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Industrieländer setzen Klimaschutz aufs Spiel

UN-Gipfel in Kopenhagen: Entwicklungsländer empört über Entwurf der dänischen Gastgeber

Von Susanne Götze, Kopenhagen *

Bei der Kopenhagener Weltklimakonferenz sorgt ein Abkommensentwurf der Industrieländer für Aufruhr bei der Gruppe von 77 Entwicklungsländern (G77) und China.

Von Tag zu Tag wird die Stimmung bei der UN-Klimakonferenz angespannter. Am Dienstagabend protestierten in den Gängen des Bella-Verhandlungszentrums wütende afrikanische Teilnehmer für mehr Klimagerechtigkeit. Sie forderten: »Wir wollen ein gerechtes Abkommen.«

Für Empörung sorgt ein »dänischer Entwurf«, der in Verhandlungskreisen kursiert und aus der Feder von Industrieländern wie Dänemark, Großbritannien und den USA stammt. Darin wird den Entwicklungsländern abermals ein langfristiger Finanzierungsplan für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel verwehrt. Der Text sieht für Industrieländer eine Senkung der Treibhausgasemissionen von 80 Prozent bis 2050 vor – und keine kurzfristigen Ziele, die für ein rechtzeitiges Abbremsen der Erderwärmung notwendig wären.

»Die Führer der großen Industrienationen riskieren aufgrund ökonomischer Interessen das Scheitern von Kopenhagen«, erklärte der Sprecher der G77, Lumumba Stanislaus Di-Aping aus Sudan. »Es ist sehr einfach: Die reichen Länder müssen ihre Emissionen reduzieren und zwar radikal.« Auch was die versprochenen Finanzhilfen und den Technologietransfer angehe, werde man nicht nachgeben. Das Festhalten an einer Obergrenze für die Erderwärmung von zwei Grad Celsius halten vor allem die afrikanischen Staaten für nicht ausreichend. »Wir werden keinem Entwurf zustimmen, der unseren Bevölkerungen Leid bescheren wird«, erklärte Di-Aping.

Die G77 kritisiert zudem, dass der Entwurf die Verabschiedung eines neuen Abkommens vorsieht, das auch Ziele für Entwicklungsländer festschreibt, und nicht die Fortschreibung des Kyoto- Protokolls. Die Gruppe, die 77 Entwicklungsländer aus Asien, Afrika und Lateinamerika vertritt, beriet am Mittwoch über ihr weiteres Vorgehen – mit klarem Resultat: Den kursierenden Rohentwurf werde keines ihrer Länder auch nur diskutieren.

Auch die chinesische Delegation äußerte sich ablehnend. Sie wies zudem Forderungen der EU und der USA zurück, dass sich auch die Schwellenländer ambitioniertere Klimaziele setzen sollen. Die Hauptverantwortung für den Klimawandel liege bei den Industrieländern. Deren Angebote seien aber nicht zufriedenstellend, so der stellvertretende Leiter der chinesischen Delegation, Su Wei. Er verwies stattdessen darauf, dass insbesondere die Klimaschutzziele der USA viel zu niedrig sind. China besteht hingegen auf seinem »Recht auf Wachstum«, deshalb müsste es bis 2030 auch noch mehr CO2 ausstoßen dürfen, meinte Su Wei. Peking hatte im Vorfeld angekündigt, auch reduzieren zu wollen – jedoch nur relativ zum erwarteten Bruttoinlandsprodukt und nicht verbindlich.

Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen wies die Kritik der Entwicklungsländer an der Verhandlungsleitung zurück. Der kritisierte Entwurf für die Schlussvereinbarung sei »lediglich ein Arbeitspapier unter vielen«. Ähnlich äußerte sich der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer.

In Deutschland forderte die Bundestagsopposition von Kanzlerin Angela Merkel und der EU ehrgeizigere Klimaschutzziele für den UN-Gipfel. SPD, Linksfraktion und Grüne verlangten gemeinsam, dass die Bundesregierung »von der Bremse steigen« solle.

Umweltschützer versuchten derweil erneut, durch Protestaktionen Druck auf die Verhandlungen auszuüben. So kletterten Greenpeace-Aktivisten auf das römische Kolosseum und brachten ein 300 Quadratmeter großes Banner mit der Forderung an, ein »historisches Abkommen« zu schließen. Der Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, begrüßte die Aktion.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Dezember 2009


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