Antimuslimischer Rassismus
Abgrenzung nach außen und Identitätsstiftung nach innen
Von Florian Osuch *
Die Politologin Inva Kuhn hat einen schmalen Band zu antimuslimischem Rassismus vorgelegt. Auf 110 Seiten skizziert sie Merkmale und Funktion dieser besonderen Spielart des Fremdenhasses. Sie stellt die rassistische »Pegida«-Bewegung in diesen Zusammenhang und skizziert Hinweise für Gegenstrategien.
Nach Auffassung der Autorin herrsche in der Bundesrepublik wie in anderen europäischen Ländern »ein regelrechter Kampf um die Meinungshoheit«. Wie sehr in der Öffentlichkeit um Positionen gerungen wird, war unter anderem an der Äußerung von Exbundespräsident Christian Wulff vom 3. Oktober 2010 zu sehen, als er den Islam als »Teil Deutschlands« bezeichnete. Ein Satz, von dem sich Wulffs Nachfolger, der ehemalige Pastor Joachim Gauck, distanzierte.
Im Buch werden zunächst Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt. Die Bezeichnung Islamophobie greife zu kurz, »weil hierbei ausschließlich die Ängste und Zweifel einzelner Individuen und keineswegs die diskriminierende Gruppe (...) in den Blick genommen wird«. Auch Islamfeindschaft beschreibe das Phänomen unzureichend, weil zuwenig auf Aspekte von Macht eingegangen werde. Die Bezeichnung antimuslimischer Rassismus stelle dagegen »eine Erweiterung der Begriffe ›Islamophobie‹ und ›Islamfeindschaft‹ dar«. Wie für rassistische Ideologien zentral, würden Menschen mit kollektiven Zuschreibungen versehen und zumeist in Opposition zur eigenen Gruppe verortet.
Ausführlich befasst sich Kuhn mit den Debatten der vergangenen Jahre. Insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wird in Zeitungen und in Talkshows, in Politik und Behörden, im Feuilleton und am Stammtisch über »Kopftuchmädchen«, Ehrenmorde, »Schariapolizei», Moscheebauten (an denen wie in Berlin-Heinersdorf oder in Köln Konflikte eskalierten), Koranverteilungen, »Halbmondterroristen«, »Integrationsverweigerung« oder »Parallelgesellschaften« gestritten. Die Autorin zeigt: Antimuslimischer Rassismus macht auch vor dem »wohlsituierten Bürgertum« nicht halt.
Kuhn weist darauf hin, dass antimuslimischer Rassismus vom Islam entkoppelt sei, da hiervon auch Nichtmuslime wie konfessionslose Türken, christliche Libanesen oder Angehörige anderer Religionen wie Drusen oder Jesiden betroffen sind. Der Islam selbst ist so vielfältig wie andere Großreligionen auch. »Vom vielfältigen, komplexen Leben vieler Muslime wird abstrahiert, um dieses vereinfachend und vorurteilsvoll darzustellen.« Die deutsche Mehrheitsgesellschaft stört sich jedoch eher an radikalen Musliminnen als an der katholischen Piusbruderschaft, dem Opus Dei, protestantischen Evangelikalen oder dem ultraorthodoxen Judentum.
Für Kuhn geht es beim antimuslimischen Rassismus »nicht nur um die Abwertung von Muslimen, sondern auch um die Wahrung der eigenen Privilegien (…) durch einen Exklusionsmechanismus: Abgrenzung nach außen und Identitätsstiftung nach innen«.
Inva Kuhn: Antimuslimischer Rassismus. Papyrossa-Verlag, Köln 2015, 110 S., 11,90 Euro
* Aus: junge Welt, Montag, 11. Mai 2015
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