Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wie freiwillig ist "freiwillig?"

terre des hommes veröffentlicht Studie "Jugendliche - Warum sie Soldat werden" - Presseerklärung und Interview mit einer Autorin

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung von terre des hommes vom 15. Juni 2004 sowie einen Auszug aus der dabei vorgelegten neuen Studie über Kindersoldaten.


Pressemitteilung

Wie freiwillig ist "freiwillig?"
terre des hommes veröffentlicht Studie "Jugendliche - Warum sie Soldat werden"

Kriegssituation lässt Jugendlichen oft keine Wahl


Osnabrück, 15. Juni 2004
Was ist die Motivation von Jugendlichen, sich in Kriegs- und Krisengebieten freiwillig den bewaffneten Gruppen anzuschließen? Diese Frage untersucht die Studie "Jugendliche - Warum sie Soldat werden", die das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk terre des hommes und die Quäker-Hilfe Stiftung vorgestellt haben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass auch die Freiwilligkeit von Jugendlichen, die weder verschleppt noch zwangsrekrutiert werden, oftmals nur eine vermeintliche ist. Die meisten Jugendlichen, die diesen Schritt gehen, befinden sich in einer Situation, die ihnen kaum eine andere Möglichkeit lässt.
"Ein Kind, dessen Familie ermordet wurde und das keine Chance auf Arbeit oder Schule hat, wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit freiwillig einer bewaffneten Gruppe anschließen", so terre des hommes-Experte Andreas Rister. "Problematisch kann dadurch auch eine Demobilisierung werden. Wer zwangsrekrutiert wurde, wird diese als Befreiung empfinden", ergänzte Dr. Martin Kunz, Vorstandsmitglied der Quäker-Hilfe Stiftung. "Doch bei jemandem, der sich freiwillig gemeldet hat, weil er beispielsweise keine Arbeit gefunden hat, ist die Gefahr groß, dass er wieder zur Waffe greift." Andreas Rister schloss sich dem an: "Deswegen muss bei einer Demobilisierung auch stets darauf geachtet werden, die Faktoren, die diese Freiwilligkeit begünstigen, zu beeinflussen, also beispielsweise den Jugendlichen eine Ausbildung oder den Schulbesuch zu ermöglichen."
terre des hommes fördert seit vielen Jahren Hilfsprojekte für ehemalige Kindersoldaten und setzt sich dafür ein, die Altersgrenze für Rekrutierung weltweit auf 18 Jahre anzuheben. Für die Studie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wurden auf mehreren Kontinenten Interviews mit Jugendlichen geführt, die sich selbst als Freiwillige bezeichneten. Die Studie wurde nun unter dem Titel "Jugendliche - Warum sie Soldat werden" von terre des hommes auf Deutsch herausgegeben.

Warum schließen sich Jugendliche bewaffneten Gruppen und Armeen an?

Interview mit Rachel Brett, Mitautorin des Buches "Young soldiers: Why they choose to fight"

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview, das sich in der Broschüre "Jugendliche. Warum sie Soldat werden" (hrsg. Von terre des hommes und der Quäker-Hilfe Stiftung, 2004) befindet. Wir haben sie der Homepage von terre des hommes entnommen: www.tdh.de.

Rachel Brett ist Beauftragte für Menschenrechte und Flüchtlinge im UN-Büro der Quäker in Genf und Mitglied des Steering Committee der Coalition to Stop the Use of Child Soldiers (CSC). Sie ist anerkannte Expertin zum Thema der Rekrutierung von Jungen und Mädchen als Kindersoldaten. Das Interview wurde im Newsletter der Internationalen Coalition to Stop the Use of Child Soldiers im Januar 2004 veröffentlicht. Jährlich erscheinen drei Ausgaben dieses Newsletters, er ist auf Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch erhältlich. Auf Deutsch kann er elektronisch unter www.Kindersoldaten.de abonniert werden.

CSC: Rachel, oftmals werden Heranwachsende als die am wenigsten gefährdete Gruppe unter den Kindersoldaten betrachtet. Sie werden angesehen als Personen mit vielfachen Fähigkeiten, die für sich selbst entscheiden können, ob sie sich einer bewaffneten Gruppe anschließen oder nicht. Für viele Menschen haben sie bei der Befassung mit Kindersoldaten keine Priorität. Warum glauben Sie, daß die Durchführung einer Studie über die Frage der freiwilligen Teilnahme von Heranwachsenden an bewaffneten Konflikten gerade zum jetzigen Zeitpunkt notwendig war?

