"Mein Leben als Kindersoldatin"
Pressemitteilung von UNICEF zum Weltkindertag
China Keitetsi aus Uganda berichtet über ihre Kriegserfahrungen
20. September 2002
Erstmals hat eine ehemalige
Kindersoldatin ihre Erfahrungen in einem
Buch aufgeschrieben. Am Weltkindertag
(20.9.) erscheint die Biographie von China
Keitetsi „Sie nahmen mir die Mutter und
gaben mir ein Gewehr“ im Ullstein Verlag.
China Keitetsi wurde mit neun Jahren von
Rebellenkämpfern im Westen Ugandas
aufgegriffen, zur Soldatin ausgebildet und
in den Kampf geschickt. Über zehn Jahre
waren der Krieg und die Welt der Soldaten
ihre Heimat. Mit 19 Jahren gelang ihr
schließlich die Flucht. Mit Unterstützung
von UN-Organisationen fand China
Keitetsi in Dänemark eine neue Heimat,
wo sie ihre traumatischen Erfahrungen
niederschrieb. Das Buch der heute
26-Jährigen ist allen Kindersoldaten
gewidmet, für deren Befreiung und Schutz
sie sich einsetzt.
Anlässlich des Weltkindertages ruft
UNICEF zum verstärkten Einsatz gegen
den Missbrauch von Kindern als Soldaten
auf. In rund 40 Staaten der Erde kämpfen
nach Schätzungen von UNICEF immer
noch über 300.000 Jungen und Mädchen
in Regierungsarmeen oder bewaffneten
Gruppen; die meisten davon auf dem
afrikanischen Kontinent. Der Missbrauch
von Kindern für den Krieg ist eine der
schwersten Menschenrechtsverletzungen.
Die Kinder tragen physische und
psychische Schäden davon. Sie werden
misshandelt, unter Drogen gesetzt, in
Kampfeinsätze gejagt und zu entsetzlichen
Gewalttaten gezwungen. Auch wenn es
ihnen gelingt, dem Kriegsdienst zu
entkommen, leiden sie ihr Leben lang
unter den traumatischen Erfahrungen.
Die meisten Kindersoldaten gibt es in
Afrika. Über 120.000 Kinder und
Jugendliche sind dort bei Armeen und
Rebellen im Einsatz. Besonders
schwerwiegend ist das Problem in den
Ländern Angola, Burundi,
Kongo-Brazzaville, in der Demokratischen
Republik Kongo, in Liberia, Ruanda, Sierra
Leone, Sudan und Uganda.
Kindheit an der Waffe
Allein in Uganda, dem Heimatland von
China Keitetsi, wurden in den
vergangenen zehn Jahren rund 10.000
Kinder und Jugendliche von der
sogenannten „Lord‘s Resistance Army“
(LRA) entführt. Über 5.000 von ihnen
werden bis heute vermisst. Die
Guerilla-Armee operiert im Norden des
Landes, von wo sie die Kinder in Lager im
Süd-Sudan verschleppt. Viele sterben auf
dem Weg an Krankheiten und
Erschöpfung. Die Kinder werden als
Kämpfer, Wachposten und Sexsklaven
benutzt. Um sie in das Söldnerleben zu
zwingen, werden sie häufig einem
grausamen Initiationsritus unterworfen.
Sie werden zum Beispiel gezwungen,
andere Kinder, die versuchten zu fliehen,
zu Tode zu schlagen oder zu hacken.
Im Juni diesen Jahres ließen die
LRA-Rebellen nach schwierigen
Verhandlungen rund 100 Kinder und
Frauen frei und übergaben sie UNICEF.
Sie wurden in zwei Übergangszentren in
Gulu gebracht. Dort erhalten sie Nahrung
und medizinische Hilfe. Gleichzeitig wurde
ihre Identität festgestellt und die Suche
nach Angehörigen gestartet.
Auch in anderen Ländern zeigen
Bemühungen zur Demobilisierung von
Kindersoldaten Erfolg. Im vergangenen
Jahr hat UNICEF im Sudan rund 4.400
Kindersoldaten aus Kampfgebieten
ausgeflogen und anschließend wieder mit
ihren Familien zusammengebracht. In
Sierra Leone konnten in den
zurückliegenden zwei Jahren zwei Drittel
der rund 10.000 Kinder, die während des
Bürgerkriegs entführt und zum Kämpfen
gezwungen wurden, in ihre Familien
zurück- oder in Pflegefamilien
untergebracht werden.
Opfer und Täter zugleich
Trotz dieser Erfolge und internationaler
Ächtung ist aber für viele Truppenführer in
Afrika der Einsatz von Kindersoldaten
weiter attraktiv. Denn Kinder gelten als
wagemutig und leicht manipulierbar.
