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Und nirgends ein Arzt

Millionen Arbeitsmigranten ausgeschlossen von jeglichem Gesundheitssystem

Von Thomas Berger *

Mit einer Reihe von Absichtserklärungen, aber ohne konkrete Ergebnisse ist in Bangkok in der vergangenen Woche eine zweitägige internationale Konferenz über die Gesundheitsfürsorge von Arbeitsmigranten über die Bühne gegangen. Entsendeländer und internationale Organisationen wollen sich dafür einsetzen, daß ausländische Arbeitskräfte in den Staaten, wo sie tätig sind, besser ins reguläre Gesundheitssystem eingebunden werden. Bislang wird diese Thema vernachlässigt, gerade bei schwerwiegenden Erkrankungen gibt es oft kaum Hilfe für die Betroffenen.

Minister und weitere Regierungsvertreter aus 14 Ländern Süd- und Südostasiens, deren Bewohner die stärkste Fraktion der Arbeitskräfte insbesondere in den Golfstaaten stellen, hatten sich am Dienstag und Mittwoch gemeinsam mit den Vertretern diverser UN-Gliederungen und anderer internationaler Organisationen in der thailändischen Hauptstadt zusammengefunden. Um wie viele Menschen es in den Debatten ging, darüber gibt es verschiedenste Angaben. Genaue Statistiken sind auch deshalb schwierig, weil sich zu denen, die über Vermittlungsfirmen im Normalfall im Entsende- wie Arbeitsland registriert sind, noch einmal zahlreiche »Illegale« gesellen, die weder von den Behörden noch von Hilfsorganisationen erfaßt sind.

35 Millionen Chinesen, 20 Millionen Inder und sieben Millionen Filipinos, die in der Fremde schuften, machen die Spitze des Eisberges aus. Kein anderes Land entsendet so viele seiner Bürger als billige Arbeitskräfte wie diese drei. Während im globalen Maßstab rund drei Prozent aller Beschäftigten nicht aus dem Inland stammen, machen Arbeitsmigranten in den Golfstaaten gleich 40 Prozent aus. Ob philippinische Kindermädchen, srilankische Haushaltshilfen oder Bauarbeiter aus Pakistan, Nepal und Bangladesch - die Ökonomien am Golf sind in vielen Sektoren auf diesen Zustrom angewiesen. Zwar hat die globale Wirtschaftskrise seit 2008 auch in Qatar, Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten Spuren hinterlassen und Jobs auf jeder Ebene gekostet. Doch ungeachtet der nicht geringen Zahlen von Zwangsheimkehrern infolge Firmenpleiten, Auflösung von Verträgen und Personalabbau stellen Ausländer dieses Herkunftsgebietes einen Großteil der Arbeitskräfte.

Zusätzlich zu den konkreten Arbeitsbedingungen, die oft kaum als menschenwürdig einzustufen sind, fehlt es vielen auch an jeglicher Sicherheit - das betrifft auch und gerade die Betreuung im Krankheitsfall. Vorerst wird das auch so bleiben. Die Konferenz in Bangkok brachte nicht mehr zustande, als einen mageren Appell an alle WHO-Mitgliedsstaaten hinsichtlich einer »inklusiven Gesundheitspolitik«, die diese Menschengruppe einschließt. Außerdem soll das Thema in internationalen Gremien, unter anderem dem IDM (International Dialogue on Migration), weiter diskutiert werden.

Beim IDM, einem 2001 eingerichteten Forum der Internationalen Organisation für Migration (IOM), ist auch darüber indes schon mehrfach gesprochen und manches Papier produziert worden. Am ehesten profitiert haben die Betroffenen oftmals weniger von solchen Debattierklubs, sondern bilateralen Abkommen, die einige Entsenderländer beispielsweise mit Qatar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgehandelt haben. Das Grundproblem liegt darin, daß Ausländer oft keinen Zugang zum nationalen Gesundheitssystem haben, in der Regel aber auch nicht über ihre Vermittlerfirmen abgesichert sind, wenn sie krank werden. Diese wollen ebenso wie die »Arbeitgeber« lediglich maximale Profite erzielen.

Daß es unter den 14 auf der Konferenz vertretenen Staaten auch interne Probleme gibt, war offenbar gar kein Thema der Konferenz in Bangkok. So hat z.B. Gastgeber Thailand nach eigenen Angaben 1,3 Millionen legale und weitere geschätzte zwei Millionen »illegale« Arbeitsmigranten, die aus Laos und Myanmar über die Grenze kommen. Gerade letztgenannte Gruppe verfügt über keinerlei Rechte, erst recht nicht den Zugang zu einem Arzt.

* Aus: junge Welt, 19. Juli 2010


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