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Erzbischof Romero geehrt

Papst erkennt von Todesschwadron ermordeten Befreiungstheologe als Märtyrer an

Von Gerhard Feldbauer *

Jorge Mario Bergoglio, auch bekannt als Papst Franziskus, will in seiner zwischen reaktionärem Erbe und Öffnung zu Reformen lavierenden Politik offensichtlich ein weiteres Zeichen des Fortschritts setzen. Der Theologenrat der Heiligsprechungskongregation erkannte am Wochenende den im März 1980 von einer faschistischen Bande der Todesschwadron »Excuadron de la Muerte« ermordeten, damals 63jährigen Erzbischof von San Salvador, Óscar Arnulfo Romero y Galdámez, als Märtyrer an.

Mit Romero wird ein engagierter Begründer der in Lateinamerika noch heute lebendigen Befreiungstheologie geehrt. Die Erklärung verschweigt das. Sie begründet die Würdigung damit, dass Romero von den Squadroni della morte »aus Hass auf den Glauben« getötet wurde. Die Ehrung stellt die Vorstufe zur Beatifikation (Seligsprechung) dar, die wiederum Voraussetzung für eine Kanonisation (Heiligsprechung) ist.

Einem Bericht der Zeitung Avvenire, dem Organ der italienischen Bischofskonferenz, war zu entnehmen, dass eine Beatifikation 1990 bereits von der Diözese von San Salvador eingeleitet worden war. Aber unter Karol Józef Wojtyła, alias Papst Johannes Paul II., und seinem Chef der Glaubenskongregation und späterem Nachfolger, dem deutschen Kardinal Joseph Ratzinger – beide fanatische Feinde der Befreiungstheologie – wurde dies ignoriert.

Das Verfahren bedarf der Zustimmung von Franziskus, die als sicher gilt, da der Papst, selbst gebürtiger Lateinamerikaner aus Argentinien, persönlich die Wiederaufnahme anordnete. Laut Avvenire soll Bergoglio bereits 2014 anlässlich des im August 2017 bevorstehenden 100. Geburtstages Romeros ein dreijähriges Gedenken an dessen »Wirken als Erzbischof von San Salvador für die Benachteiligten« eröffnet haben.

Romero gehörte zu den maßgeblichen Begründern der Befreiungstheologie, die sich seit der Konferenz des dortigen Episkopats 1969 im kolumbianischen Medellín machtvoll auf dem Kontinent, wo knapp die Hälfte der Katholiken der Welt lebt, ausbreitete. Sie erhielt Auftrieb durch die nationalen Befreiungskämpfe, besonders deren Erfolge in Kuba und Nicaragua, aber auch durch den Versuch einer revolutionären Veränderung der Gesellschaft in Chile.

Die Befreiungstheologen gingen davon aus, dass Jesus Christus sein Werk der Erlösung »in Armut und Verfolgung« vollbrachte und die Kirche verpflichtet sei, den gleichen Weg zu gehen. Etliche lateinamerikanische Bischöfe standen mehr oder weniger offen an der Seite der kämpfenden Völker. Romero postulierte: »Es gibt welche unter uns, die Haus um Haus zusammentragen und Feld um Feld sich aneignen, bis sie allein das Land besitzen.« Er half den Kämpfern der Befreiungsfront »Farabundo Martí« (FMNL) mit Unterschlupf, Medikamenten und Nahrungsmitteln. Er verkündete, dass es nicht gegen Gottes Gebot verstoße, sich »auch mit den Mitteln der Gewalt gegen Repression zur Wehr zu setzen«.

Auf der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz 1979 im mexikanischen Puebla legte Romero den Appell »Basta Ya« vor, der den faschistischen Terror in seinem Land entlarvte. 50 Kardinäle und Bischöfe bekannten sich dazu.

Danach begann eine Hetzkampagne gegen Romero. Die von der CIA gelenkten Todesschwadronen drohten öffentlich mit der »Hinrichtung des Erzbischofs«. Der Rundfunksender der Diözese wurde gesprengt, in der Kathedrale wurden Bomben gelegt. Am 23. März 1980 verlas Romero in seiner Sonntagspredigt die Namen von 110 Terroropfern nur einer Woche. Er forderte die anwesenden Soldaten auf, nicht länger solche Mordbefehle auszuführen. Die Armeeführung bezichtigte ihn der »Aufhetzung zur Rebellion«. Am nächsten Tag trafen den Geistlichen die Kugeln der Mörder. Der damalige Papst Wojtyła nannte das Verbrechen zwar »eine kirchenschänderische Mordtat«, würdigte aber mit keinem Wort das Wirken des Erzbischofs für die Gedemütigten und Rechtlosen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 13. Januar 2015


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