Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Evo lädt zum Alternativgipfel

In Bolivien werden Tausende Teilnehmer zur "Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel" erwartet

Von Santiago Baez *

Nach dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen soll nun die viertgrößte Stadt Boliviens, Cochabamba, zur Welthauptstadt des Umweltschutzes werden. Der bolivianische Präsident Evo Morales hat für den 20. bis 22. April zur ersten »Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde« eingeladen, um mit diesem alternativen Treffen im Vorfeld des nächsten offiziellen UN-Klimagipfels, der vom vom 29. November bis 10. Dezember 2010 in Mexiko stattfinden soll, Druck auf die Großmächte auszuüben, damit diese dann zu echten Zugeständnissen gezwungen sind. Mit dem Echo auf seine Einladung zeigte sich der Staatschef einen Monat vor dem Termin zufrieden, es habe bereits jetzt »alle Erwartungen übertroffen«. Bislang hätten 90 Regierungen zugesagt, Delegationen nach Bolivien zu entsenden. Hinzu kämen Vertreter der sozialen Bewegungen aus Afrika, ­Asien, Europa und Amerika, unterstrich Morales bei einer Kundgebung in der rund 160 Kilometer von Cochabamba entfernten Kleinstadt Independencia. Besonders das große Interesse unter den Basisorganisationen habe ihn überrascht, so der Staatschef. »Als wir zu dieser Weltkonferenz eingeladen haben, haben wir nicht damit gerechnet, daß in Cochabamba Hotels fehlen werden, deshalb denken wir jetzt darüber nach, Zelte aufzubauen, um die Repräsentanten zu beherbergen«.

Zumindest für die Eröffnung der Konferenz wird jedoch ein Hotel zur Verfügung stehen, das Regina de Tiquipaya, in dessen großem Festsaal sich am 20. April 3000 Vertreter der sozialen Organisationen aus aller Welt versammeln sollen. Auf Großbildleinwänden soll die Veranstaltung außerdem an verschiedenen Orten auf dem Campus der Universidad del Valle übertragen werden, wo dann auch die verschiedenen Arbeitsgruppen tagen werden, wie der regionale Chef des Vorbereitungskomitees, José Crespo, mitteilte.

Neben den Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) haben auch Peru, Kolumbien, Chile, Brasilien, Argentinien, Mexiko und Costa Rica ihre Teilnahme zugesagt. Der »Große Rat der indigenen Völker« aus Kanada und den USA wird ebenso in Boli­vien vertreten sein wie Regierungen aus Afrika und Asien. Aus Europa haben bislang der russische Präsident Dmitri Medwedew und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy in La Paz um offizielle Einladungen gebeten. Evo Morales hofft deshalb auf ein »interessantes und historisches« Ereignis. Zum Abschluß der Konferenz sollen die versammelten Regierungschefs konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Mutter Erde und damit die Menschheit gerettet werden können. Dazu werden im Félix-Capriles-Stadion mindestens 15000 Menschen erwartet.

Boliviens Außenminister David Choquehuanca kündigte an, daß die nach Cochabamba reisenden Politiker auch über den bolivianischen Vorschlag beraten werden, ein weltweites Referendum über die für den Schutz der Umwelt notwendigen Maßnahmen durchzuführen sowie einen internationalen Klimagerichtshof einzurichten.

Aus Nicaragua kommt der Entwurf einer »Universellen Erklärung des Gemeinwohls der Mutter Erde und der Menschheit«, der von dem brasilianischen Theologen Leonardo Boff und dem ehemaligen Präsidenten der UN-Vollversammlung, Miguel d’Escoto, verfaßt wurde und von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega in Cochabamba eingebracht werden soll. »Das ist die Antwort auf die Habgier der imperialistischen Kapitalisten, die den Planeten und die Natur zerstören, nur um noch mehr Geld zu bekommen und ohne sich um die Zukunft zu scheren«, erklärte Boff bei der Vorstellung des Dokuments Ende Februar in Managua. D’Escoto seinerseits nannte das Scheitern des Gipfeltreffens in Kopenhagen »eine Gnade Gottes«, denn dadurch sei deutlich geworden, »daß wir von den kapitalistischen Mächten wie den USA und Europa nichts erwarten können«.

* Aus: junge Welt, 24. März 2010


Zurück zur "Klima"-Seite

Zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage