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Kindersoldaten: Eine rote Hand gegen die "Operation Eiserne Faust"

Tragödie im Süden Sudans und in Uganda - Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft

Im Folgenden dokumentieren wir einen Aktionsappell der "Coalition To Stop the Use of Child Soldiers".


Im Süden Sudans findet eine Tragödie statt, ein Beleg für den Horror, dem Kindersoldaten ausgesetzt sind. Unter dem Namen "Operation Iron Fist" versuchen ugandische Kampfeinheiten mit sudanesischer Unterstützung die Lord's Resistence Army (LRA) zu vernichten. Tausende von verschleppten Kindern wurden gezwungen, sich an Gräueltaten und militärischen Kampfhandlungen zu beteiligen. Obwohl sie Kinder sind, werden sie dennoch als Soldaten oder sogar Terroristen angesehen und damit zu legitimen militärischen Angriffszielen. Ergebnis ist eine humanitäre Katastrophe, denn sowohl der UN wie auch anderen internationalen Hilfsorganisationen wird der Zugang zu den Kindern in den betroffenen Gebieten verwehrt. Diese Situation verdeutlicht die doppelte Bedrohung, der sich Kindersoldaten ausgesetzt sehen - sie werden zum Kampf gezwungen und wegen ihrer Beteiligung Ziel von Angriffen. Dabei sollten sie gerettet und beschützt werden.

Der Einsatz von Kindersoldaten durch die Kriegsparteien (1)

Alle Kriegsparteien im südlichen Sudan haben Kinder rekrutiert und setzen diese auch weiterhin bei den Feindseligkeiten ein.

Die von Joseph Kony geführte LRA operiert vom Sudan aus (bis vor kurzem noch mit der Unterstützung und des Schutzes der sudanesischen Regierung). Seit 1987 wurden durch die LRA ca. 10.000 Kinder aus Norduganda verschleppt, um sie als Krieger, Dienstgehilfen, Sexsklaven, Träger und Spione einzusetzen. Es wird angenommen, dass Tausende von ihnen in der Gefangenschaft starben, einige wenige konnten entkommen. Laut Schätzung von UNICEF ist der Aufenthalt von 5106 Kindern ungeklärt. LRA Kinder sind sexueller, psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt. Sie werden gezwungen bis zur Erschöpfung zu marschieren, sie kämpfen an vorderster Front und sind verpflichtet andere Kinder zu töten, die zu flüchten versuchen.

Entgegen den Bestimmungen der nationalen Gesetzgebung und den internationalen Verpflichtungen Ugandas werden weiterhin Kinder durch die Uganda's People Defence Forces (UPDF), Local Defence Forces (LDUs) sowie die zur Unterstützung der Oppositionsgruppen im Osten Kongos entsandten Einheiten rekrutiert. Paradoxerweise findet die Rekrutierung meist innerhalb der so genannten "geschützten Dörfer" in Norduganda statt, die als Antwort auf die permanenten Entführungen durch die LRA errichtet wurden. (2) Außerdem hat Uganda Tausende kongolesische Rekruten, darunter auch Kinder, ausgebildet und militärisch ausgerüstet.

1997 verpflichtete die sudanesische Regierung alle Jungen zwischen 17 und 19 Jahren zu einem 12- bis 18-monatigen Militärdienst. Nur dann erhielten sie den Schulabschluss, welcher unabdingbar für den Universitätsbesuch ist. Die Regierungstruppen haben lange Zeit Paramilitärs und Oppositionsfraktionen unterstützt, von denen bekannt ist, dass sie Kinder schon im Alter von 10 Jahren rekrutieren. Die Popular Defence Forces (PDF), eine Miliz mit offiziellen Beziehungen zu den Autoritäten, rekrutierten Tausende von Kindern, oft unter Zwang. Es wird allerdings angenommen, dass das Ausmaß der Kinderrekrutierungen seit Mitte 1990 abgenommen hat. Bis vor kurzem noch hat die sudanesische Regierung die LRA militärisch unterstützt und geschützt, sie nutzte ihre Basislager im südlichen Sudan zu Angriffen im nördlichen Uganda.

