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Ungerecht verteilte Ressource

Bodenatlas: Versiegelung, Raubbau, Vernutzung, Landraub in großem Stil. Existenzgrundlage unserer Ernährung wird immer knapper

Von Jana Frielinghaus *

Es sind keine brandneuen Daten, die da am Donnerstag in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Vielmehr soll der Bodenatlas, eine 50seitige Broschüre mit zahlreichen einprägsamen Grafiken, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Institute for Advanced Sustainability Studies (Institut für Nachhaltigkeitsstudien (IASS) und der Zeitschrift Le Monde Diplomatique, ein Bewusstsein für ein drängendes Problem schaffen. Denn das verfügbare Ackerland nimmt weltweit dramatisch ab, obwohl demnächst neun Milliarden Menschen auf der Erde leben werden.

Deshalb, so Klaus Töpfer (CDU), früher Bundesumweltminister, später Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, und heute Direktor des 2009 gegründeten IASS, sei der Bodenschutz nicht nur nur eine Frage der moralischen Verpflichtung, sondern »existentiell für eine friedliche Zukunft«. Der Politiker und Umweltwissenschaftler erinnerte zudem daran, dass die Böden nach den Ozeanen die wichtigsten Kohlendioxidspeicher sind.

Tatsächlich spitzt sich die Lage durch aggressiven Landraub in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, durch den Verlust der Bodenfruchtbarkeit durch intensive Landwirtschaft mit maximalem Dünger- und Pestizideinsatz, durch rücksichtslose Gewinnung von Bodenschätzen und Straßenbau zu.

Allein in Deutschland werden pro Tag 70 Hektar Land zubetoniert. Ein Großteil der Versiegelung geht auf das Konto des Straßenbaus. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sagte, zwar habe die Bundesregierung schon vor Jahren das Ziel ausgegeben, diese auf 30 Hektar täglich zu begrenzen. Trotzdem werde beispielsweise weiter an einem Bundesverkehrswegeplan festgehalten, mit dem unsinnige Projekte wie der Neubau der Autobahn A14 in Sachsen-Anhalt – durch »eine der am dünnsten besiedelten Gegenden Deutschlands« – fortgeschrieben werden. Die A14 wird parallel zu einer vorhandenen Bundesstraße gebaut, »weil Neubau den Unternehmen mehr einbringt als Ausbau«, so Weiger.

Die Politik in der Bundesrepublik, so der BUND-Vorsitzende, sei geprägt durch den »Grundirrtum«, dass der Boden »dadurch geschützt sei, dass er sich im Eigentum von Menschen befindet«. Dabei überwiege bei Landbesitzern immer häufiger das Verwertungsinteresse das Bewirtschaftungsinteresse. Auch Bauern, denen es angesichts des Drucks auf die Preise von Lebensmitteln durch die Handelsketten immer schwerer fällt, von ihrem Beruf zu leben, greifen zu, wenn ihnen für den Verkauf ihrer Äcker Straßen- oder andere Bauprojekte Millionensummen geboten werden.

Klaus Töpfer berichtete, eine Bodenschutzrichtlinie der Europäischen Union, über die acht Jahre lang diskutiert worden war, sei letztlich am Veto der Bundesregierung in der EU-Kommission gescheitert. Hinter dem Widerstand der deutschen Politik steckten maßgeblich die Landwirtschaftsverbände, sagte Töpfer auf jW-Nachfrage. Die Bodenrichtlinie sei noch von der alten EU-Kommission unmittelbar vor dem Amtsantritt der neuen am 1. November 2014 zurückgezogen worden. Mithin ist also bereits die Regierung von CDU/CSU und SPD für das Scheitern verantwortlich.

Als wesentliche Gründe für die Verknappung der Ressource Boden machen die Autoren des Bodenatlas die zunehmende Nutzung verfügbarer und – insbesondere durch die Vernichtung von Regenwäldern – neu gewonnener Flächen für den Anbau von Futterpflanzen infolge des weltweit zunehmenden Fleischkonsums und von Kulturen wie Mais und Palmöl zur Produktion von Agrartreibstoffen aus.

Allein in die Bundesrepublik werden laut Bodenatlas Agrar- und und Verbrauchsgüter importiert, deren Produktion mit 80 Millionen Hektar mehr als das Doppelte der hiesigen Landesfläche in Anspruch nimmt. Der Konsum in der EU benötigt demnach eine Fläche von 640 Millionen Hektar Ackerland jenseits ihrer Grenzen. Damit befinden sich rund 60 Prozent der für den europäischen Konsum genutzten Flächen außerhalb der EU.

Die Verknappung des Bodens einerseits und seine zunehmende Nutzung als Anlageobjekt hat insbesondere in Europa auch zu einer Explosion der Preise für Ackerland geführt. In der Bundesrepublik haben diese sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. In Rumänien, wo zahlreiche europäische Großinvestoren auf der Jagd nach Ackerland sind, erhöhten sich die Preise laut Bodenatlas seit 2004 sogar um 1.800 Prozent. Dort wie auch im Osten Deutschlands konzentriert sich das Eigentum an Boden in immer weniger Händen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 9. Januar 2015

Hier geht es zum Bodenatlas:

"Bodenatlas der Böll-Stiftung"




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