Tausende werden deshalb
zwangsrekrutiert. Oft melden sie sich auch
freiwillig, weil sie beim Militär versorgt
werden oder die Sicherheit einer Gruppe
suchen. An Straßensperren dienen sie
Erwachsenen als menschliches
Schutzschild und müssen sich als erste
unter Lebensgefahr den Autos nähern. Sie
müssen Munition oder Nahrung tragen,
sind beliebt als unauffällige Spione oder
Boten. Sobald sie eine Waffe tragen
können, werden sie als Kämpfer
eingesetzt. Bei vielen Gräueltaten stehen
die Kinder und Jugendlichen unter dem
Einfluss von Drogen oder Alkohol.
Besonders hart ist das Leben weiblicher
Kindersoldaten: Sie werden oft zusätzlich
zum Soldatendienst den Kämpfern als
Sexsklaven zugeteilt.
UNICEF-Hilfe für ehemalige
Kindersoldaten
UNICEF unterstützt in verschiedenen
Ländern Afrikas Programme zur
Demobilisierung und Wiedereingliederung
von Kindersoldaten, so in Uganda, Sudan,
Liberia, Sierra Leone und der Republik
Kongo. Doch dies ist nicht einfach: Die
meisten dieser Kinder sind nie zur Schule
gegangen und haben keine Ausbildung.
Oft werden sie in ihren Heimatdörfern
abgelehnt, da sie für entsetzliche
Grausamkeiten verantwortlich gemacht
werden. Wenn der Druck des
Soldatenlebens von ihnen abfällt, kommen
die seelischen Wunden zum Vorschein:
Alpträume, Angstzustände, Depression,
Aggressivität sowie psychosomatische
Beschwerden. Mädchen haben oft Jahre
des Missbrauchs hinter sich und sind
bereits Mütter. Ein wichtiger Bestandteil
der Hilfsprogramme ist deshalb die
Ausbildung von Menschen, die mit diesen
Problemen umgehen können. Weiter
versucht UNICEF, ehemaligen
Kindersoldaten durch Schulunterricht und
spezielle Ausbildungsangebote den Weg
zurück in ein normales Leben zu ebnen.
UNICEF fordert: Keine Soldaten unter 18
Am 12.2.2002 trat nach langjährigen
Verhandlungen das Zusatzprotokoll zur
UN-Kinderrechtskonvention über die
Beteiligung von Kindern an bewaffneten
Konflikten in Kraft. Es verbietet den
Kriegseinsatz von Kindern und
Jugendlichen unter 18 Jahren. Bis heute
haben es 109 Staaten unterzeichnet;
allerdings wurde es erst von 35 Ländern
ratifiziert. Deutschland hat das
Zusatzprotokoll zwar am 6.9.2000
unterschrieben, doch bis heute nicht
ratifiziert. UNICEF ruft die Bundesregierung
auf, endlich das Zusatzprotokoll zu
ratifizieren und damit ein Signal an
Kriegsherren und Konfliktparteien zu
senden.
Bei Rückfragen und Interviewwünschen
wenden Sie sich bitte an die
UNICEF-Pressestelle, Rudi Tarneden,
Durchwahl 0221/93650-235 oder 315
NGO forden: Wahlkampf nicht auf Kosten von Kindern!
Zum Weltkindertag am 20. September
ngo-online/19.09.2002 - Die National Coalition, PRO ASYL, der
Bundesfachverband UMF und der Flüchtlingsrat
Berlin e. V. fordern die Bundesregierung mit Nachdruck auf, die
UN-Kinderrechtskonvention umzusetzen und
die bei der Unterzeichnung der Konvention niedergelegten Vorbehalte
gegenüber Flüchtlingen
zurückzunehmen. Anlässlich des Weltkindertages am 20. September solle
die Bundesregierung ihre
Versprechen umsetzen. Beim Weltkindergipfel im Mai dieses Jahres in
New York habe sie die schnelle
Aufstellung eines nationalen Aktionsplanes angekündigt. Das
unterzeichnete Abschlussdokument fordert
eine weltweite Verbesserung der Rechte von Kindern. Eine zentrale
Forderung ist auch, die Verpflichtung, alle
Vorbehalte zurückzunehmen.
Dr. Jörg Maywald, stellvertretender Sprecher der National Coalition,
einem Netzwerk von 100
Nichtregierungsorganisationen unter Rechtsträgerschaft der
Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, erklärte: "Die
Aufrechterhaltung des Vorbehalts führt dazu, dass internationale
Standards für Flüchtlingskinder in Deutschland
immer noch nicht gelten. Das hat für sie einschneidende negative
Folgen: So werden sie bereits mit 16 Jahren
nach dem deutschen Ausländerrecht verfahrensmündig, sie können in
Abschiebegefängnissen inhaftiert werden,
Flüchtlingskinder unterliegen mit ihren Familien auch dem
Asylbewerberleistungsgesetz mit seinen restriktiven
Bestimmungen. Damit sind Gefahren von Mangelernährung, unzureichender
medizinischer Versorgung,
Ausgrenzung im Erziehungs- und Ausbildungsbereich und Ausschluss vom
gesellschaftlichen Leben verbunden.