Im März 2002 beendete die sudanesische Regierung ihre lange Geschichte der Unterstützung der LRA. Sie unterzeichnete ein Protokoll mit Uganda, das den "Zutritt der befreundeten ugandischen Armee erlaubt. Innerhalb der Grenzen des Sudans soll mit einer eingeschränkten militärischen Operation das Problem der Lord`s Resistance Army angegangen werden." (3) Die Regierung Ugandas, unterstützt durch die sudanesische Regierung, startete daraufhin die "Operation Iron Fist" gegen die LRA. Die UPDF (ugandische Armee) setzte eine ganze Division mit 10.000 Soldaten für die Offensive ein. (4)

Die militärische Kampagne dauert länger, als die Autoritäten in Uganda erwartet hatten, derzeit ist ein Ende nicht in Sicht. Die LRA wurde aus ihren 4 Hauptlagern an der Ostseite des weißen Nils vertrieben. Sie löste sich in kleinere Banden auf, floh in die Berge und hinterließ dabei eine Spur von Gewalt und Zerstörung. Innerhalb der letzten Monate gab es Meldungen über Massaker, Brände, Plünderungen und Vergewaltigungen an sudanesischen Zivilisten, mit der Folge von neuen Wellen von Vertriebenen und fortgesetzter Instabilität innerhalb der Region, die bereits mit ihrem eigenen Bürgerkrieg zu kämpfen hat. Beobachter glauben, dass sich die LRA mit den Angriffen auf von der Regierung kontrollierte Dörfer am Sudan für den Entzug der Unterstützung und der Kooperation mit der ugandischen Armee rächen wollte. (5)

In einer gemeinschaftlichen Erklärung an den UN-Sicherheitsrat gaben Uganda und Sudan bekannt, sie würden "beim Schutz unschuldiger Zivilisten und der sicheren Rückführung verschleppter Kinder keine Mühen scheuen. Koordination, Assistenz und Durchführung sollen durch internationale Menschenrechtsorganisationen gewährleistet werden". (6) Uganda musste jedoch angesichts des sich dahinschleppenden Konflikts eingestehen, dass seine Kampfeinheiten die Bevölkerung im Süden Sudans (7) nicht beschützen können. Kinder würden während der UPDF Angriffe auf die LRA eher erschossen, als dass sie gerettet werden können.(8) UPDF Sprecher Bantariza Shaben antwortete auf die internationale Kritik und begründete dieses Vorgehen mit der Komplexität der Situation, da die Kinder militarisiert, indoktriniert und zum Widerstand trainiert worden sind. (9)

Das Schicksaal Tausender angeblich durch die LRA verschleppter Kinder ist angesichts der "Operation Iron Fist" ungewiss. Aus ugandischen Militärkreisen verlautete, dass sich die Kinder seit Anfang April in den Händen der sudanesischen Regierung befinden, sie sollen an humanitäre Hilfsorganisationen übergeben werden. Allerdings haben die UNICEF-Beauftragten keine Hinweise über die tatsächliche Freilassung von Kindern durch die LRA erhalten. Bisher sind keine durch die LRA entführten Kinder aufgetaucht, nicht einmal als Kriegsgefangene. UNICEF hat beide Seiten aufgefordert "die Kinder als Kinder anzusehen" und forderte die sofortige und uneingeschränkte Freilassung aller durch die LRA verschleppten Kinder. Humanitäre Organisationen müssen Zugang zu den Kindern erhalten, die verletzt oder desorientiert sein können. (10)

Internationale Standards

Die Internationale Gemeinschaft ist zunehmend über die Auswirkungen des Krieges auf Kinder besorgt, die sich in den Händen der Militärs befinden oder der Gewalt ausgesetzt sind. Alle Konfliktparteien sind an die Genfer Konventionen gebunden, damit soll die Sicherheit der Bevölkerung und der spezielle Schutz für Kinder gewährleistet werden. Uganda hat zudem die African Charter On the Rights and Welfare of the Child, die für die Rekrutierung ins Militär ein Mindestalter von 18 Jahren festsetzt, sowie die International Labour Convention 182, die die Rekrutierung von unter 18 Jährigen als eine der schlimmsten Formen von Kinderarbeit verurteilt, ratifiziert. Vor kurzem trat die ugandische Regierung der UN-Kinderrechtskonvention inklusive des Zusatzprotokolls über die Beteiligung von Kinder in bewaffneten Konflikten bei. Diese beinhalten die Rekrutierung in Armeen und den Einsatz von Kindern unter 18 Jahren in Kriegen. Uganda wird dadurch noch stärker verpflichtet, alle nur möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rekrutierung von Kindern durch Regierungsstreitkräfte oder Oppositionsgruppen zu verhindern. Weiterhin werden sie zur Demobilisierung und Rehabilitierung aller ehemaligen Kindersoldaten angehalten. Die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls durch den Sudan ist ein weiterer wichtiger Schritt um die Rekrutierung und den Einsatz der Kinder in ihren Kampfeinheiten zu verhindern.