Rachel Brett: Aus genau den Gründen, die Sie angeführt haben: es gibt die Tendenz, sich auf verschleppte Kinder zu konzentrieren und dabei besonders auf junge verschleppte Kinder. Es ist natürlich sehr wichtig, die Entführungen zu beenden und junge Kinder unter sicheren Umständen zu entlassen. Trotzdem - die Mehrheit aller Kindersoldaten hat die Pubertät bereits hinter sich, und viele von ihnen sind nicht verschleppt worden. Zudem werden die Anstrengungen zur Demobilisierung von Kindern und ihre Entfernung aus den bewaffneten Gruppen oder sonstigen Streitkräften nicht wirksam werden, solange die Gründe, warum sie sich anschlossen, nicht angegangen werden. Es ist daher notwendig, daß wir dies von den Jugendlichen selbst erfahren. Sobald wir diese Gründe verstehen können wir sie angehen. Wir werden dann sowohl in der Lage sein, bessere, effektivere, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramme mit Langzeitwirkung zu planen wie auch zuallererst Wege zu identifizieren, wie Jugendliche davon abgebracht werden können, sich freiwillig zu melden oder diese Bereitschaft zumindest zu reduzieren. Zu guter Letzt: Heranwachsende sind in einer besonders entscheidenden Phase ihrer Entwicklung. Sie haben größere Möglichkeiten der Reflexion und können besser als jüngere Kinder eigenständig handeln, trotzdem sind sie aber noch sehr verletzlich - körperlich, mental und emotional. Der beste Beweis ist die Tendenz zu hohen Selbstmordraten in dieser Altersgruppe.

CSC: Sie argumentieren, daß es keine monokausalen Erklärungen gibt, warum Heranwachsende freiwillig in die bewaffneten Gruppen gehen. Sie beschreiben, daß der wichtigste Faktor der Krieg selbst sei. Welche anderen Gründe haben Sie als entscheidend identifiziert? Haben Sie bei der Analyse der verschiedenen Fallstudien Überraschungen erlebt?

R.B: Die anderen wesentlichen Faktoren sind Armut, Ausbildung oder besser das Fehlen einer solchen, fehlende Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten, also das Fehlen von tragfähigen Alternativen, und die Familien. Wenn ich zurückblikke, gab es gab eine ganze Reihe von Überraschungen, obwohl ich immer wieder überrascht bin, daß die meisten der Erkenntnisse im Nachhinein so offensichtliche scheinen. Die größte davon war, welche entscheidende Rolle die Familie spielt. Bereits frühere Untersuchungen (für die Graça Machel Studie über Kinder in bewaffneten Konflikten) haben gezeigt, daß Kinder ohne Familien besonders in Gefahr sind, rekrutiert zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie ständig oder nur zeitweise getrennt sind. Diese Untersuchung hat gezeigt, daß sehr viele Heranwachsende aus einer häuslichen Situation fortlaufen, in der sie sich mißbraucht ausgebeutet fühlen. Dieser Zusammenhang war besonders stark bei den Mädchen, spielte aber auch bei den Jungen eine wichtige Rolle. Andererseits werden Kinder auch von manchen Familien ermutigt, sich direkt oder indirekt am bewaffneten Kampf zu beteiligen. Von Kindern, die aus Militärfamilien stammen (ob aus regulären Streitkräften oder bewaffneten Gruppen) wird die Beteiligung möglicherweise erwartet, ohne daß sie in besondere Weise von der Familie dazu gedrängt werden. Besonders Jungen können sich von der Familie oder der Gesellschaft zum Kämpfen gedrängt fühlen, und daß eine Weigerung negative Auswirkungen auf die Familie und besonders den Vater haben würde. Manche Mädchen hingegen wollen Gleichwertigkeit mit ihren Brüdern beweisen und melden sich deshalb. Auch der familiäre Hintergrund kann dazu beitragen, daß junge Menschen, die noch nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen oder Schulprobleme haben, den Beitritt zu bewaffneten Streitkräften in Erwägung ziehen. Andere, ohne militärischen Hintergrund, hätten dies gar nicht als mögliche oder erstrebenswerte Option in Erwägung gezogen.

