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Windkraft ausgebootet

Stimmungsmache gegen Ökostrom. Umlage nutzt Netzbetreibern. Atom- und Kohlestrom verdrängen erneuerbare Energien

Von Wolfgang Pomrehn *

Das sind Meldungen, wie sie die Energiekonzerne lieben. »Ökostrom wird teurer«, so oder ähnlich titelten dieser Tage viele Medien. Sie posaunten damit eine Pressemeldung der vier großen Netzgesellschaften heraus. Kurz darauf wird nachgelegt: Der Ausbau der Offshore-Windparks komme nicht voran, die Anbindung ans Netz sei zu teuer, Bürger würden auch an Land die Erweiterung des Höchstspannungsnetzes blockieren. Und zu guter Letzt intervenieren auch die Ratingagenturen: Moody’s, so meldete die Financial Times Deutschland (FTD) droht den Stromkonzernen mit der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit, also mit höheren Zinslasten.

Die Netzbetreiber hatten gerade erst bei der Bundesnetzagentur höhere Durchleitungsentgelte ertrotzen können. Die Bundesregierung hat in der letzten Novelle die Vergütungen für Strom aus Offshore-Windparks kräftig heraufgesetzt. Obwohl diese Energie nun rund 50 Prozent teurer als an Land generierter Windstrom ist, wird sie in der Planung der Bundesregierung als Königsweg in der Energiewende ausgegeben. Die an den Offshore-Windparks beteiligten Konzerne und Kapitalfonds verdanken diesen Erfolg ihrer hartnäckigen Lobbyarbeit. Die traditionellen Windanlagenbetreiber stehen dem Ausbau auf See eher zurückhaltend gegenüber und verweisen auf die großen noch ungenutzten Potentiale an Land. Sie sind meist Kleinunternehmer oder -anleger und werden vom Bundesverband Windenergie vertreten.

Dennoch heißt es in der FTD, daß die Anreize für private Investoren nicht ausreichten. Profitinteresse ist das wahre Motiv hinter dem medialen Trommelfeuer. Die Energieversorgung ist ein einträgliches Geschäft in einer modernen Volkswirtschaft wie der Bundesrepublik. Der Übergangsprozeß weg von der Nutzung atomarer und fossiler Brennstoffe ist kompliziert und unübersichtlich. Das bietet den Anbietern die gute Gelegenheit, ihre alten Kühe weiter zu melken.

Als hervorragendes Mittel hat sich dafür in den letzten Jahren die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erwiesen. Um die ging es in der Schreckensmeldung vom teuren Ökostrom. Mit ihr werden die Mehrkosten des Wind-, Solar- und Biogasstroms auf alle Verbraucher umgelegt. Die örtlichen Netzbetreiber müssen Strom zu den staatlich fixierten Vergütungssätzen des EEG kaufen und bekommen ihre Mehrausgaben aus der Umlage erstattet.

Atommafia kassiert

Kritikwürdig ist schon die Berechnung der zusätzlichen Kosten. Laut Definition ergeben sie sich aus der Differenz zwischen dem stündlich ermittelten Preis an der Leipziger Strombörse und der gezahlten Vergütung. Entsprechend heißt der Fachbegriff »Differenzkosten«. Der Börsenpreis kann mitunter sehr niedrig sein, besonders dann, wenn viel Sonnen- oder Windstrom auf den Markt kommt. Trotz des geringen Bedarfs laufen die Braunkohle- und Atomkraftwerke weiter. So bleibt die Nachfrage nach Ökostrom klein. Mit anderen Worten: Wenn viel sauberer Strom durch die Netze fließt, können die Netzbetreiber besonders hohe Differenzkosten geltend machen.

Sind sie zugleich Besitzer der schwerfälligen AKW und Braunkohlekraftwerke, haben sie ein doppeltes Interesse, an der Situation nichts zu ändern. Denn die Produktion von Kohle- und Atomstrom kann nur schlecht dem Tagesbedarf angepaßt werden. Die Netz- und Kraftwerksbetreiber kassieren für ihre oft schon abgeschriebenen Altkraftwerke und verdienen an der EEG-Umlage, die sie mit einem Stromüberangebot in die Höhe treiben.

Monopol bleibt

Die EU-Kommission hat bereits vor geraumer Zeit verfügt, daß die Konzerne sich von den Übertragungsnetzen trennen müssen. Umgesetzt wurde dieser Beschluß bislang nur unzureichend. Einzig E.on hat sein Netz vollständig verkauft. Vattenfall hält noch 40 Prozent seiner Gesellschaft »50 Hertz Transmission« und RWE noch 25,1 Prozent an »Amprion«. EnBW ist sogar noch vollständig im Besitz seines Übertragungsnetzes.

Die vier Netzgesellschaften haben Anfang der Woche ihre Studie vorgelegt, in der prognostiziert wird, daß die EEG-Umlage von derzeit 3,59 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) in zwei Jahren auf 3,66 bis 4,74 ct/kWh steigen wird. Gezahlt wird überwiegend von Privathaushalten. Energieintensive Industriebetriebe tragen nur einen kleineren Teil der Umlage. Im laufenden Jahr gibt es für rund 500 Unternehmen eine Ausnahmeregelung. Die wird bald ausgedehnt, so daß sie in den nächsten Jahren wohl bis zu 6000 Betriebe umfassen könnte.

Die Deutsche Umwelthilfe weist auf einen weiteren Faktor hin, der die Umlagekosten nach oben treibt. Die Bundesregierung will den Netzbetreibern künftig eine sogenannte »Liquiditätsreserve« zugestehen. Sie dürfen dann auf die Differenzkosten zehn Prozent aufschlagen und den Betrag den privaten Stromkunden als zinslosen Kredit in Rechnung stellen. Eine Arbeitsgruppe der schwarz-gelben Koalition im Bund arbeitet derweil an weiteren Vorschlägen, um die Industrie von den Kosten der Energiewende zu entlasten.

* Aus: junge Welt, 18. November 2011


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