Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Krieg gegen inneren Feind

Hintergrund. Antimuslimismus in den USA

Von Knut Mellenthin *

US-Senator Joe Lieberman hält den im Juni vorgelegten Strategiebericht der Regierung der Vereinigten Staaten zur Terrorismusbekämpfung für »eine große Enttäuschung«. In einer Rede, die er am 1. September auf einer Veranstaltung des National Press Club hielt und die auf seiner Website zu finden ist, erläuterte der notorische Kriegstreiber aus Connecticut seine Kritik. Sein schwerwiegendster Einwand ist, daß »die Regierung es immer noch ablehnt, unseren Feind in diesem Krieg bei seinem richtigen Namen zu nennen: gewalttätiger islamistischer Extremismus. Wir können Namen finden, die damit vergleichbar sind, aber nicht den, den die Regierung immer noch zu verwenden pflegt, nämlich ›gewalttätiger Extremismus‹. Es ist nicht bloß gewalttätiger Extremismus. Es gibt viele Formen von gewalttätigem Extremismus. Es gibt weißen rassistischen Extremismus, es gab eine Art Öko-Extremismus, es gab Tierrechtler-Extremismus. Sie können die Reihe weiter fortsetzen. Es gibt Skinhead-Extremismus, aber mit all denen befinden wir uns nicht in einem globalen Krieg.« Und weiter: »Wir befinden uns in einem globalen Krieg, der die Sicherheit unserer Heimat betrifft, mit islamistischen Extremisten. Unseren Feind als gewalttätigen Extremismus zu bezeichnen, ist so allgemein und unbestimmt, daß es letztlich keine Bedeutung hat. Der andere Begriff, der manchmal gebraucht wird, ist Al-Qaida und ihre Verbündeten. Nun, das ist besser, aber es ist immer noch zu eng. Das konzentriert unsere Aufmerksamkeit auf Gruppen statt auf eine Ideologie, gegen die wir in Wirklichkeit zu kämpfen haben.«

Liebermann vermutet, »daß die Weigerung der Regierung, ehrlich über den Feind zu sprechen, auf ihrem Wunsch beruht, nichts zu tun, das der Al-Qaida-Propaganda Vorschub leisten könnte, wir befänden uns in einem ›Krieg‹ gegen den Islam. Aber das ist so offensichtlich eine Lüge, daß wir es zurückweisen können und das auch getan haben. Ich glaube, wir haben das wirksam getan. (…) Um diesen Kampf zu gewinnen, ist es existentiell wichtig, zu verstehen, daß wir nicht nur eine Organisation, Al-Qaida, bekämpfen, sondern es mit einer breiteren Ideologie zu tun haben, die diesen Krieg entfacht hat, mit einer politisierten Ideologie, ganz losgelöst von der Religion des Islam. Der Erfolg in diesem Krieg kommt demzufolge nicht, wenn eine einzelne terroristische Gruppe oder deren Ableger ausgeschaltet sind, sondern wenn ein breiterer Zusammenhang von damit verbundenen Ideen abgewehrt und verworfen wird. Die Abneigung, unseren Feind als gewalttätigen islamistischen Extremismus zu identifizieren, macht es schwerer, wirkungsvoll für diesen Krieg der Ideen zu mobilisieren.«

»Auf allen Ebenen unterwandert«

Lieberman gehört dem Senat schon seit 1989 an und ist damit eines seiner dienstältesten Mitglieder. 2006 verließ er die Demokratische Partei, als diese ihm eine Wiederaufstellung versagte, und schaffte anschließend als Unabhängiger erneut den Einzug ins Oberhaus des Kongresses. Es ist praktisch unmöglich, irgendeinen Krieg der USA zu finden, für den er sich nicht mit voller Kraft engagiert hat. Seit etlichen Jahren drängt er darauf, in die weltweiten Militäroperationen auch den Iran einzubeziehen, der – wie er in seiner Rede vor dem Presseklub erneut wiederholte – »die Nummer eins unter den Förderern des islamistischen Terrorismus« sei. Zur Zeit ist Lieberman Vorsitzender des einflußreichen Senatsausschusses für Innere Sicherheit und Regierungsangelegenheiten.