All dies widerspricht den Artikeln 2 und 3 der
UN-Kinderrechtskonvention, in denen ein
Nichtdiskriminierungsgebot und der Vorrang des Kindeswohls festgelegt
sind."
Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Flüchtlinge, PRO ASYL, übte scharfe
Kritik am Umgang der deutschen Politik mit den Problemen von
Kinderflüchtlingen: "Dass das Parlament trotz
dringenden rechtspolitischen Handlungsbedarfs, trotz dreifacher
Aufforderung des deutschen Bundestages, und
trotz positiver Entscheidung des Petitionsausschusses in dieser
Legislaturperiode noch immer keinen Fortschritt
bei der Durchsetzung der völkerrechtlichen Bestimmungen für
Flüchtlingskinder verzeichnen konnte, ist für die
Parteien insgesamt ein Armutszeugnis."
Es sei aber vor allem auch Ausdruck des eklatanten politischen
Versagens und der Missachtung des Parlaments
durch den zuständigen Bundesinnenminister Otto Schily, der sich dem
demokratischen Willen und den
Aufforderungen der Volksvertretung versperre und ihre Entscheidungen
konterkariere.
Wie notwendig die Verwirklichung von Kinderrechten ist, machen
skandalöse Entwicklungen in diesem Jahr
deutlich: in Hamburg finden willkürliche Altersfestsetzungen von
Minderjährigen mit fatalen Folgen statt. In Berlin
sitzen weiterhin Flüchtlingskinder ohne Eltern in Abschiebehaft, in
Bayern droht Minderjährigen im Rahmen des
Dubliner Übereinkommens die Kettenabschiebung nach Afghanistan;
Hamburg plant die Errichtung des ersten
Abschiebegefängnisses für Flüchtlingskinder in Deutschland.
Aktueller Ausdruck aus der Internet-Zeitung www.ngo-online.de; 20.09.2002
UNICEF-Schirmherrin Christina Rau zum Weltkindertag am 20. September:
„Kinder zuerst“
UNICEF hat den Weltkindertag 2002 unter
das Motto „Kinder zuerst“ gestellt. Denn bis
heute werden weltweit trotz zahlreicher
internationaler Verträge und
Schutzbestimmungen elementare Rechte
von Kindern verletzt. So müssen allein 250
Millionen Kinder zwischen fünf und 14
Jahren arbeiten, um zu überleben. Über 60
Millionen von ihnen werden als
Zwangsarbeiter, Schuldknechte,
Kindersoldaten oder Prostituierte
ausgebeutet. „Millionen Kindern fehlt jede
Möglichkeit, etwas zu lernen und ihre
eigene Zukunft zu gestalten“, sagte
UNICEF-Schirmherrin Christina Rau.
„Kinder werden als erste ausgebeutet,
aber als letzte gefragt.“ Fast alle Staaten
hätten sich mit der Unterzeichnung der
UN-Kinderrechtskonvention dazu
verpflichtet, das Kindeswohl vorrangig zu
berücksichtigen, sagte Christina Rau:
„Aber zwischen der weltweiten Akzeptanz
der Kinderrechte und ihrer Umsetzung
klafft nach wie vor eine tiefe Lücke.“
Deutschland ist nur eingeschränkt
kinderfreundlich
UNICEF weist darauf hin, dass es auch in
Deutschland erhebliche Lücken bei der
Umsetzung der Kinderrechte gibt. So
müssen viele in Deutschland lebende
Flüchtlingskinder Benachteiligungen im
Asylverfahren sowie beim Zugang zu
Bildung und bei der
Gesundheitsversorgung hinnehmen. „Bis
heute gelten in Deutschland die
Kinderrechte nur eingeschränkt“, sagte der
Vorsitzende von UNICEF-Deutschland,
Reinhard Schlagintweit. Er rief die nächste
Bundesregierung dazu auf, in der
kommenden Legislaturperiode die
Vorbehalte gegen die
Kinderrechtskonvention endlich
zurückzunehmen. „Wir müssen die
Politiker daran messen, was sie für Kinder
konkret tun. Es ist höchste Zeit, dass aus
internationalen Verträgen und öffentlichen
Bekenntnissen nachprüfbare Politik wird.“
Weitere
Informationen sowie die neue UNICEF-
Kinder-Homepage finden Sie unter
www.unicef.de.
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