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"Die Evangelische Kirche war und ist noch friedensfeindlicher" ...

... behauptet ein Leserbriefschreiber und belegt den Vorwurf auch

Im Folgenden dokumentieren wir einen Brief von Uwe Reinecke, den dieser als Replik auf einen kritischen Artikel in der Frankfurter Rundschau schrieb. Er wurde am 15. Januar in der FR auf der Leserbriefseite abgedruckt. Uwe Reinecke ist Mitarbeiter im Göttinger Friedensbündnis und gehört dem Bundesausschuss Friedensratschlag an.

Zu Verhasster Ostkontakt (FR vom 2. Januar 2002): Den in dem genannten Artikel niedergeschriebenen Aussagen zu Martin Niemöllers Moskau-Reise vor 50 Jahren kann ich nicht widersprechen, muss allerdings noch Ergänzungen anfügen. Die Situation der Evangelischen Kirche war und ist noch friedensfeindlicher als von Ihnen geschildert. Das Ökumenische Wort aus Amsterdam von 1948 spielt keine Rolle mehr. In Amsterdam hieß es damals noch "Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein." Im August des Jahres 1950 schrieb der Rat der EKD fest, "einer Remilitarisierung (Wiederbewaffnung) Deutschlands können wir das Wort nicht reden".

Gustav Heinemann, Martin Niemöller und einige andere nahmen das für bare Münze und forderten eine unzweifelhafte Umsetzung dieses Satzes im Reden und Handeln der Kirche und des Staates ein. Damit stießen sie nicht nur bei Konrad Adenauer auf großen Widerspruch. Auch und gerade die evangelischen Kirchen-Offiziellen kämpften nun gegen Martin Niemöller.

Der August-Beschluss wurde bereits im November des selben Jahres gekippt und nun redete der Rat der EKD nichts anderem das Wort als der schnellen Wiederbewaffnung (West-)Deutschlands.

Schlimmer noch: die Evangelische Landessynode Hannover beschließt im Oktober 1950, dass das Verhalten des Amtsbruders Niemöller als "unbrüderlich und verderblich" zu bezeichnen sei und dass dieses Verhalten und damit auch die Person Martin Niemöller zu "verurteilen" sei. Während des völkerrechtswidrigen Nato-Angriffskrieges gegen Jugoslawien schreiben die römisch-katholischen und die evangelischen Kirchenführer fast übereinstimmend, das sie sich "unseren Soldaten in besonderer Weise verbunden fühlen". Der Friedensbewegung fühlte man sich selbstverständlich nicht verbunden, schon gar nicht in "besonderer Weise". Da ist es auch nicht wichtig, dass die Kirchen nie stärker gefüllt waren, als die Kirchen sich der Friedensbe wegung anschlossen.

Auch die überfüllten Kirchen der DDR sind vergessen, als man noch gemeinsam "Schwerter zu Pflugscharen" umschmieden wollte. Heute wollen die Kirchenleitungen die Militärseelsorge bundesweit vom Verteidigungsminister bezahlen lassen, um die Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat zu dokumentieren. (Widersprüche in der Argumentation haben bei "Kirchens" Tradition.)

Die evangelische Hannoversche Landeskirche schmückt sich seit wenigen Jahren mit einer als "liberaler Friedensfreundin" geltenden Landesbischöfin. Weder die Landessynode noch Bischöfin Margot Käßmann hat den in der deutschen Kirchengeschichte einmaligen Vorgang der Verurteilung eines Kirchenführers durch eine andere Landeskirche mit Bedauern und der Bitte um Entschuldigung zurückgenommen. Martin Niemöller wird weiterhin von Hannover verurteilt.

Darüber hinaus fahren deutsche Militärpfarrer in Uniform in alle Welt und treten für das Ziel ein, "zukünftig zwei Kriege in verschiedenen Regionen führen zu können". An der Umstrukturierung der Bundeswehr sind die Kirchen aktiv beteiligt, der EKD-Synodalpräses Dr. Jürgen Schmude und fünf weitere Personen aus verschiedenen Religionsgemeinschaften gehörten der 14-köpfigen "Weizsäcker-Kommission" an. Die Bundeswehr soll laut Planung der Bundesregierung zukünftig "in allen Klimazonen der Erde" aktiv werden.

Wenn jetzt Frau Käßmann erklärt, dass "die Kirchen niemals Kirchen des Krieges, sondern immer Kirchen des Friedens" seien, dann muss sich das "Kirchenvolk" verulkt vorkommen.

Die Erkenntnis, "Menschenrechtsverletzungen und Terror lassen sich nicht durch das Maximum an Menschenrechtsverletzungen und Terror, also Krieg, bekämpfen," hat bei Kirchens zurzeit keinen offiziellen Charakter, sondern bildet nur ein apologetisches Lippenbekenntnis. Weiterhin werden Kriegszüge der Bundeswehr von Kirchen und Regierung gemeinsam feige und unredlich zur "Friedensarbeit" umdefiniert. Uwe Reinecke, Göttingen

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