Die Aussage in der regierungsoffiziellen »National Strategy for Counterterrorism«, auf die sich die Kritik des Senators im wesentlichen bezieht, lautet: »Die Vereinigten Staaten verwenden bewußt das Wort ›Krieg‹, um unsere unerbittliche Kampagne gegen Al-Qaida zu beschreiben. Aber diese Regierung hat klargemacht, daß wir uns nicht in einem Krieg mit der Taktik des Terrorismus oder der Religion des Islam befinden. Wir sind im Krieg mit einer speziellen Organisation – Al-Qaida.« Indessen wird diese Konkretisierung schon zwei Seiten später vollständig wieder aufgehoben. Angesichts der Tatsache, daß die bloße Existenz des Phantoms »Al-Qaida« immer marginaler, wenn nicht sogar unwahrscheinlich wird, werden deren »Ableger« in den Vordergrund gerückt. Sie werden nicht nur in Afghanistan und Pakistan verortet, sondern auch im Nahen Osten, im Maghreb und der Sahel-Zone Nordwestafrikas, im postsowjetischen Zentralasien und in Südost­asien. Die Zuordnung ist mittlerweile rein willkürlich. Dazu heißt es in der »National Strategy for Counterterrorism«: »Verbundenheit mit der Ideologie von Al-Qaida erfordert nicht unbedingt einen Treueschwur auf die Organisation Al-Qaida. Individuen, die mit Al-Qaida sympathisieren oder sie aktiv unterstützen, können zur Gewalt inspiriert sein und eine fortdauernde Gefahr darstellen, selbst wenn sie wenig oder gar keinen formalen Kontakt zu Al-Qaida haben.«

In praktischer Hinsicht ist der Unterschied zu Liebermans Vorstellungen nicht sehr bedeutend, so daß man seine Polemik auch als Haarspalterei mißverstehen könnte. Der Senator wird aber seine Gründe haben, wenn er die Worte »Terrorismus« und »islamistisch« unbedingt zu einer unauflöslichen, permanent zu beschwörenden Einheit stilisieren will. Die Behauptung, daß damit nicht automatisch auch Ressentiments gegen den Islam und insbesondere gegen die in den USA lebenden etwa 2,7 bis drei Millionen Muslime geschürt werden, ist bestenfalls töricht, eher wohl scheinheilig und verlogen. Die Tätigkeit militant antimuslimischer Gruppen in den USA legt von dieser Realität ebenso Zeugnis ab wie viele Meinungsumfragen der vergangenen Jahre.

Ein großer, offenbar immer noch anwachsender Teil der US-amerikanischen Bevölkerung sieht seine muslimischen Mitbürger als fünfte Kolonne genau desselben Feindes, gegen den man seit dem 11. September 2001 weltweit Krieg führt. Eine gar nicht so geringe Zahl vor allem weißer Amerikaner bezieht in diese Verschwörung für die Unterwanderung der USA und die Errichtung des Weltkalifats sogar Präsident Barack Obama ein. Brigitte Gabriel, Gründerin und Sprecherin der mit angeblich 170000 Anhängern wohl bedeutendsten antimuslimischen Organisation ACT! For America, schrieb in ihrem Buch »They Must be Stopped: Why We Must Defeat Radical Islam and How We Can Do it« (deutsch: »Sie müssen gestoppt werden: Warum wir den radikalen Islam besiegen müssen und wie wir es können«): »Es gilt noch nicht als politisch korrekt, von einem Religionskrieg zu sprechen. Aber genau damit sind wir konfrontiert: Ein Religionskrieg, den die gläubigen Muslime erklärt haben. (…) Es geht nicht um radikalen Islam. Es geht darum, was der Islam in seinem Kern ist. (…) Amerika ist auf allen Ebenen von Radikalen unterwandert, die Amerika Schaden zufügen wollen. Sie haben den CIA, das FBI, das Pentagon und das Außenministerium unterwandert.«

