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Mühseliger Kampf gegen die globale Minenpest

Zur Jahreskonferenz 2005 der Ottawakonvention über das Verbot von Anti-Personenminen

Von Wolfgang Kötter*

Heute (28.11.) beginnt in Kroatiens Hauptstadt Zagreb die Jahreskonferenz der Ottawakonvention über das Verbot von Anti-Personenminen. Eine Woche lang werden die 147 Vertragsstaaten sowohl über die bisherige Erfüllung als auch über Maßnahmen zur weiteren Umsetzung des Abkommens beraten. Der seit 1999 geltende Vertrag untersagt den Einsatz, die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Weitergabe von Anti-Personenminen. Verboten sind damit alle Sprengsätze, die durch Anwesenheit, Nähe, oder Kontakt zu Menschen explodieren. Im vergangenen Jahr hatte die erste Überprüfungskonferenz einen Aktionsplan mit 70 konkreten Schritten verabschiedet, um sicherzustellen, dass bis zum Jahre 2009 alle Mitglieder ihre Verpflichtungen erfüllt haben. Nachdem die eingelagerten Minen bis auf wenige Ausnahmen pünktlich nach vier Jahren beseitigt waren, müssen die noch verlegten Sprengfallen nämlich innerhalb der Zehnjahresfrist geräumt und vernichtet sein. Die Bilanz der seither erreichten Fortschritte in den vier genannten Bereichen – Universalität, Minenvernichtung, Minenräumung und Opferhilfe - fällt jedoch unterschiedlich aus.

Die als erstes Ziel angestrebte Universalität bleibt trotz neuer Beitritte in weiter Ferne. Bis heute fehlen über 40 Länder, darunter wichtige Minenhersteller und –käufer, in deren Besitz sich weiterhin 160 Millionen Minen befinden. Immerhin traten aber zwei Drittel aller ehemaligen Produzenten von Minen der Konvention bei. Auch die Nichtmitgliedstaaten, Ägypten, Finnland, Israel, Polen und Südkorea haben die Produktion eingestellt. Dem soeben veröffentlichten „Landmine Monitor Report 2005“ zufolge produzieren allerdings 13 Staaten immer noch Anti-Personenminen. Myanmar, Nepal und Russland werden als Staaten genannt, die weiterhin Minen verlegen, und trotz Dementi der Regierung sprechen zahlreiche Beweise dafür, dass auch Georgien dazu gehört. Aber vor allem sind es Rebellengruppen, die gegenwärtig in 13 Ländern Sprengfallen vergraben. Berichten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge will die Bush-Regierung nach einem achtjährigen Moratorium wieder mit der Produktion von Sprengfallen beginnen. Das Pentagon habe bereits 1,3 Milliarden Dollar für eine neue Art von Tretminen, ein „intelligentes Munitionssystem“ angefordert. Bereits seit längerem gibt es Bemühungen, Minen denkfähig und beweglicher zu machen. Statt dass sie im Boden verharren, bis Fahrzeuge über sie hinweg fahren, sollen derartige Roboter-Minen ihre Ziele aktiv suchen und angreifen. Doch auch “kluge” Minen sind keineswegs sicher. Wie Steve Goose von Human Rights Watch warnt, komme es oft vor, dass diese Minen sich nicht selbst vernichten, und da sie üblicherweise in großen Mengen und über weite Gebiete verstreut werden, wäre es unmöglich, sie zu kartieren. Letztlich "entscheiden" die Automaten nach einem vorher festgelegten Programm. Treten unvorhergesehene oder für das System neue Situationen ein, kann der Roboter oft nicht mehr wie vorgesehen funktionieren.

Mehr haben als siebzig Staaten haben ihre gesamten Bestände von rund 38 Millionen Minen vernichtet und der legale Minenhandel ist faktisch eingestellt. Über 100 Millionen Landminen sind aber weiterhin auf dem Territorium von 84 Ländern verlegt. Zwar wurden im vergangenen Jahr weitere 135 Quadratkilometer Boden von Minen geräumt, eine riesige Fläche von über 200000 km² bleibt jedoch minenverseucht. Minenräumung ist eine gefährliche, langwierige und teure Angelegenheit und die zur Verfügung stehenden 399 Mio. Dollar reichen bei weitem nicht aus. Erheblich mehr Mittel, Personal und Technik sind erforderlich, um die fristgemäße Identifizierung, Räumung und Vernichtung zu gewährleisten.

Immer wieder erschüttern Nachrichten über unschuldige Minenopfer die Öffentlichkeit. Allein im vergangenen Jahr wurden 6521 Minenopfer gemeldet, zumeist Frauen und Kinder. Landminen stellen eine allgegenwärtige Bedrohung dar, denn sie töten oder verursachen schlimmste Verletzungen. Beine und Hände werden abgerissen oder Augen durch Minensplitter geblendet. Vermint sind Wasserstellen, Wege, Gebäude und manchmal sogar ganze Dörfer. Felder können nicht bestellt werden und Straßen, Eisenbahnlinien oder Brücken sind oft noch Jahrzehnte nach den Kämpfen unbefahrbar. Der italienische Chirurg Gino Stradas berichtet in einem beeindruckenden Erlebnisbuch „Grüne Papageien“ über seine Operationen von Minenopfern in Afghanistan, Irak, Bosnien, Somalia, Eritrea und Kambodscha. Die grünen Papageien sind Landminen mit kleinen Flügeln, die wie Spielzeug aussehen und die Kinder daher aufheben - mit grauenvollen Konsequenzen. 85 Prozent aller Kinder, die weltweit durch Minen ums Leben kommen, sterben noch auf dem Weg ins Krankenhaus. “Die Länder, die Namen und die Hautfarben ändern sich“, schreibt Strada, „aber die Geschichten der armen Opfer ähneln sich tragisch.“ Die Sorge für die Überlebenden ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Konvention, für das noch viel zu tun bleibt. Bei der unmittelbaren Opferhilfe geht es um die Bereitstellung einer medizinischen Sofortversorgung wie auch um den Aufbau von Werkstätten zur Prothesenherstellung und die Ausbildung von einheimischen Spezialisten. Darüber hinaus muss jedoch eine langfristige Rehabilitation angestrebt werden, die sich den wirtschaftlichen, rechtlichen und psychischen Problemen minenverletzter Menschen widmet.



Nicht-Unterzeichner-Staaten
Ägypten, Armenien, Aserbaidschan, Bahrein, China, Finnland, Georgien, Indien, Iran, Irak, Israel, Kasachstan, Kirgisstan, Kuba, Kuweit, Laos, Libanon, Libyen, Marokko, Mikronesien, Mongolei, Myanmar, Nepal, KDVR, Oman, Pakistan, Palau, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Somalia, Sri Lanka, Republik (Süd)-Korea, Syrien, Tonga, Tuvalu, USA, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate, Vietnam.

Die 5 Forderungen der Minengegner:
  1. Verbot aller Landminen und minenähnlichen Waffen (z.B. Streumunition);
  2. Offenlegung aller Forschungsobjekte, Exporte und Lagerbestände von Minen;
  3. Vernichtung aller existierender Minen;
  4. Umwidmung der Gelder für Landminen zugunsten der Minenopfer;
  5. Unterstützung der weltweiten Minenräumung und umfassende Hilfe für die Minenopfer.
Quelle: www.landmine.de



* Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien in: Neues Deutschland, 28.11.2005 (Titel: "Kampf gegen die Minenseuche")


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