CSC: Warum, glauben Sie, wurde bisher die Familie als Faktor der Rekrutierung von freiwilligen Heranwachsenden übersehen? Und wie schätzen Sie das Verhältnis zu anscheinend gegenläufigen Faktoren wie Abwesenheit von Familie oder Trennung von Verwandten während eines Konflikts ein?

R.B: Ich glaube, der Hauptgrund war, daß Außenstehende die Frage entschieden haben, warum sich die Jugendlichen freiwillig gemeldet haben. Das kann dazu geführt haben, daß in erster Linie externe Faktoren wahrgenommen wurden, statt die Kinder und jungen Leute selbst zu befragen. Bei einer Betrachtung des Problems von außen ist erkennbar, ob die Jugendliche von den Eltern getrennt sind oder nicht, ob sie in Armut leben oder nicht. Auf diese Weise kann man dann die externen Faktoren identifizieren. Man kann mit dieser Methode aber nicht ermitteln, wie sie sich fühlen; wie sie die verschiedenen Einflüsse abwägen, und wie sie ausdrücken, was sie letztlich wirklich zur Entscheidung führte oder auch drängte. Deswegen ist auch die Rolle der Freundesgruppe besser dokumentiert, weil man einfacher feststellen oder überprüfen kann, ob ein Kind allein, mit einem Familienmitglied oder mit einer Gruppe von Freunden beigetreten ist. Es würde aber sehr viel schwieriger sein, Feststellungen über die innere Dynamik einer Familie zu treffen - Probleme des physischen oder sexuellen Mißbrauchs, Gefühle der Isolation, Ablehnung, Marginalisierung oder Ausbeutung. Dies ist nicht möglich ohne Tiefeninterviews, wenn der Interviewte in der Lage und bereit ist, solche intimen und persönlichen Informationen preiszugeben.

CSC: Einige zur Rekrutierung führende Faktoren sind bereits vor Ausbruch eines Krieges vorhanden, z. B. Armut, häusliche Gewalt oder Diskriminierung in der Ausbildung. Gibt es eine verborgene Botschaft für Länder, in denen es derzeit zwar keinen Konflikt gibt, wo aber die Voraussetzungen für die Rekrutierung von Heranwachsenden bereits gefördert und geschaffen werden? Welche Indikatoren gibt es für eine wirksame Prävention?

R.B. Es gibt tatsächlich eine Botschaft für diejenigen, die noch keinen bewaffneten Konflikt haben, aber auch für Staaten, die ihn gerade überwunden haben und nicht wollen, daß die Situation sich wiederholt. Die Erkenntnisse der Untersuchung sind eigentlich augenfällig, Gegenmaßnahmen aber sind sehr schwierig umzusetzen. Junge Leute neigen dann nicht dazu, sich an einem Konflikt zu beteiligen, wenn sie (1) in einer glücklichen, unterstützenden, stabilen Umgebung aufwachsen. Sie darf nicht so verarmt sein, daß den Kindern der Schulbesuch verwehrt wird, oder sie gezwungen sind, auf den Schulbesuch zu verzichten, weil sie arbeiten oder den Haushalt führen müssen, damit die Eltern arbeiten können. (2) Wenn sie die Schule besuchen, muß diese eine Ausbildung bieten, die sie interessiert, ihnen spätere Berufsaussichten eröffnet und in einer Umgebung stattfindet, in denen sie weder von Lehrern noch anderen Schülern erniedrigt, gedemütigt oder körperlich mißbraucht werden. (3) Sie müssen zudem in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne sich offiziellen oder irregulären bewaffneten Gruppen anzuschließen. Dies sollte man übrigens nicht nur als positiv für die Kinder und jungen Leute ansehen, sondern genauso als wesentlichen Faktor beim Aufbau einer friedlichen Gesellschaft, weil sie dann nicht mehr so anfällig sind für Aufforderungen der bewaffneten Splittergruppen. Dies trifft natürlich in einem weiteren Sinne ebenso für städtische Jugendgangs und Jugendgewalt zu.