Zudem wird der »Krieg gegen den Terror« nicht nur als Folge des 11. September interpretiert, sondern auch als Kettenglied einer permanenten historischen Konfrontation, die mit der Entstehung und Ausbreitung des Islam im siebenten Jahrhundert begann. Die Absicht zur Eroberung der Weltherrschaft sei, behaupten die Vordenker des Antimuslimismus, immanenter Bestandteil des Islam. Sie müsse daher von jedem wirklich gläubigen Muslim unterstützt werden. Daß dies offensichtlich nicht der Fall ist, wird damit begründet, daß im Islam Lüge und Täuschung gegenüber »Ungläubigen« als legitim gelten. So brachte ein Kursleiter des FBI seinen Schülern bei, daß gemäßigte und moderate Muslime als ganz besonders verdächtig zu betrachten seien, da sie sich wahrscheinlich verstellen. Der Fall wurde jüngst öffentlich bekannt, der Kurs immerhin eingestellt. Aber auch aus anderen Berichten geht hervor, daß die Schriften bekannter antimuslimischer Autoren bei FBI, CIA und anderen Behörden als Schulungsmaterial verwendet werden.

Alles das ist nicht etwa ein ungewollter und nicht voraussehbarer Kollateralschaden, sondern liegt in der Logik des Arguments: Wenn der proklamierte Krieg sich letztlich nicht in erster Linie gegen Organisationen und Menschen richtet, die für konkrete Taten und Pläne verantwortlich gemacht werden, sondern gegen eine unmöglich genau zu definierende und einzugrenzende »Ideologie«, haben Subjektivismus, Willkür und als Folge Hysterie und Hexenjagden freie Bahn.

Vierter Weltkrieg

Das Thema, das Lieberman jetzt wieder aufgegriffen hat, tauchte schon bald nach dem 11. September 2001 auf. Damals waren es vor allem neokonservative Vordenker und Agitatoren, die explizit formulierten: »Der Feind in diesem Krieg ist nicht der ›Terrorismus‹, sondern der militante Islam.« So stand es am 20. November in einem programmatischen Artikel des Wall Street Journal, den Eliot Cohen verfaßt hatte. Seine Ansichten haben Gewicht: Er ist Professor und Direktor für Strategische Studien an der Johns Hopkins University in Baltimore, war Regierungsberater unter George W. Bush und hatte zuvor die Herausgabe der offiziellen fünfbändigen Untersuchung der US-Luftwaffe über die Ergebnisse des Bombenkriegs gegen Irak im Jahre 1991 verantwortlich geleitet.

In seinem Artikel für das Wall Street Journal brachte Cohen erstmals den Begriff »Vierter Weltkrieg« (World War IV) für die geplante weltweite militärische Eskalation ins Spiel. Die Zahl vier ergab sich daraus, daß der sogenannte Kalte Krieg, die mehrere Jahrzehnte dauernde Ost-West-Konfrontation, als dritter Weltkrieg mitgerechnet wurde.

Ein weiterer wichtiger Theoretiker des »Vierten Weltkriegs« war damals Norman Podhoretz, ein in den 1960er Jahren zum Propagandisten eines aggressiven Imperialismus konvertierter ehemaliger Linker. In der Februarausgabe 2002 der jahrelang von ihm geleiteten Zeitschrift Commentary erläuterte er, »How to Win World War IV«, wie man den vierten Weltkrieg gewinnt – und gegen wen er geführt werden muß. Noch über Cohen hinausgehend vertrat Podhoretz die Vorstellung, daß der Feind in diesem globalen Kampf nicht der Terrorismus schlechthin, sondern die gesamte islamische Welt sei. Er untermauerte diese These mit fragwürdigen Untersuchungsergebnissen, nach denen angeblich rund 70 Prozent der Ägypter, Syrer, Palästinenser und sogar der Kuwaitis Bin Laden für einen arabischen Nationalhelden hielten.

