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Oligarchische Gazette

Weltwirtschaftsforum in Davos: In der neu gegründeten World Post schreiben die Reichen und Mächtigen selbst

Von Thomas Wagner *

Nun schreiben sie auch noch. Die Reichen und Mächtigen der westlichen Welt, vornehmlich Milliardäre des Silicon Valley sowie ehemalige Regierungschefs, haben eine neues publizistisches Organ: die World Post. Das von der US-Medienunternehmerin und Herausgeberin Arianna Huffington sowie dem Investor Nicolas Berggruen initiierte Internetprojekt erscheint unter dem Dach der Online-Zeitung Huffington Post, erhält aber einen eigenen Webauftritt. Vorgestellt wird die Zeitung nach Presseberichten auf dem morgen beginnenden Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. Was in der bürgerlichen Gesellschaft herrschende Meinung ist, entspricht seit eh und je der Meinung der Herrschenden. Und die bedienen sich einiger weniger Medienkonzerne, um der Bevölkerung ihre privaten Profitinteressen als dem Gemeinwohl zuträglich zu verkaufen. Insofern ist die geschäftliche Kooperation zwischen dem als vermeintlicher Retter der maroden Kaufhauskette Karstadt bekannt gewordenen Sohn des berühmten Kunstmäzens Heinz Berggruen und der Exgattin eines republikanischen Kongreßabgeordneten mit eigenen politischen und publizistischen Ambitionen nicht ungewöhnlich.

Mitmachmasche

Zwei Aspekte sprengen jedoch den Rahmen des sonst Üblichen: die Auswahl der Autoren und die Reichweite des Projekts. Denn erstens will die zur Hälfte von Berggruen und zur anderen Hälfte vom Huffington Post-Eigner AOL finanzierte Onlineplattform nicht mit herausragenden Publizisten glänzen, sondern mit Texten von journalistischen Laien. Im Grunde handelt es sich um die Weiterentwicklung jener Mitmachmasche, mit der schon die Huffington Post erfolgreich wurde. Autoren werden mit der Aussicht auf eine weite Verbreitung durch hohe Klickzahlen dazu gebracht, ihre Artikel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Nur daß die World Post ihr Anzeigengeschäft nicht auf die unbezahlten Beiträge von mehr oder weniger bekannten Bloggern gründet, sondern auf die Eigenwerbung von Spitzenpolitikern, Topmanagern und Konzernlenkern. Dabei geht es nicht um gelegentliche Gastbeiträge, mit denen sich Zeitungen sonst gerne schmücken, sondern um regelmäßige Meinungsartikel von gewesenen und aktiven sogenannten Entscheidungsträgern wie dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair, dem Microsoft-Gründer Bill Gates oder dem Google-Vorstand Eric Schmidt. Deren Ansichten sollen zweitens über den gesamten Globus verbreitet werden. Für diesen Expansionszweck scheint das Zusammengehen von Berggruen und Huffington ideale Voraussetzungen zu bieten. Denn während der Milliardär mit deutschem und US-amerikanischen Paß mittels eines eigenen Thinktanks, dem Nicolas Berggruen Institute (NBI), ein weltumspannendes Netz aus einflußreicher und prominenter Persönlichkeiten geknüpft hat, gründet die 2005 gegründete Huffington Post seit 2011 immer neue Ableger außerhalb des Stammlandes USA.

Bei den bisher ins Spiel gebrachten Autorennamen ist zu erwarten, daß sich die World Post der Verbreitung genau jener Gedanken verschreibt, die in Berggruens Thinktank ausgeheckt werden. Welche das sind, darüber wissen wir seit dem vergangenen Jahr mehr. Denn Bergguen ließ es sich 2013 nicht nehmen, der Öffentlichkeit einiges von dem, was die Teilnehmer der von ihm gesponserten Treffen in der Zentrale des Google-Konzerns in Mountain View diskutiert haben, in einem gemeinsam mit Nathan Gardels geschriebenen Buch vorzustellen, das auf deutsch und auf englisch erschien. Es heißt: »Klug regieren. Politik für das 21. Jahrhundert.« (Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2013)

Lästige Wähler

Die Kernthese läßt sich so zusammenfassen: In Demokratien kann es passieren, daß die Wähler Politiker durch Stimmenentzug bestrafen, die ihre Entscheidungen alleine an den Interessen der Banken und Konzerne orientieren. Diese Möglichkeit muß ihnen genommen werden. Abhilfe versprechen Veränderungen am Wahlrecht. Stimmen sollen unterschiedlich gewichtet, Parteien geschwächt und der Handlungsspielraum von Parlamentariern zudem durch nicht gewählte Expertengremien eingeschränkt werden. Mit ihrer Hilfe sollen Rentenkürzungen und die Senkung des »Arbeitgeberanteils« an den Lohnkosten künftig außerhalb der bislang üblichen politischen Verfahren beschlossen werden können. Was das Handwerk des Regierens betrifft, empfiehlt Berggruen den westlichen Politikern ihren Antikommunismus einen Augenblick dahingestellt sein zu lassen und den Blick nach Peking zu richten. Wenn es darum geht, das kapitalistische Wirtschaftssystem auf Dauer zu stellen, kommen ihm Methoden, die in einer mehrere tausend Jahre zurückreichenden Tradition autoritärer Staatskunst entwickelt worden sind, gerade recht. Hierzu paßt, daß World Post auch mit der in Hongkong verlegten South China Morning Post kooperiert.

Als Mitherausgeber haben sich Berggruen und Huffingtong mächtige Medienunternehmer und einflußreiche Journalisten aus der ganzen Welt an ihre Seite geholt: Juan Luis Cebrian (El Pais), Dileep Padgaonkar (Times of India), Yoichi Funabashi (Asahi Shimbun), Walter Isaacson (Time, Aspen Institut) und Pierre Omidyar (eBay, First Look Media).

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. Januar 2014


Hintergrund: Einbindung von Kritik

Von Thomas Wagner *

Unter den Mitherausgebern der World Post gebührt dem Unternehmer Pierre Omidyar (Bild) besonderes Augenmerk. Der Gründer und Vorsitzende von eBay hat zuletzt dadurch von sich Reden gemacht, als er erklärte, dem früheren Guardian-Journalisten Glenn Greenwald ein der investigativen Recherche verschriebenes Medienunternehmen finanzieren zu wollen: First Look Media. Greenwald war international bekannt geworden, als er im vergangenen Jahr jene von Edward Snowden bereitgestellten Dokumente veröffentlichte, durch die die NSA-Spähaffäre ins Rollen kam. Omidyar, dessen Vermögen vom US-Magazin Forbes auf 8,5 Milliarden Dollar geschätzt wurde, kündigte an, 250 Millionen Dollar investieren zu wollen.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtete im Oktober, Omidyar habe zunächst vorgehabt, die US-Zeitung Washington Post zu kaufen, sich dann aber für ein eigenes Projekt entschieden. Die Washington Post wurde unterdessen von Amazon-Gründer Jeff Bezos gekauft. Daß dieser sich ein großes etabliertes Medienunternehmen einverleibt, um sein globales Versandhandels­imperium zu stützen, leuchtet ein. Doch was bewegt einen Milliardär wie Omidyar dazu, ausgerechnet dem investigativen Journalismus finanziell unter die Arme zu greifen? Eine plausible Antwort wäre: Er möchte seinen Einfluß über den Wirkungsbereich der Mainstreammedien hinaus erweitern. Mittels Finanzierung alternativer Medien, so das möglicherweise dahinter steckende Kalkül, lassen sich auch die Recherchen kritischer Journalisten in Bahnen lenken, die dem Establishment nicht gefährlich werden.

Genau das ist die Funktion, die die Online-Zeitung Huffington Post in den USA erfüllt, wo es kritische Medien von nennenswerter Reichweite kaum noch gibt. Weil die Internetplattform während der Amtszeit des republikanischen Präsidenten George Bush jenen US-Intellektuellen ein Forum bot, die gegen den Kurs der neokonservativen Regierung opponierten, gilt das Medium in den USA als kritisch. Gerade durch dieses progressive Image und die Verbindung mit Projekten, wie sie Omidyar anschiebt, dürften sich Huffington Post wie World Post bestens dazu eignen, den heute im Gewand des Menschenrechtsschutzes daher kommenden Imperialismus im globalen Maßstab publizistisch zu flankieren. Ob das von Glenn Greenwald geleitete Medienunternehmen First Look Media in dieser Konstellation den Herrschenden tatsächlich gefährlich werden kann, darf bezweifelt werden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. Januar 2014

Globale Expansion

Das von Arianna Huffington im Jahr 2005 gegründete Nachrichtenportal Huffington Post gründete seinen Erfolg zunächst auf die Verlinkung der Berichte anderer Medien durch überwiegend unbezahlte Autoren. Eine rudimentäre Redaktion, die auch eigene Beiträge erarbeitet, wurde erst später etabliert. 2011 war das Unternehmen bereits so erfolgreich, daß es von AOL für 315 Millionen Dollar aufgekauft wurde. Seitdem leitet Arianna Huffington die Zeitung unter dem Dach der AOL Huffington Post Media Group. Im gleichen Jahr begann die internationale Expansion. Zunächst erschien eine kanadische Ausgabe in englischer und französicher Sprache. Dann wurden die ersten Ableger auf der anderen Seite des Atlantik gegründet: in Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und am 10. Oktober 2013 auch in Deutschland. Außerdem gibt es eine japanische Ausgabe und eine französischsprachige für nordafrikanische Staaten. In Frankreich wird die Huffington Post herausgeben von Anne Sinclair, der Ehefrau des früheren IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn. Ihr Gegenpart in der deutschsprachigen Ausgabe, die mit der Burda-Tochter Tomorrow Focus kooperiert und praktisch Tür an Tür mit der Online-Redaktion des Focus arbeitet, ist der ehemalige ZDF-Moderator Cherno Jobatey. Mit der Arbeit von Tausenden unbezahlter Autoren wirbt die Online-Zeitung um Werbekunden. Ihr Gratisangebot finanziert sie allein durch Anzeigen. Das auf der Ausbeutung der Autoren fußende Geschäftsmodell der Huffington Post wird von Gewerkschaften und freien Journalisten kritisiert. (thw)




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