CSC: In immer mehr Konflikten sind Zivilisten beteiligt, ökonomischer Niedergang, sozialer und familiärer Druck und Vertreibungen sind Faktoren, die Rekrutierungen erleichtern und fördern. Glauben Sie, daß die Zahlen der Heranwachsenden, die sich freiwillig melden, in naher Zukunft zwangsläufig steigen müssen?

R.B: Ich glaube nicht, daß es unvermeidlich ist. Tatsächlich ist es eher erstaunlich, wie wenig Kinder und Jugendliche sich beteiligen, selbst unter den gegebenen Umständen. Daraus ergeben sich zwei Schlußfolgerungen. Zum einen: Die Zahlen würden drastisch sinken, wenn man die Verantwortlichen durch nationale und internationale Gerichte zur Verantwortung ziehen würde. Derzeit glaubt keiner der Befehlshaber, daß er für die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern bestraft werden kann. Zum anderen: nicht alle Jugendlichen, selbst wenn sie besonders gefährdet sind und unter Umständen leben müssen, die wir als besonders risikoreich identifiziert haben (arme Familien, Leben in einer Kriegszone, keine Schule oder Arbeit und ohne Familie, oder mit eine Familie, in denen sie mißbraucht werden), schließen sich dem Kampf an. Daher wird alles, was diese Faktoren positiv beeinflußt, auch die Zahlen reduzieren. Am wichtigsten ist es, die Situation vom Standpunkt der Jugendlichen aus zu betrachten, ihnen gangbare Alternativen aufzuzeigen und Unterstützung zu geben.

CSC: Sie vertreten auch die Ansicht der Coalition to Stop the Use of Child Soldiers, daß das "Straight 18" Prinzip aufrechterhalten werden muß . Wie kann man im Licht der Erkenntnisse des Buches dieses Prinzip am besten verteidigen?

R.B: Es haben sich in den letzten Jahren zwei wesentliche Veränderungen ergeben, nicht nur im rechtlichen Bereich, sondern auch in der öffentlichen Meinung. Dies ist die Meinung, daß niemand unter 18 gezwungen werden darf, in bewaffnete Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen einzutreten (einschließlich der Wehrpflicht in Regierungsarmeen) und daß niemand unter 18 Jahren in Kampfeinsätze geschickt werden darf. Es ist heute kaum noch zu glauben, daß noch vor wenigen Jahren eine ganze Reihe von Regierungen fest die Ansicht vertreten haben, daß der Einsatz von unter 18- Jährigen im Kampf völlig in Ordnung sei. Als einzige Rechtsfrage ist verblieben, ob es Regierungen erlaubt sein soll, Freiwillige im Alter zwischen 16 und 18 für ihre Streitkräfte anzuwerben oder nicht. In diesem Zusammenhang wurden übrigens die "kulturellen Unterschiede" zwischen Industriestaaten und dem Rest der Welt überstrapaziert, wenn man bedenkt, daß in erster Line solch "entwickelte" Länder wie das Vereinigte Königreich, die USA, Kanada, Neuseeland, die Niederlande (und die früheren britischen Kolonien in Südasien) darauf bestanden haben, unter 18-Jährige zu rekrutieren und auch überhaupt keinen Grund gesehen haben, sie nicht in Kampfeinsätze zu schicken. In vielen Entwicklungsländern sind sie Schwierigkeiten allerdings anders gelagert, dort gibt es mehr Probleme mit der Durchsetzung der Altersgrenze, die Gründe liegen in fehlenden Geburtsregistern und der Tatsache, daß der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein nicht so sehr vom Kalender als von anderen Faktoren bestimmt wird. Diese Untersuchung zeigt, daß viele der Befragten, obwohl sie sich selbst als Freiwillige definierten, dies bei objektiver Betrachtung nicht sind. Wenn man beispielsweise erleben mußte, wie ein Freund erschossen wurde, weil er sich nicht gemeldet hat, dann bleiben erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Entscheidung des Interviewten. Viele, die sich im Augenblick der Entscheidung freiwillig meldeten, wollten bald darauf wieder gehen, konnten es aber nicht. Handelt es sich um eine unwiderrufliche Entscheidung oder müßte es nicht möglich sein, sie rückgängig zu machen, wenn man die Realität erkannt hat? Viele wurden einfach mitgerissen von den Kämpfen, die durch ihr Dorf tobten oder in ihrer Stadt stattfanden, anstatt eine bewußte Entscheidung zu treffen. Die meisten bedauern, worauf sie sich eingelassen haben, sie fühlen sich in einer ausweglosen Situation gefangen, weil sie so viel Schlimmes durchmachen mußten oder was sie verpaßt haben (das Gefühl von verschwendeten Jahren). Man muß daran erinnern, daß sich die "Straight 18" - Regel an die Rekrutierer richtet, nicht an die Jugendlichen selbst. Deshalb verurteile ich die Kinder und Jugendlichen nicht, die sich freiwillig melden - besonders dann, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen oder weil es ihnen angesichts ihrer Lebensumstände als beste Möglichkeit erscheint: das Mädchen, das hofft, sich besser vor Vergewaltigung schützen zu können, wenn sie eine Waffe hat, anstatt ohne Waffe wehrlos zu Hause zu sitzen oder der Junge, dessen Eltern getötet wurden und der jetzt seine Geschwister verteidigen oder versorgen will. Außerdem: um Demobilisierungsprogramme und Reintegrationsstrategien erfolgreich planen zu können, muß man die Motive begreifen und berücksichtigen, warum diese jungen Leute diesen Weg gegangen sind, daß sie auf diese Weise versuchten, ihr Leben in den Griff zu bekommen und Verantwortung zu übernehmen. Oft war dies erfolgreich und sie zeigten damit Mut und Verantwortungsgefühl unter Lebensumständen, die keinem Kind oder jungem Menschen zugemutet werden dürften. Die Vorstellung, sie seien Objekte, für die ohne ihre Beteiligung Entscheidungen getroffen werden könnten, ist falsch. Wir sollten ihnen Möglichkeiten eröffnen, sie ermutigen und unterstützen, damit sie ihre Zukunft auch in Friedenszeiten gestalten können.