Das Verbot zum Einsatz von Kindersoldaten und das Recht auf Schutz aller mit dem Konflikt konfrontierten Kinder fand allgemeine Zustimmung und muss angesichts der Realität im Sudan überprüft und in die Tat umgesetzt werden. Die Coalition To Stop the Use of Child Soldiers:
  • Ruft alle Kriegsparteien auf, UN-Organisationen sowie den internationalen Hilfsorganisationen humanitären Zutritt zu den Kindern in Konfliktregionen zu gewähren, einschließlich denjenigen, die als Soldaten in bewaffneten Streitkräften oder Gruppen eingesetzt werden;
  • Ruft alle Kriegsparteien dazu auf, die internationalen Standards zum Schutz der Kinder und der Beendigung der Kinderrekrutierung zu respektieren, insbesondere das Optional Protocol und die African Charter;
  • Ruft die ugandische und sudanesische Regierung dazu auf, alle Kindersoldaten zu demobilisieren und finanzielle Mittel für ihre Langzeitrehabilitation bereit zu stellen;
  • Ruft alle am Konflikt beteiligten Kriegsparteien auf, die internationalen Standards der Jugendstrafgesetzgebung für geflüchtete, gefangene und demobilisierte Kinder zu übernehmen und die Straflosigkeit für diejenigen zu beenden, die Kinder rekrutieren;
  • Ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, bei der Lösung des Konfliktes eine aktive Rolle zu übernehmen und den Schutz aller Kinder in den Konfliktregionen sicherzustellen, inklusive der Kindersoldaten ;
  • Ruft die sudanesische Regierung zur Ratifizierung und Implementierung des Zusatzprotokolls auf.
Bitte drücken Sie ihre Besorgnis über die derzeitige Situation aus und senden sie einen Brief oder Fax (auf Englisch) an die Repräsentanten in Uganda, der LRA und dem Sudan, mit der nachdrücklichen Bitte, die oben genannten Forderungen zu erfüllen:

Hon. James Wapakhabulo
Third Deputy Prime Minister/
Minister of Foreign Affairs
Ministry of Foreign Affairs
Post Office Box 7048
Kampala
Uganda
Fax: + 256 41 25 87 22

***

Secretary for Human Rights,
Lord's Resistance Army
PO Box 10013
London E9 5UB
United Kingdom

***

H.E. Dr. Mustafa Osman Ismail
Minister of Foreign Affairs
Post Office Box 873
Khartoum
Sudan
Fax: + 249 11778 218

Hinweis der Redaktion:
Auf www.child-soldiers.org findet sich der Text der Forderungen in englischer Sprache


Fußnoten:
  1. Wenn nicht anders angegeben, ist die Quelle der Hintergrundinformationen über Rekrutierung von Kindersoldaten in den entsprechenden Ländereintragungen des Global Report on child soldiers, Coalition to Stop the Use of Child Soldiers: London 2001 zu finden
  2. Quelle: Chris Dolan, "Which Children count? The politics of Childrens Rights in Northern Uganda"; Accord, Protracted Conflict, Elusive Peace: Initiatives to end the violence in northern Uganda, Conciliation Resources: London 2002; and Human Rights Focus, "Between two Fires", Human Rights Focus:2001
  3. Gemeinsame Erklärung Ugandas und Sudans vor dem UN-Sicherheitsrat, 14.2.02, S/2002/269
  4. The Monitor, 12.5. 2002
  5. OCHA, Sudan: Displaced fleeing LRA-linked insecurity into Juba, 19.4.2002
  6. Gemeinsame Erklärung von Uganda und Sudan an den UN-Sicherheitsrat, 14.3.2002, S/2002/269
  7. AFP, Ugandan Army says unable to protect civilians in South Sudan, 12.5.02
  8. IRIN, UNICEF repeats call for the release of LRA abductees, 6.4.02.
  9. ebd.
  10. UNICEF: "Where are the missing Ugandan children"


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