des Streiks war dabei den Flüchtlingen zufolge eine »Verbesserung und eine Veränderung in unserem jetzigen Leben«.

Als auch nach sieben Tagen Hunger- und vier Tagen Durststreik keine Lösung in Sicht war, ließ das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München die Versammlung auflösen und das Camp durch Einsatzkräfte der Polizei räumen. Zuvor waren Verhandlungen an der harten Linie der CSU-geführten Staatsregierung gescheitert. Doch was hat sich seither getan und was ist auf die Flüchtlingsproteste in München gefolgt?

Ein nennenswertes politisches Umdenken hatte der Protest in der Münchner Innenstadt jedenfalls kaum zur Folge. Als Reaktion auf den Hunger- und Durststreik will Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer – unterstützt von Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU) – inzwischen aber immerhin minimale Veränderungen durchsetzen. Unter anderem soll die Entscheidung über die Verwendung von Essenspaketen den zuständigen Regierungsbezirken überlassen und die Bearbeitungsgebühr in Höhe von zehn Euro zur einmaligen Aufhebung der Residenzpflicht gestrichen werden. Weiterhin will die Staatsregierung künftig auf den umstrittenen Passus in der »Asyldurchführungsverordnung« verzichten, wonach die Bedingungen in Bayern die »Bereitschaft zur Rückkehr ins Heimatland« fördern sollen.

Doch das alleine reicht bei weitem nicht aus, kritisieren Initiativen wie der »Bayerische Flüchtlingsrat«. Dessen Sprecher Alexander Thal sieht in den Ankündigungen nur eine »Symbolpolitik zur Beruhigung der Gemüter« und fordert stattdessen einen »grundlegenden Richtungswechsel«. Dafür sei eine »Streichung der Lagerpflicht« ebenso notwendig wie eine Abschaffung der Residenzpflicht und der Essenspakete. Zudem müsse die Schaffung von menschenwürdigen Bedingungen für Flüchtlinge im Freistaat oberste Priorität haben, betont Thal.

Unterstützung für seine Forderungen findet der Flüchtlingsrat bei SPD, Grünen und LINKEN. Eva Bulling-Schröter, Landessprecherin der LINKEN in Bayern, bezeichnet die Reaktion der Regierung als »publikumswirksames Herumdoktern an Symptomen« und als »Ankündigungspolitik, der keine Taten folgen werden«. Sie setzt sich für ein »Bleiberecht und menschenwürdige Bedingungen« ein. Auch SPD und Grüne im Landtag fordern die »Schaffung von menschenwürdigen Bedingungen« für Schutzsuchende Menschen im Freistaat.

Während politisch also weiter über die Thematik debattiert wird, sind die meisten Flüchtlinge schon einen Tag nach der Räumung wieder aus den Krankenhäusern entlassen worden. Insgesamt 23 der ehemals Hunger- und Durststreikenden wurden vom Sozialreferat der Stadt München betreut und untergebracht, einige warten nun auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.

* Aus: neues deutschland, Montag, 8. Juli 2013


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