Der neokonservative Autor Daniel Pipes, derzeit eine Leitfigur in den aggressivsten Kreisen des antimuslimischen Lagers, griff im Epilog zu seinem 2003 erschienenen Buch »Der militante Terrorismus erreicht Amerika« Cohens Begriff des vierten Weltkriegs zustimmend auf, definierte ihn aber in einem sehr viel weiter gehenden Sinn: »Der Terrorismus ist, mit anderen Worten, nur eine einzelne Dimension eines Krieges, der viele Fronten hat und vielfältige Formen annimmt. Gewalt ist ein wichtiges Symptom des Problems, aber nicht das Problem selbst. Andere Methoden können gewalttätige Handlungen von Einzelgängern, Schmuggel, Aufruhr, rechtmäßige Straßendemonstrationen, Geldsammlungen, Unterricht, Missionierung, Einschüchterung und sogar die Kandidatur für Wahlämter einschließen. Diese Methoden ergänzen einander, sie machen die Komplexheit und Reichweite des militanten Islam aus. Zum Schlachtfeld gehören sowohl Länder mit muslimischer Mehrheit als auch Länder wie Argentinien, wo der Islam nur eine geringfügige Präsenz hat.«

Überall und für lange Zeit

Mit der Parole der Neokonservativen vom weltweiten Krieg gegen den »militanten Islam« verband sich von Anfang an die Idee, daß dieser Kampf nicht nur geographisch unbegrenzt zu führen sei, sondern daß er auch zeitlich unabsehbar lange dauern müsse. Das wurde mit Formulierungen wie »länger als der erste und zweite Weltkrieg zusammen«, »mehrere Jahrzehnte lang« oder auch »mehrere Generationen lang« umschrieben. Diese strategische Zielsetzung ist schon jetzt weitgehend erreicht. Die USA, oft im Bündnis mit anderen NATO-Staaten, führen Krieg in Afghanistan und im Irak, sie greifen Ziele in Pakistan, im Jemen und in Somalia mit bewaffneten Drohnen und Killerkommandos an, sie sind als Ausbilder und Berater an Bürgerkriegen auf den Philippinen und in zahlreichen Ländern Afrikas beteiligt. Und sie haben gemeinsam mit ihren NATO-Partnern gerade eben Libyen in einen total destabilisierten Zustand versetzt, der das Land auf den Weg Afghanistans und des Irak zu bringen droht. Vergessen wir schließlich auch nicht die permanente »Option«, den Iran anzugreifen, und die immer deutlicher vorgetragenen Tendenzen zu einer Militärintervention in Syrien, die auch auf den Libanon ausgeweitet werden könnte.

Es handelt sich bei diesen Schlachtfeldern des »Kriegs gegen den Terror« ausschließlich um islamische Länder. Die inzwischen nach Hunderttausenden zählenden Opfer dieses Krieges sind, so weit es sich nicht einfach um sogenannte Zivilisten, also völlig Unbeteiligte handelt, fast ausschließlich Menschen, die für örtlich eng begrenzte Ziele kämpfen und keinerlei »Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten« darstellen oder auch nur rein theoretisch darstellen könnten.

Der so ganz und gar nicht zu diesem militärischen Aufwand passende reale Hintergrund ist, daß seit dem 11. September 2001 in den USA nicht mehr als 30 Menschen bei Anschlägen ums Leben kamen, die vielleicht einem islamistischen Hintergrund zugeordnet werden könnten, durchschnittlich drei pro Jahr. 2010 war es nicht ein einziger. Zweifellos bleibt immer ein Restrisiko größerer Anschläge, vor allem durch Einzelgänger »unterhalb des Radars« des monströs ausgebauten Hochsicherheitsstaates. Aber dem durch einen weltweiten Krieg begegnen zu wollen, ist so absurd und aussichtslos, daß es nicht einmal als Vorwand ernst genommen werden kann.

Grundsätzlich ist richtig, daß der Antimuslimismus keine Erscheinung ist, die erst in den letzten Jahren entstanden ist. Es gab ihn schon vor dem 11. September 2001, unter anderem besonders heftig in Zusammenhang mit der sogenannten Ölkrise von 1973. Aber er hat im vergangenen Jahrzehnt einen entscheidenden quantitativen und qualitativen Sprung vollzogen. Das läßt sich unter anderem leicht an den Gründungsdaten der einflußreichsten Gruppen, Organisationen und Internetseiten ablesen: Die meisten liegen erst in der zweiten Hälfte dieser Dekade.

