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Gedenken an Feldwebel Anton Schmid: Ein widerständiger Soldat wurde zum "Retter in Uniform"

Vor 70 Jahren, am 13. April 1942, wurde er hingerichtet. Wie wird künftig seiner gedacht?

Pressemitteilung der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.

Feldwebel Anton Schmid gehört zu den wenigen „Goldkörnchen“, die unter dem großen Schutthaufen der Geschichte Deutschlands in der Nazi-Zeit verborgen liegen. Der zum Militärdienst zwangsverpflichtete 42jährige Installateur aus Wien wurde von der NS-Militärjustiz zum Tode verurteilt, vermutlich wegen Feindbegünstigung oder Kriegsverrat. Das Urteil ist nicht erhalten, aber am 13. April 1942 wurde er in Wilna von einem Exekutionskommando der Wehrmacht erschossen. Sein „Verbrechen“: Er hatte bis zu 350 Juden das Leben gerettet.

Jahrzehnte vergingen, bis seine Widerständigkeit bekannt und anerkannt wurde: 1967 wurde er in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet. In England wurde sein lebensfreundliches Engagement literarisch und 1968 in Deutschland mit einem ZDF-Film gewürdigt. Im Zuge der Namensänderung von Kasernen setzte der damalige Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping (SPD) im Jahr 2000 durch, dass eine Bundeswehr-Unterkunft in Rendsburg den Namen „Feldwebel Schmid-Kaserne“ erhielt. Diese ist Im Zuge der Standortreduzierungen jedoch 2010 geschlossen worden. Mit guten Gründen muss deshalb heute gefragt werden, welche öffentlich frequentierte Einrichtung künftig seinen Namen tragen soll.

Aus Sicht der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz wäre es ein Signal an die Zivilgesellschaft und für das Konzept der >Inneren Führung< der Bundeswehr geradezu eine Verpflichtung, an diesen humanen und mutigen Retter in Uniform dauerhaft zu erinnern, der für verfolgte Juden sein Leben riskiert und verloren hat.

Bremen/Freiburg, den 10. April 2012
Ludwig Baumann, Vorsitzender
Prof. Dr. Wolfram Wette, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats


Zum Hintergrund:

Der hilfsbereite Feldwebel Anton Schmid „arisierte“ zwei seiner jüdischen Schützlinge, um die er sich persönlich kümmern konnte – Max Salinger und Luisa Emaitisaite -, mit falschen Papieren. Das Ehepaar Anita und Hermann Adler schützte er dadurch, dass er sie in einem Zimmer seiner Dienstwohnung unterbrachte. Andere, uns namentlich nicht bekannte Jüdinnen und Juden rettete er vor der Liquidierung, indem er sie als angeblich kriegswichtige Arbeitskräfte in den Werkstätten beschäftigte, die seiner kleinen Dienstelle angeschlossen waren und die er dort mit Facharbeiterausweisen ausstattete, die sie vor Verhaftung schützen sollten. Einige von ihnen rettete er ein zweites Mal, indem er sie nach Zugriffen von SS und litauischer Hilfspolizei wieder aus dem Lukischki-Gefängnis herausholte.

Darüber hinaus entschloss sich Feldwebel Schmid schon zu einem frühen Zeitpunkt, möglichst viele jener Juden, die bei ihm beschäftigt waren, in Sicherheit zu bringen, indem er sie aus dem Ghetto Wilna, das erkennbar nahezu täglich den Tod von Hunderten oder gar Tausenden bedeutete, wegbrachte. Auch bei dieser Form der Rettung ging die Initiative von den jüdischen Opfern aus. In Zusammenarbeit mit führenden Personen des jüdischen Widerstandes leistete Schmid mit einem ihm zur Verfügung stehenden Wehrmachts-Lkw verfolgten Juden aus dem Wilnaer Ghetto Fluchthilfe nach Bialystok und in andere Städte, die sicherer zu sein schienen als Wilna.

Quellenangabe: Wolfram Wette, „Ich habe nur als Mensch gehandelt.“ Feldwebel der Wehrmacht Anton Schmid – Judenretter in Wilna/Litauen, Vortrag am 23. Februar 2012 in Rendsburg.




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