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Erfolgsgeschichte in Gefahr

Mehrheit der Bevölkerung lehnt Kürzungspläne bei Photovoltaik ab

Von Robert Meyer *

Trotz massiver Kritik hält die Bundesregierung an ihren Plänen zur Kürzung bei der Solarförderung fest. Die Opposition warnte gestern vor einem energiepolitischen Rückschritt.

Als eine »Blockade der Energiewende« bezeichnete LINKEN-Fraktionschef Gregor Gysi am Freitag (9. März) im Bundestag die Pläne der Regierung, die Einspeisevergütung für Solarenergie zum ersten April um 29 Prozent zu kürzen.

Katherina Reiche (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, warf der Opposition dagegen »Hysterie« vor. Reiche bezeichnete die bisherige Förderpraxis als »Überförderung«. Aus Sicht der Regierung sei eine Änderung der Subventionspolitik dringend notwendig, um die Bevölkerung vor den ausufernden Kosten der Energiewende zu bewahren. Die Bürger scheinen dafür allerdings kein Verständnis zu haben.

Laut ZDF-Politbarometer lehnen 60 Prozent der Befragten die Koalitionspläne ab. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn wies in ihrer Rede darauf hin, dass die Solarenergie schon heute dafür sorge, dass die Energiepreise an der Strombörse sinken. Gregor Gysi warnte vor einer »zweiten Deindustrialisierung des Ostens«. Als Beispiel nannte er das sachsen-anhaltische Bitterfeld-Wolfen. In der Region hängen Tausende Arbeitsplätze an der Solarindustrie. Diese benötigt überdies längerfristige Planungssicherheit, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, so Gysi.

Die Linksfraktion brachte einen eigenen Antrag in die Debatte ein. Darin fordert sie die Rücknahme der zusätzlichen und außerplanmäßigen Kürzungen sowie »ein Unterstützungsprogramm für die Solarindustrie« in Form von zinsgünstigen Krediten.

Für die SPD-Fraktion erklärte Ulrich Kelber den bisherigen Ausbau der erneuerbaren Energie zu »einer einzigartigen Erfolgsgeschichte«. Er erinnerte die Regierung daran, dass die Koalition noch vor zwei Monaten einen stärkeren Ausbau von Photovoltaikanlagen in Deutschland angekündigt hatte.

* Aus: neues deutschland, 10. März 2012


Arbeitsplätze in Gefahr

Von Robert Meyer **

Linksfraktionschef Gregor Gysi wies in der Debatte zu den Kürzungsplänen bei der Einspeisevergütung von Solarstrom auf einen wichtigen Aspekt hin. Insbesondere Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hätte dies interessiert, wenn er die Debatte im Bundestag nicht zugunsten eines Cebit-Besuches geschwänzt hätte. Gysi warnte davor, dass der Osten keine zweite Deindustrialisierung vertragen würde.

Die erste Welle überrollte im Zuge der Abwicklung der DDR-Industrie die neuen Länder. Von den Folgen haben sich Wirtschaft und viele Menschen bis heute nicht ganz erholt. Die Ansiedlung von Photovoltaikherstellern in den letzten Jahren war deshalb ein Segen für viele Regionen - auch im Westen. So hat Bitterfeld-Wolfen von der bisherigen Förderpraxis enorm profitiert und stieg in der Branche zum »Solar Valley« auf. Setzt die Regierung ihre Pläne um, dann sind Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr. Schon ohne die energiepolitische Rolle rückwärts haben Solarhersteller mit genügend Problemen zu kämpfen. An der bisherigen Regelung, wonach die Förderung immer weiter gesenkt wird, ist ja nichts auszusetzen. Bei zunehmender Lebensfähigkeit der Solarunternehmen wird diese überflüssig. Die jetzigen Pläne aber gefährden die Branche.

** Aus: neues deutschland, 10. März 2012 (Kommentar)


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