Der Antimuslimismus hat sich in dieser Zeit vom Ressentiment zur kompletten Weltanschauung, zu einem verschwörungstheoretisch fundierten Welterklärungsmodell entwickelt. Ein wesentlicher Faktor dabei ist, daß der Antimuslimismus heute als innere Front einer tatsächlich stattfindenden, global geführten militärischen Konfrontation, eines »Clash of Civilizations«, erscheint und daraus seine vorgebliche Legitimität bezieht. David Yerushalmi, eine herausragende Figur der Haßszene, formulierte es in einem im März 2006 erschienenen Artikel so: »Die muslimische Zivilisation befindet sich im Krieg mit der jüdisch-christlichen Zivilisation. (…) Die Muslime, diejenigen, die dem Islam, so wie wir ihn heute kennen, ergeben sind, sind unsere Feinde.«

Die Muslime erscheinen in diesem Weltbild nicht lediglich als unliebsame Einwanderer, wie etwa Mexikaner oder anderer Lateinamerikaner, sondern als fünfte Kolonne des äußeren Feindes. Sie mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen und aus der mehr oder weniger multikulturellen Gesellschaft der USA auszugrenzen, gilt als »patriotische« Pflicht. Jeder Versuch von Politikern und Behörden, muslimische Bürger respektvoll oder auch nur rechtlich korrekt zu behandeln, wird von den Haßpropagandisten als feiger Opportunismus oder, schlimmer noch, als verräterischer Ausverkauf des »wahren Amerika« an den Feind geschmäht. Wer sich dabei allzu weit vorwagt, wird als »Terroristenfreund« und Wegbereiter der »Islamisierung« Ziel einer hemmungslosen persönlichen Diffamierungskampagne.

Rechte Haßideologie

Durch den Wechsel von Bush zu Obama hat sich die Lage eher noch verschärft. Obama ist aufgrund seiner eigenen Herkunft bösartigen verschwörungstheoretischen Angriffen ausgesetzt – und reagiert darauf überwiegend defensiv. Die Washington Post wies am 6. September auf die Tatsache hin, daß Obama in seiner bisherigen Amtszeit im Gegensatz zu seinem Vorgänger noch nie eine einheimische Moschee betreten hat. Er besuchte Moscheen im Ausland, in Ägypten, in Indonesien und in der Türkei, aber nicht auf dem Boden der USA.

Dabei ist die Zahl der herausragenden Propagandisten des Antimuslimismus in den USA bis jetzt immer noch überschaubar. Allzu offensichtlich steht diese Haßideologie im Widerspruch zu den Werten, zu denen sich dieser Staat in seiner Unabhängigkeitserklärung und seiner Verfassung bekannt hat. Der Antimuslimismus ist auch absolut inkompatibel mit dem Bild, daß die Mehrheit der US-Amerikaner von ihrem Land hat und das sie auch nach außen darzustellen wünscht. Selbst unter den Neokonservativen, die einige Jahre lang den strategischen Diskurs in den USA dominierten, sind es nur wenige, die heute als Teil des antimuslimischen Milieus in Erscheinung treten.

Insofern ist die These, daß diese Ideologie »in der Mitte der Gesellschaft« zuhause sei, zumindest für die Vereinigten Staaten nur bedingt richtig. Zwar ist die US-amerikanische Gesellschaft traditionell sehr anfällig für hysterisch-paranoische Welterklärungsmuster. Aber zur Mitte der Gesellschaft gehören auf der anderen Seite auch die Kritiker des Antimuslimismus. Die Realität ist, daß die Thesen und Handlungen der Muslimhasser rechtsextrem sind, daß sie sich gegen die Verfassung und gegen die Werte richten, zu denen sich die USA trotz allem immer noch bekennen und mit denen sie international wahrgenommen werden wollen. Die Antimuslimisten würden sich gern als »Mitte« darstellen, aber vorläufig führen sie nur einen Kampf um die Deutungshoheit über diesen Begriff. Noch haben sie diesen keineswegs gewonnen. Aber sie werden stärker werden, je länger die herrschenden Kreise der USA ihren »Krieg gegen den Terror« fortsetzen und ausweiten.

* Aus: junge Welt, 20. September 2011


Zurück zur Seite "Islam, Islamfeindlichkeit"

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage