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Für neue Asylpolitik

Plädoyer von DGB, Pro Asyl und Interkulturellem Rat gegen soziale Spaltung

Von Florian Möllendorf *

Angesichts der schweren politischen, sozialen und ökonomischen Krise Europas und der wachsenden Zahl von Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, fordern wir von den politischen Parteien, endlich eine Antwort auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung in Deutschland und der Europäischen Union zu geben.« Das erklärte Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Freitag gegenüber Pressevertretern in Berlin. Gemeinsam mit Pro Asyl und Interkulturellem Rat stellte die Gewerkschafterin die Positionen der Organisationen zur kommenden Bundestagswahl vor. »Statt die eigentlichen Ursachen der Krise zu benennen, werden diejenigen als Verursacher diskreditiert und stigmatisiert, die in besonderem Maße von ihr betroffen sind – die Bevölkerungen der sogenannten Krisenstaaten Süd- und Osteuropas sowie Flüchtlinge, Migranten und andere gesellschaftliche Minderheiten«, begründete Buntenbach die Forderungen nach einer Neuausrichtung der Einwanderungs-, Aufenthalts- und Flüchtlingspolitik sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Neofaschismus.

Das Papier verlangt die Beendigung der gewaltsamen Abwehr von Flüchtlingen an den Außengrenzen der EU sowie die Gewährleistung eines fairen Asylverfahrens in dem Land, in dem ein Asylsuchender einen Asylantrag stellt. Darüber hinaus wird die Verabschiedung einer dauerhaft wirksamen Bleiberechtsregelung und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes gefordert. Die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Migranten und Flüchtlinge müsse gefördert werden.

Scharfe Kritik an der gegenwärtigen Asylpolitik Deutschlands und Europas übte auch Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Mit ihrer Abschottungsstrategie gegenüber Flüchtlingen sei man für Tausende Tote an den EU-Außengrenzen verantwortlich und arbeite gewaltbereiten Rassisten und Rechtsextremisten in die Hände. »Die Isolierung Asylsuchender in großen Lagern, die Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt, die fehlenden Deutsch- und Integrationskurse und vor allem die jahrelange Rechtsunsicherheit verhindern systematisch Integrationsbemühungen von Flüchtlingen«, so Burkhardt. Die staatliche Abwehr und Ausgrenzung von Flüchtlingen zeige sich gegenwärtig besonders deutlich am Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien, die ihren Familienangehörigen helfen wollten.

pro asyl Nach Ansicht von Torsten Jäger, Geschäftsführer des Interkulturellen Rates, ist zudem eine grundlegende Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes dringend geboten. Notwendig sei die Abschaffung der Optionspflicht bei der Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Die »Entweder-oder-Ideologie« werde den Realitäten eines modernen Einwanderungslandes nicht mehr gerecht. Jäger wies darauf hin, daß Ressentiments und offene Fremdenfeindlichkeit keine vereinzelten gesellschaftlichen Phänomene seien, sondern bis in staatliche Strukturen hineinwirkten. »Der Verlauf der Ermittlungen zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds hat in erschreckender Weise offengelegt, wie stark rassistische Vorurteile auch in Teilen des bundesdeutschen Sicherheitsapparates verankert sind.«

* Aus: junge welt, Samstag, 15. Juni 2013

Europa der Menschlichkeit statt der Märkte

Presseerklärung, 14.06.2013
PRO ASYL, DGB und Interkultureller Rat zur Bundestagswahl 2013


Pro Asyl, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Interkultureller Rat in Deutschland haben am Freitag in Berlin ihre Erwartungen an die politischen Parteien zur diesjährigen Bundestagswahl vorgestellt. Im Mittelpunkt der Forderungen stehen eine Neuausrichtung der Einwanderungs-, Aufenthalts- und Flüchtlingspolitik sowie die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus.

DGB Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach begründete die Forderungen mit der wachsenden Zahl der Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. „Wir wollen ein Europa der Menschlichkeit statt der Märkte. Die Parteien müssen endlich eine Antwort geben auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung in Deutschland und der Europäischen Union. Dazu muss vor allem die Armut EU-weit bekämpft werden. Das Recht auf Freizügigkeit darf nicht zur Disposition gestellt werden, weil die nackte Armut Bürgerinnen und Bürger der EU dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Die Politik muss diese Menschen besonders unterstützen und darf nicht auch noch Ressentiments fördern oder rassistische Vorurteile schüren.“

PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt fordert eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen und europäischen Asylpolitik. Sie sei für Tausende Tote an den EU-Außengrenzen verantwortlich und arbeite gewaltbereiten Rassisten und Rechtsextremisten in die Hände. „Die Isolierung Asylsuchender in großen Lagern, die Zugangsbeschränkung zum Arbeitsmarkt, die fehlenden Deutsch- und Integrationskurse und vor allem die jahrelange Rechtsunsicherheit verhindern systematisch Integrationsbemühungen von Flüchtlingen.“ Die Abwehr und Ausgrenzung von Flüchtlingen zeige sich gegenwärtig besonders deutlich am Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien, die ihren Familienangehörigen helfen wollten.

Der Geschäftsführer des Interkulturellen Rates, Torsten Jäger, fordert grundlegende Reformen im Staatsangehörigkeitsgesetz. Notwendig sei neben der generellen Akzeptanz doppelter Staatsangehörigkeiten insbesondere die Abschaffung der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. „Die “Entweder-Oder-Ideologie“ der Union wird den Realitäten eines modernen Einwanderungslandes längst nicht mehr gerecht. Die Optionspflicht ist das Relikt einer fremdenfeindlich und rassistisch geführten Wahlkampfdebatte Ende der 90er Jahre und muss abgeschafft werden“, erklärt Jäger.

Im Hinblick auf die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung fordern Pro Asyl, DGB und Interkultureller Rat in der kommenden Legislaturperiode die Entwicklung einer handlungsorientierten Strategie zum Abbau rassistischer Vorurteilsstrukturen, zur Weiterentwicklung des Diskriminierungsschutzes und zur Bekämpfung rassistischer Gewalt. Die Strategie müsse alle Politikfelder umfassen, gemeinsam von Bund, Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft erarbeitet und zukunftsfest finanziert werden. Pro Asyl, DGB und Interkultureller Rat appellieren an die politischen Parteien, im Wahlkampf jeden Versuch zu unterlassen, um auf dem Rücken von Minderheiten Stimmen zu mobilisieren.

Kernforderungen von Pro Asyl, DGB und Interkultureller Rat zur Bundestagswahl sind u.a.:

Erarbeitung einer umfassenden und handlungsorientierten Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung sowie die Ausweitung des gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung;

Förderung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union als grundlegendes Recht aller Unionsbürger sowie die Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt und zum Daueraufenthalt für Migranten und Flüchtlinge;

Stärkung der Rechte grenzüberschreitender Arbeitskräfte durch Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und flächendeckender Beratungsstrukturen;

Beendigung der gewaltsame Abwehr von Flüchtlingen an den Außengrenzen der Europäischen Union und die Gewährleistung eines fairen Asylverfahrens in dem EU-Land, in dem ein Asylsuchender einen Asylantrag stellen möchte;

Verabschiedung einer dauerhaft wirksamen, an humanitären Gesichtspunkten ausgerichteten Bleiberechtsregelung für Geduldete sowie die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf sofortigen Zugang zu Integrationsleistungen für die Betroffenen;

Garantie des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie durch großzügige und vom Aufenthaltsstatus unabhängige Nachzugsregelungen;

Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Partizipationschancen von Migranten und Flüchtlingen durch die ersatzlose Streichung der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern und die generelle Akzeptanz von Mehrstaatigkeit beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.

Die detaillierten Anforderungen finden sich in der aktuellen Broschüre

Menschenrechte für Migranten und Flüchtlinge [pdf, externer Link]




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