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Folter bleibt Alltag

UN-Vertreter kritisiert Praxis weltweit. Skandal um Mißhandlungen in Indonesien

Von Thomas Berger *

Der Leiter des UN-Ausschusses gegen Folter, Claudio Grossman, hat am Dienstag (19. Okt.) bei einer Pressekonferenz in New York eine ernsthafte Einhaltung der 1984 verabschiedeten Antifolterkonvention der Vereinten Nationen gefordert. Folter gebe es noch immer überall auf der Welt, der Ausschuß habe sie »überall gefunden«, so Grossman. Ungeachtet ihres Beitritts zu der Konvention wenden zahlreiche Länder Folter weiterhin an. Nur 64 der Unterzeichnerstaaten hätten bislang zugelassen, daß der Ausschuß Einzelklagen prüfen durfte. Bislang haben nur 147 der insgesamt 192 UN- Mitgliedsstaaten die Konvention überhaupt ratifiziert, darunter alle fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Auch Indonesien ratifizierte das Dokument 1998, 13 Jahre nach der Unterzeichnung. Doch nun werfen Videoaufnahmen von Polizeiübergriffen ein anderes Licht auf die Realität in dem Inselstaat.

Zu sehen ist, wie zwei einheimische Männer in der seit Jahrzehnten nach Unabhängigkeit strebenden indonesischen Provinz Papua von tatsächlichen oder vermeintlichen Angehörigen der Sicherheitskräfte mißhandelt werden. Sie sollen ein angebliches Waffenversteck preisgeben, und dazu greifen die Täter zu Foltermethoden. Einem Mann wird ein Messer an die Kehle gehalten, der andere mit einem brennenden Stock im Genitalbereich attackiert. Das Videoportal YouTube hat das Video einen Tag nach der Veröffentlichung wegen der Brutalität der Bilder von seiner Seite genommen. Auch seine Herkunft bleibt unklar. Doch zumindest die in Hongkong ansässige Menschenrechtsorganisation Asian Human Rights Commission (AHRC), die die Szenen ins Netz gestellt hatte, bleibt bei der Versicherung, es handle sich um »offenbar authentische« Aufnahmen. Man habe das Material von einer Quelle aus Papua bekommen, die aber ungenannt bleiben müsse. Selbst das AHRC hat nach eigener Aussage die Sequenz verkürzt, um die Zuschauer nicht zu sehr zu schockieren. »Das ist nur einer von mehreren mutmaßlichen Folterfällen, zu denen uns aus Papua Informationen erreichten«, so AHRC-Chef Wong Kai Shing. Eindringlich fordert er die Regierung in Jakarta auf, eine Null-Toleranz-Politik in Sachen Folter zu entwickeln. Immer wieder habe man aber in der Vergangenheit erleben müssen, wie insbesondere in Papua Zivilisten unter dem brutalen Vorgehen von Polizei und Militär zu leiden hätten.

Obwohl der Ursprung des Videos vorerst im Dunkeln bleibt, sprechen die Bilder für sich. Das ganze Agieren der Täter spricht dafür, daß es sich tatsächlich um Angehörige der Sicherheitskräfte handelt. Auch indonesische Menschenrechtsorganisationen haben deshalb Präsident Susilo Bambang Yudhoyono zum Eingreifen aufgefordert.

Die Liste der publik gewordenen Menschenrechtsverletzungen auf dem von Indonesien annektierten Inselteil, der 1969 für seine Unabhängigkeit gestimmt hatte und die rohstoffreichste Provinz des südostasiatischen Landes ist, ist lang. Wer als Aktivist oder auch nur Sympathisant der Rebellenorganisation Bewegung Freies Papua (OPM) verdächtigt wird, muß sich darauf einstellen, daß die Vertreter der Zentralregierung alles andere als zimperlich mit ihm umgehen. So schoß die Polizei am 4. Oktober in Wamena in eine Menschenmenge, als beim Entladen einer Flugzeugladung eine Lieferung für die örtliche Organisation Wächter des Landes der Papua (PENAPA) mit Geld, einem Handy, Uniformen und Dokumenten als verdächtig beschlagnahmt wurde. Ein Mann starb, zwei wurden schwer verletzt.

* Aus: junge Welt, 21. Oktober 2010

UNO-Antifolterkonvention

Am 10. Dezember 1984 wurde das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105) von der UNO-Generalversammlung angenommen. Am 26. Juni 1987 ist die "Antifolterkonvention" in Kraft getreten.

Das Übereinkommen konkretisiert das allgemeine Folterverbot, indem es die Vertragsstaaten verpflichtet, eine Reihe von geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um die Verhinderung bzw. Ahndung von Folterungen sicherzustellen und Personen, denen die Freiheit entzogen ist, vor Angriffen auf ihre körperliche und seelische Integrität zu schützen.

Dieses Übereinkommen sieht - ähnlich den Pakten von 1966 - ein internationales Kontrollsystem vor. Die Vertragsstaaten haben dem UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) alle vier Jahre Bericht über die Massnahmen zu erstatten, die sie ergriffen haben, um ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen nachzukommen. Der Ausschuss kann zu den Berichten Stellung nehmen oder Vorschläge allgemeiner Natur machen.

Hier geht es zur "Antifolterkonvention" (pdf-Datei)

Und hier geht es zu einem Zusatzprotokoll aus dem Jahr 2002.




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