CSC: Sie haben sich intensiv mit der Situation von Mädchensoldaten und ihrer besonderen Probleme beschäftigt. Welche Hauptgründe sind zu berücksichtigen, warum sich weibliche Heranwachsende freiwillig zu bewaffneten Gruppen melden? Und wie verläuft im Unterschied zu männlichen Heranwachsenden ihre Demobilisierung und Reintegration?

R.B: Es gibt ein spezielles Kapitel mit zusätzlichen Forschungsergebnissen zu diesem Thema. Eine der Haupterkenntnisse ist, daß Mädchen oft vor häuslicher Gewalt, Ausbeutung oder sexuellem Mißbrauch ausreißen. Einige finden Zuflucht und Bestärkung in den bewaffneten Gruppen, andere hingegen erfahren, daß sie weiter ausgebeutet werden. Bei der Demobilisierung jedoch ist dies unerheblich, denn sie werden normalerweise in eine Gesellschaft "reintegriert", die ihre Haltung zu Mädchen und ihre Rolle in der Gesellschaft nicht verändert hat, so daß Mißbrauch und Ausbeutung weiterhin wahrscheinlich sind. Hinzu kommt, daß viele von der Demobilisierung ausgeschlossen werden, weil sie nicht als "echte Soldaten", sondern als Marketenderinnen, Ehefrauen oder Sexsklavinnen angesehen werden, obwohl alle der von uns interviewten Mädchen mitgekämpft haben.

Aus:
Jugendliche. Warum sie Soldat werden.
Hrsg. Von terre des hommes und der Quäker-Hilfe Stiftung, 2004.

Hier geht es zu einer pdf-Fassung der gesamten Broschüre: Jugendliche. Warum sie Soldat werden.

Die Broschüre selbst ist ein übersetzter Auszug aus:
"Young soldiers: Why they choose to fight", by Rachel Brett and Irma Specht, 2004;
International Labour Organization and Lynne Rienner (ISBN 92-2-113718-X);
Kontakt: ILO Publications, 4 route des Morillons, CH-1211 Geneva 22, Switzerland
Fax: (+41) 22 799 6938, Email: pubvente@ilo.org
Bestellung online: www.ilo.org/publns


Weitere Beiträge zum Thema "Kindersoldaten"

Zurück zur Homepage