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Kaum Geld und viel Streit

In Vorbereitung der UN-Klimakonferenz trafen sich Umweltminister aus 35 Staaten in Berlin. Das Ergebnis: Es bleibt viel zu tun, vielleicht viel zuviel

Von Wolfgang Pomrehn *

Am Montag und Dienstag trafen sich die Umweltminister aus 35 Ländern auf Einladung der deutschen und der peruanischen Regierung zum fünften »Petersberger Klimadialog« in Berlin. Im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz, die im Dezember in Perus Hauptstadt Lima zusammentritt, sollte im informellen Rahmen nach Wegen gesucht werden, die Blockaden in den internationalen Klimaverhandlungen aus dem Weg zu räumen. Vertreten waren neben den wichtigen Industrie- und Schwellenländern und einigen kleineren EU-Mitgliedern auch Staaten wie Bolivien, Bangladesch, die Marschall-Inseln oder Gambia. Im Rahmen der UN-Klimaschutzrahmenkonvention (United Nations Framework Convention on ­Climate Change, UNFCCC) wird seit fast zehn Jahren über eine neue Vereinbarung gesprochen, die den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch beschränken und den Umgang mit den vom Klimawandel verursachten Schäden sowie die Anpassung an die veränderten Bedingungen regeln soll. Zu letzterem gehören Dinge wie verbesserter Schutz vor Dürren und Hochwasser, Umstellungen in der Landwirtschaft, Küstenschutz und vieles mehr. Vor allem die ärmeren Länder überfordert das.

Geld ist deshalb ein großes Thema. Rund 100 Milliarden US-Dollar (74 Milliarden Euro) werden jährlich benötigt, um in den Entwicklungsländern die Schäden des Klimawandels zu beheben und diesen bei der Anpassung an die Wetterveränderungen zu helfen. Die Staatengemeinschaft, das heißt die 196 Mitglieder der UNFCCC, hat sich im Prinzip darauf geeinigt, daß die reichen Länder für diese Summe aufkommen sollen. Ein Fonds wurde bereits vereinbart, nur ist der bisher weitgehend leer geblieben. Nun läßt die Bundesregierung verkünden, Angela Merkel verspreche einen deutschen Beitrag von bis zu 750 Millionen Euro. Eine nicht gerade überwältigende Summe angesichts des Bedarfs, zumal bisher offen ist, ob es sich um eine einmalige Zahlung oder einen jährlichen Beitrag handelt. Schon 2009 hatte die Bundeskanzlerin auf der Kopenhagener Klimakonferenz Zahlungen zugesagt, bei denen es sich jedoch lediglich um umdeklarierte Entwicklungshilfegelder gehandelt hatte.

Die energie- und klimapolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, meinte dazu: »Angela Merkel sendet eindeutig die falschen Signale. Wer international als Vorreiter für Klimaschutz gelten will, muß erst daheim seine Hausaufgaben machen. Das Klimaschutzziel von 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 wird Deutschland aller Voraussicht nach verfehlen. Mit der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Bundesregierung die Axt an das erfolgreichste Instrument für Klimaschutz gelegt. Die beschlossene Deckelung des Ausbaus der »Erneuerbaren« ist auch ein Deckel für den Klimaschutz. Ein völlig falsches Zeichen sei zudem die am Rande des Klimadialogs mit Peru unterzeichnete »Rohstoffpartnerschaft. Bulling-Schröter: »Mehr Bergbau sowie Förderung von Gas und Öl im Amazonasregenwald sind für das Weltklima keine gute Medizin.«

Zum Abschluß der Berliner Gespräche versuchte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Optimismus zu verbreiten: »Es herrscht Aufbruchstimmung in der internationalen Klimapolitik. Gemeinsam können wir den Klimawandel zähmen, das ist die Botschaft der vergangenen Tage. Zahlreiche Länder arbeiten an neuen, ehrgeizigeren Klimazielen für das globale Abkommen, das wir 2015 beschließen wollen.« Von Deutschland läßt sich das nur bedingt sagen. Mit der Novellierung des EEG wird der Ausbau von Biogasanlagen nahezu zum Erliegen kommen, der Neubau von Solar- und Windkraftanlagen wird zum Teil erheblich erschwert. Außerdem führt eine mangelhafte Regulierung des Strommarktes und der Energieversorger dazu, daß die deutschen Treib­hausgasemissionen seit einigen Jahren wieder steigen. Schuld ist vor allem die Verdrängung des umweltfreundlichen Erdgases durch Braunkohle in der Stromerzeugung. Selbst im Ausland – vor allem in den Niederlanden – sorgen die massiven Exporte deutschen Braunkohlestroms dafür, daß Gaskraftwerke zu wenig ausgelastet sind und zum Teil sogar stillgelegt werden müssen. Das Ergebnis: Der Ausstoß von Treibhausgasen pro erzeugter Kilowattstunde Strom wird mehr als verdoppelt. Die Umweltorganisation Greenpeace forderte anläßlich der Berliner Klimagespräche von der Bundesregierung »in den kommenden 15 Monaten den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle« einzuleiten. Auch die Linkspartei erneuerte ihren Vorschlag eines Kohleausstiegsgesetzes.

Perus Umweltminister Manuel Pulgar Vidal, der im Dezember als Gastgeber die UN-Klimakonferenz in Lima leiten wird, meinte abschließend, das Treffen sollte einen Vertragsentwurf erarbeiten und eine Entscheidung fällen, wie die Länder zum Klimaschutz beitragen können. Bisher ist unter anderem auch noch strittig, ob es ab 2020 verbindliche Ziele zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen geben wird, wie sie das Kyoto-Protokoll für die Industrieländer vorsah – oder ob sich jedes Land selbst aussuchen kann, welchen Beitrag es leisten will. Dieser Ansatz wird vor allem von den USA favorisiert und scheint sich durchzusetzen. Bisher liegen allerdings noch nicht einmal Angebote auf dem Tisch, was die einzelnen Staaten bereit sind, an Klimaschutz umzusetzen. Im letzten Jahr war verabredet worden, daß diese »möglichst« bis zum März 2015 eingereicht werden. Dann blieben nur noch acht Monate Zeit bis zur nächsten UN-Klimakonferenz, auf der Ende 2015 in Paris ein neuer Vertrag unterzeichnet werden soll. Ein enger Zeitplan, der hitzige Verhandlungen verspricht.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 17. Juli 2014


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