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Erfolg ist, wenn nichts passiert

Der Zivile Friedensdienst hofft trotz Schwarz-Gelb auf weitere zehn Jahre

Von Ines Wallrodt *

Besser konnte das Missverhältnis zwischen Militärischem und Zivilem in der deutschen Politik kaum illustriert werden. Weil der Bundesregierung die in Afghanistan zerbombten Tanklastwagen nun doch noch selbst um die Ohren fliegen, konnte Entwicklungsminister Dirk Niebel nicht zum Festakt zehn Jahre Ziviler Friedensdienst (ZFD) kommen. Die Verabschiedung der Fachkräfte, die im Ausland gewaltfrei unterwegs sind, hatte das Nachsehen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp musste deshalb einspringen und die wahrscheinlich für Niebel vorbereitete Rede halten. Es wird indes nicht nur der Kurzfristigkeit geschuldet gewesen sein, dass die Sätze aus dem Munde der FDP-Politikerin, die bisher als Welthandelsverantwortliche gegen jegliche Handelsschranken gefochten hatte, so hölzern klangen. Sie bleibt öfter hängen, manches ist unverständlich und am Ende verabschiedet sie sich mit einem wirtschaftskreistauglichen »auf prosperierende Zusammenarbeit«. Keine Frage, der Zivile Friedensdienst, mit seiner Verpflichtung auf gewaltfreie Konfliktaustragung, ist für das neue Spitzenteam im Entwicklungsministerium (BMZ), das sich zur wehrhaften Demokratie bekennt, fremd. Genauer, »realitätsfern«, wie Kopp die Skepsis auf ein Wort brachte. Immerhin kündigte sie an, sich im Anschluss »gern noch« mit den Friedensfachkräften unterhalten zu wollen.

Das Misstrauen ist beidseitig. Vor der Bundestagswahl war Niebel als FDP-Generalsekretär mit der Idee hausieren gegangen, das BMZ abzuschaffen. Nun fürchten viele, dass er auf anderem Wege den 1999 unter rot-grün dort angesiedelten ZFD schleifen könnte. Die Öffentlichkeit rund um das zehnjährige Jubiläum soll denn auch so etwas wie einen Schutzschild gegen etwaige Angriffe bilden.

So war in dem Applaus der rund 250 Geburtstagsgäste im Berliner Umspannwerk auch Erleichterung spürbar, als Gudrun Kopp nach 15 Minuten Rede zusagte, die Bundesregierung werde den ZFD »explizit fördern und nach Kräften unterstützen«. Wie das genau aussehen soll, ließ sie offen. Dafür betonte sie wenig später die Notwendigkeit einer »ergebnisoffenen« Evaluierung und »Optimierung«. Die Evaluation ist länger geplant, aber unter einem nun FDP-geführten Haus klingt sie doch wie eine Drohung. Erst diese Woche plädierte Niebel in Bezug auf Afghanistan für eine engere zivil-militärische Zusammenarbeit.

Die Initative für den Zivilen Friedensdienst geht auf Friedens- und Kirchengruppen zurück. Getragen wird der ZFD nun von acht Friedens- und Entwicklungsorganisationen, finanziert durch die Bundesregierung. Über 500 Menschen waren seit 1999 als Fachkräfte in 50 Ländern im Einsatz. Überwiegend, nachdem es schon zu blutigen Konflikten gekommen war. Tilman Evers, einer der Gründungsväter, hofft, dass die Bundesregierung künftig stärker auf präventive Friedensarbeit setzt. Die zehn Neuen, die Donnerstagabend offiziell in ihren »Auslandseinsatz« verabschiedet wurden, sind Psychologen, Ethnologen und Geografen mit mehrjähriger Berufserfahrung und Zusatzausbildung als Friedensfachkraft. Ihre »Waffen« sind hinsehen, zuhören, ausbalancieren, weshalb sie Lupe, Ohrenstäbchen und Wasserwaage mit auf den Weg bekommen. Sie werden für mehrere Jahre in Ostasien, im Nahen Osten, in Afrika, Lateinamerika sowie auf dem Balkan arbeiten und dort lokale Partnerorganisationen unterstützen.

»Die Arbeit des ZFD kann nur erfolgreich sein, wenn sie von den am Konflikt beteiligten Menschen selbst gestaltet wird«, sagte Anne Storcks als Sprecherin des Konsortiums ZFD, in dem sich die Trägerorganisationen zusammengeschlossen haben. Durch den Blick von außen, den die Friedenskräfte mitbringen, ließen sich Feindbilder leichter abbauen und verfeindete Gruppen ins Gespräch bringen.

Das gelingt nicht von heute auf morgen. »Erfolge brauchen viel Zeit«, hat Christiane Schwarz erfahren, die in Kolumbien Menschenrechtsaktivisten unterstützte. Und wie beweist man eine Wirkung, die darin besteht, dass etwas nicht eintritt? Ein Riesenproblem bei der Selbstvermarktung. Wunder seien schon angesichts von mageren 30 Millionen Euro, die jährlich zur Verfügung stehen, nicht zu erwarten, sagt Konsortiumssprecherin Storcks. Aber Fortschritte: Etwa wenn albanische und mazedonische Kinder zusammen in die Schule gehen oder wenn Radioreporter in Kongo die Konflikte mit ihren Berichten nicht noch anheizen, weil sie in Seminaren für die Wirkung ihrer Worte sensibilisiert wurden. Worum es bei ihrer Arbeit geht, bezeichnen die Friedensexperten deshalb lieber als »Konflikttransformation« denn als »Konfliktlösung«. Denn Konflikte können auch sinnvoll sein – so sie gewaltfrei ausgetragen werden.

Das meiste davon erfuhr Staatssekretärin Kopp nicht mehr. Sie war noch vor den Erfahrungsberichten gegangen.

* Aus: Neues Deutschland, 28. November 2009


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