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Allianz gegen illegale Migration

Deutschland Vorreiter *

Deutschland und sechs andere EU-Länder wollen gemeinsam den Kampf gegen illegale Einwanderung vorantreiben. Es handelt sich um Länder, die besonders von sekundärer Migration über EU-Grenzen hinweg betroffen sind, wie Innenminister Hans-Peter Friedrich am Donnerstag (8. März) in Brüssel erläuterte. Die Staaten wollen unter anderem Druck auf Griechenland ausüben, damit es die Grenze zur Türkei besser kontrolliert. Zur Allianz gehören neben Deutschland Österreich, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Schweden.

Gespräche zum Thema Migration und Flüchtlingspolitik waren auch für das Ratstreffen der EU-Innenminister am gestrigen Donnerstag und heutigen Freitag geplant. Friedrich forderte zum Auftakt unter anderem, dass Deutschland die Möglichkeit haben müsse, am sogenannten Flughafenverfahren festzuhalten. Die Vorschläge der EU-Kommission in diesem Bereich »würden bedeuten, dass wir dieses Schnellverfahren im Grunde funktionsunfähig machen, weil jeder damit automatisch ins ganz normale Asylverfahren kommt», sagte der Minister.

Das Flughafenverfahren dient dazu, Asylsuchende Anträgen per Schnellentscheid abschieben zu können.

* Aus: neues deutschland, 9. März 2012


Unsolidarisch

Von Olaf Standke **

Richtig ist: Athen zeigt sich überfordert mit den Tausenden illegalen Einwanderern, die über die Türkei ins Land kommen. Die Auffanglager sind überfüllt, eine funktionierende Asylbehörde gibt es nicht. Das finanziell ausgeblutete Land ist aufgrund seiner geografischen Lage für einen überproportional großen Teil der Schutzsuchenden in Europa zuständig. Schon deshalb ist das Problem nicht nur ein griechisches, und die jüngsten Drohungen einiger EU-Staaten um Deutschland, Sanktionen zu beschließen und selbst wieder Grenzkontrollen vorzunehmen, lösen es nicht. So wenig wie die Abriegelung der griechisch-türkischen Grenze, existiert in der Türkei doch gar kein Schutzsystem.

Seit Jahren schon sind die EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik tief zerstritten. Die Gräben verlaufen vor allem zwischen den Mittelmeeranrainern und den Ländern im Norden der Union. Noch immer gibt es kein gemeinsames Asylsystem mit EU-weit gültigen Verfahren, Aufnahmebedingungen und Zuständigkeitsregeln. Berlin etwa sperrt sich herzlos gegen höhere Schutzstandards für Flüchtlingskinder. Was die EU endlich braucht, ist ein humanitärer Aufnahme- und Verteilungsmechanismus, der die Bedürfnisse und familiären Bindungen der Schutzsuchenden ins Zentrum rückt. Eine Politik, die ausgerechnet den kleineren Staaten an den EU-Außengrenzen die maßgebliche Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zuweist, ist schlicht unsolidarisch und inhuman.

* Aus: neues deutschland, 9. März 2012 (Kommentar)


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