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Problemstau in Doha

UN-Klimakonferenz in Katars Hauptstadt kommt nicht voran. Umweltschützer fordern von Bundesumweltminister neue Initiativen

Von Wolfgang Pomrehn *

Es stockt in Doha. Nach der ersten Woche gibt es auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz wenig Bewegung. Noch bis zum Freitag verhandeln in der Hauptstadt des Emirats Katar, Vertreter von 194 Staaten und der EU über die Zukunft des internationalen Klimaschutzes. Auf der Tagesordnung stehen: Die Verlängerung des Kyoto-Protokolls ab dem 1. Januar 2013. Ein Fahrplan für Gespräche über ein neues Klimaschutzabkommen, das das Protokoll ab 2020 ersetzen und bis 2015 ausgehandelt sein soll, sowie Verhandlungen über einen Fonds. Mit dem sollen die Industrieländer Mittel für die Anpassung an jenen Teil des Klimawandels bereitstellen, der nicht mehr zu vermeiden ist.

Die Gespräche über das Kyoto-Protokoll kranken daran, daß wichtige Industrieländer sich nicht beteiligen. Auch die die mitmachen, halten sich mit Zusagen zurück. Die EU will zum Beispiel ihre Treibhausgasemissionen nur um 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren, wovon 18 Prozent bereits erreicht sind. Zum überwiegenden Teil ist das eine Folge der Deindustrialisierung Ostdeutschlands und der neuen Mitgliedstaaten in Ost- und Südost¬europa. Die Entwicklungsländer erwarten von den Industriestaaten hingegen, daß sie ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren.

Deutschland wäre dazu ohne weiteres in der Lage. Voraussetzung: Das bisherige Tempo des Aubaus erneuerbarer Energien wird beibehalten und im gleichen Maße weniger Kohlekraftwerke genutzt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert daher von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), daß er mit seinen Ankündigungen ernst macht und bei der EU auf die Zusage von 30 Prozent Reduktion drängt. »Notfalls muß die EU ihr Klimaziel auch ohne Polen auf minus 30 Prozent anheben«, meint die BUND-Expertin Ann-Kathrin Schneider, die in Doha die Verhandlungen verfolgt. Altmaier wird am heutigen Mittwoch in Katar erwartet. Polen hat bisher in der EU, die bei den Klimaverhandlungen stets mit einer gemeinsamen Position auftritt, stets gegen ein ehrgeizigeres Klimaziel gestimmt. Allerdings haben die anderen Länder trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse bisher wenig unternommen, um Warschau umzustimmen.

Wichtig für das Aufbrechen der Blockade in Doha wäre außerdem, daß die Entwicklungsländer Finanzmittel zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels erhalten. Bisher sind aber die zugesagten Gelder nur zu rund 20 Prozent wirklich neue Hilfen, hat eine Untersuchung der Hilfsorganisation Oxfam ergeben. Der Rest besteht aus umdeklarierter Entwicklungshilfe oder herkömmlichen Krediten, die zurückgezahlt werden müssen.

Der BUND fordert von Altmaier zudem, daß er in Doha zumindest eine feste Zusage über jene 1,2 Milliarden Euro abgibt, die im Bundeshaushalt ohnehin bereits für den internationalen Klimafonds eingeplant sind. »Die Menschen, die aufgrund von starken Unwettern, Dürren oder Hitzewellen schon jetzt ihre Lebensgrundlage verloren haben, brauchen Hilfe. Die Industriestaaten, die den Klimawandel hauptsächlich verursacht haben, müssen ihnen diese Unterstützung endlich gewähren«, fordert Schneider.

Allerdings werden die deutschen 1,2 Milliarden Euro nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein – aber auch eine wichtige Geste guten Willens. Weltweit werden zur Zeit in den Entwicklungsländern nach verschiedenen Schätzungen rund 75 Milliarden Euro jährlich benötigt, um die Schäden zu beheben, Küstenschutz zu betreiben sowie Landwirtschaft und Infrastruktur an den Wandel anzupassen.

Die EU-Umweltkommissarin Connie Hedegaard erhofft sich von den Ministergesprächen am heutigen Mittwoch, daß unter anderem die massiven Subventionen zur Sprache kommen, die weltweit für Förderung und Verbrauch von Kohle und Erdöl gezahlt werden. Diese sind in den letzten Jahren weiter gestiegen und werden für 2011 auf 383 Milliarden Euro geschätzt. Deutschland zahlt zum Beispiel jährlich etwas weniger als zwei Milliarden Euro für den Betrieb seiner letzten Steinkohlebergwerke, der 2018 auslaufen soll.

Derweil steigen die Treibhausgasemissionen weiter. In Doha hat dieser Tage auf der Klimakonferenz ein Team von Atmosphären-Wissenschaftlern, das sogenannte Global Carbon Project, die neuesten Zahlen vorgelegt. Demnach wurden bei der Zementherstellung sowie der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas und Erdölprodukten) 2011 rund 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. In diesem Jahr würden es voraussichtlich bereits 35,6 Milliarden Tonnen sein. Hinzu kommen jeweils weitere knapp 3,5 Milliarden Tonnen aus der Änderung der Landnutzung das heißt vor allem aus Entwaldung.

China ist inzwischen mit 9,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr der größte Emittent. Pro Kopf wurden dort 6,6 Tonnen im Jahr ausgestoßen. Die USA folgen an zweiter Stelle mit 5,5 Milliarden Tonnen CO2, haben aber einen jährlichen Pro-Kopf-Ausstoß von 18,3 Tonnen. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die EU, auf deren Konto 3,67 Milliarden Tonnen Emissionen im Jahr gehen, wovon knapp ein Viertel Deutschland mit seiner Pro-Kopf-Emission von fast zehn Tonnen zuzuschreiben ist.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 05. Dezember 2012


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