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Libyische Flüchtlinge auf Lampedusa

Erneut Boot in Seenot / Amnesty International nennt EU-Politik einen Skandal *

Trotz schlechten Wetters kommen wieder vermehrt Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Libyen auf Lampedusa an. Allein am Wochenende waren es über 2000. Ein Boot in Seenot forderte Hilfe an. Amnesty International nennt die EU-Flüchtlingspolitik einen Skandal.

Weit mehr als 2000 Flüchtlinge, überwiegend aus Libyen, sind binnen eineinhalb Tagen auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet. 715 Migranten kamen allein am Samstag bei sehr starkem Wind und hohem Seegang an, berichteten italienische Medien. Einem weiteren Flüchtlingsboot mit rund 600 Menschen an Bord eilten am Samstag (30. April) zwei Schiffe der italienischen Küstenwache sowie ein Schlepper zur Hilfe. Von dem Boot war ein Notsignal abgegeben worden, weil die Wellen Wasser ins Schiff spülten. Die 715 Flüchtlinge des bereits bei Lampedusa angekommenen Schiffes wurden direkt mit Booten zum Weitertransport auf eine Fähre gebracht, weil die Wetterlage ein Anlegen im Hafen unmöglich machte. Die übrigen mehr als 1500 Migranten dort sind im Aufnahmelager der Insel untergebracht und sollen ebenfalls mit der Fähre verlegt werden.

Derweil kritisierte Amnesty International die Flüchtlingspolitik der EU. Der Generalsekretär der internationalen Menschenrechtsorganisation, Salil Shetty, äußerte seine Sorge über den Umgang der EU mit Flüchtlingen aus Nordafrika, zum Beispiel auf der italienischen Insel Lampedusa. »Was dort, aber auch an der italienisch-französischen Grenze geschieht, verstößt gegen die internationalen Grundsätze für Menschenrechte.« Statt jeden einzelnen Fall zu prüfen, behaupte die EU, dass es sich ausschließlich um Wirtschaftsflüchtlinge handele. »Das ist ein Skandal.« In Wahrheit flüchteten viele vor Verfolgung in ihren Heimatländern.

Die Europäische Kommission will nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« wieder Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen einführen. Ziel sei es, den Zustrom illegaler Migranten zu begrenzen und ihre Weiterreise innerhalb des Schengen-Raumes zu verhindern. Am Donnerstag (5. Mai) soll der Vorschlag für eine entsprechende Reform des Schengen-Abkommens vorgestellt werden. Auch die Kontrolle an den Außengrenzen soll demnach verstärkt werden. Nach den Plänen der EU-Kommission soll das bisherige Abkommen um eine Klausel erweitert werden. Die ermögliche zu handeln, »wenn einzelne Mitgliedsstaaten ihre Verpflichtungen zur Sicherung der Außengrenzen nicht erfüllen können oder wenn die Außengrenzen durch unerwartete Ereignisse gefährdet werden«. Die Union müsse »in der Lage sein, den Zutritt unbefugter Personen zu verhindern«.

Hintergrund für die Initiative ist unter anderem die italienische Praxis, Flüchtlingen aus Nordafrika zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, damit sie in andere europäische Länder reisen können. Rom will damit Länder wie Frankreich zur Aufnahme von Migranten bewegen. In Italien befinden sich weit mehr als 20 000 Menschen, die vor den Unruhen in Nordafrika geflohen sind. Der größte Teil von ihnen kommt aus Tunesien, ein kleinerer aus Libyen und anderen Ländern.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Mai 2011


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