Asylrecht ohne Zugang zur EU wertlos
Symposium in Berlin beschäftigte sich mit einheitlichem europäischen Flüchtlingsschutz
Von Markus Drescher *
Am Montag und Dienstag (23./24. Juni) fand in Berlin das 8. Symposium zum Flüchtlingsschutz statt. Im
Mittelpunkt stand die Frage, wie weit die Europäische Union »auf dem Weg zu einem europäischen
Asylrecht« bisher vorangekommen ist und in welche Richtung der Weg führt.
Die » Harmonisierung« des Asylrechts ist ein Ziel der europäischen Flüchtlingspolitik. Dafür wurden
in einer ersten Phase vier Rechtsinstrumente beschlossen: die Richtlinie über
Aufnahmebedingungen, die Asylverfahrens- und die Qualifizierungsrichtlinie sowie die Dublin-
Verordnung. Vier erste Schritte auf dem Weg zu einem europäischen Asylrecht, das einheitliche
Bedingungen für Asylsuchende in Europa schaffen soll. Flüchtlingsorganisationen befürchten
jedoch, dass am Ende zwar harmonisierte doch für Flüchtlinge äußerst schlechte Bedingungen
stehen werden. Vergleichbar mit der kürzlich beschlossenen
EU-Abschieberichtlinie für illegale
Einwanderer.
Bisher existiert die Harmonisierung jedoch hauptsächlich auf dem Papier, denn viele europäische
Länder sind bei der Umsetzung im Schneckentempo unterwegs oder noch gar nicht losgelaufen. So
erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) beim 8. Berliner Symposium zum
Flüchtlingsschutz, das Ziel der EU-Kommission die Harmonisierung bis 2010 zu erreichen, sei
»vielleicht zu ambitioniert«. Zunächst müsse darauf geachtet werden, dass die Richtlinien auch
umgesetzt würden.
Eine Art Bilanz der bisherigen Schritte versuchte die Generaldirektorin Justiz und Inneres der
Europäischen Kommission, Angela Martini, zu ziehen. Das Fazit: In allen Bereichen gibt es noch
einiges zu tun, alles müsse noch weiter »harmonisiert« werden. Vor allem die unterschiedliche
Anerkennung der Schutzbedürftigkeit in den verschiedenen Mitgliedsstaaten »können wir nicht
akzeptieren«, sagte Martini. Iraker hätten in Deutschland eine 75-prozentige Chance auf
Anerkennung, in Griechenland hingegen nur eine zweiprozentige.
Martini sprach viel und lange von nötigen Verbesserungen, mehr Solidarität unter den
Mitgliedsstaaten und immer wieder »Harmonisierung«. Wirklich konkrete Antworten zum wie und
wann, die sich so mancher Zuhörer gewünscht hätte, blieb sie schuldig. Die Frage, die Gottfried
Köfner, Regionalvertreter des UNHCR, zu Beginn des Symposiums in den Raum stellte – wohin
führt der Weg der Harmonisierung, lediglich zum kleinsten gemeinsamen Nenner oder zu einem
wirksamen Flüchtlingsschutz – blieb von der Vertreterin der EU-Kommission dort unbeantwortet
stehen.
Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat bemängelt zudem, dass Martini »keine
befriedigende Auskunft« darüber geben konnte, wie zukünftig mit Flüchtlingen an den
Außengrenzen der EU umgegangen werden soll. »Das Grundproblem ist, dass die Menschen erst
einmal in die Europäische Union hinein müssen.« Doch genau das versucht die EU mit allen Mitteln
zu verhindern. Ein verbessertes (im Sinne der Flüchtlinge) europäisches Asylsystem ist so zwar
wünschenswert, aber ohne Flüchtlinge, die davon profitieren, wertlos.
Mit dem Vorschlag, irakische Christen aufzunehmen, hatte Innenminister Wolfgang Schäuble zuletzt
die Diskussion über Resettlement wieder angeschoben. Resettlement bezeichnet die dauerhafte
Neuansiedlung von Flüchtlingen in sicheren Staaten, die nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren
können und in ihrem Erstasylland keinen angemessenen Schutz finden.
Im Arbeitsforum des Symposiums zu dem Thema stellte Richard Pearce-Higginson vom britischen
Innenministerium das Resettlement-Programm in Groß-Britannien vor. Das dortige System basiert
auf der freiwilligen Übernahme von Flüchtlingen durch Kommunen.
Dass eine solche freiwillige Aufnahme auch in Deutschland möglich wäre, hat die Kampagne »save
me« in München gezeigt, die 850 Flüchtlingspaten und die Stadt für einen positiven Beschluss zur
Flüchtlingsaufnahme gewinnen konnte. Bisher zwar nur symbolisch, doch Weinzierl ist sich sicher,
dass die Aufnahme irakischer Flüchtlinge kommen wird: »Die Frage ist nur wie, deshalb müssen wir
daran mitarbeiten.« Der dauerhafte Bleibestatus der Flüchtlinge müsse gewährleistet sein und das
Programm nach den UNHCR-Richtlinien ablaufen. »Man kann aber gar nicht oft genug sagen, dass
Resettlement kein Ersatz für Asyl ist.«
* Aus: Neues Deutschland, 25. Juni 2008
Zurück zur Seite "Migration, Flucht und Vertreibung"
Zur Menschenrechts-Seite
Zur EU-Europa-Seite
Zurück zur Homepage