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"Grüne Revolution des Konsums"

Ergänzende UN-Millenniumsziele sollen den Verbrauch der Reichen auf ein vertretbares Maß senken

Von Ulrike Henning *

Mohan Munasinghe, Mitglied des Weltklimarats IPCC, fordert »Millenniums-Konsumziele«. Damit soll sich die Welt auf eine zukunftsfähige Entwicklung verpflichten – analog zu den Millenniums-Entwicklungszielen.

Er gilt als Vorkämpfer einer »grünen Revolution des Konsums«: der aus Sri Lanka stammende Klimaforscher Mohan Munasinghe. In der Pflicht stehen aus Sicht des Professors für nachhaltige Entwicklung in Colombo und Manchester insbesondere die Reichen: die einkommensstärksten 20 Prozent der Weltbevölkerung – das sind 1,4 Milliarden Menschen. Sie verbrauchen mehr als 80 Prozent der globalen Produktion, 60 Mal mehr als die ärmsten 20 Prozent. Wenn 2012 in Rio de Janeiro der UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung stattfindet, so Munasinghe, dann sollten sich die »überentwickelten« Länder bis 2020 Ziele stellen, die ihren Lebensstil verändern würden: Energie- und Wasserverbrauch reduzieren, die in diesen Ländern verbreitete Fettleibigkeit bekämpfen, Gebäude sanieren, Steuern auf Luxusgüter erheben, Arbeitsbedingungen bei kürzeren Arbeitszeiten verbessern. Auch die Staatsausgaben sollten verändert werden, unter anderem empfiehlt Munasinghe eine Senkung der Rüstungsausgaben von derzeit weltweit 1,5 Billionen Dollar jährlich.

»Sustainomics«, die von Munasinghe angestrebte Form des nachhaltigen Wirtschaftens, sollte die reichen Länder, die für 80 Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich sind, mindestens zu kleinen Änderungen bringen. Schon diese würden deutliche Effekte zeigen. Die Ziele richten sich aber auch an Mittel- und Oberschichten in armen Ländern, die westliche Lebensstile häufig kopieren. Die Reichen sollten nicht nur als Problem, sondern auch als Potenzial wahrgenommen werden. Die Ergänzung der bisherigen Millenniums-Entwicklungsziele nennt Munasinghe Millenniums-Konsumziele, auch in Reaktion auf die ernüchternden Ergebnisse der UN-Klimagespräche in Kopenhagen 2009 und Cancún 2010.

Die acht Millenniumsziele wurden 2000 beschlossen. Dazu gehören unter anderen das Ziel, den Anteil der Menschen zu halbieren, die weniger als den Gegenwert eines US-Dollars pro Tag zum Leben haben, der garantierte Zugang zu Grundschulbildung für alle Kinder und eine Senkung der Kindersterblichkeit.

Bei den neuen Konsumzielen ginge es nicht nur um effizientere Autos und Energiesparlampen. Jedes Produkt sollte nach Wirtschafts-, Sozial- und Umweltkriterien bewertet werden – von der Ressourcengewinnung bis zu Konsum und Entsorgung. Dafür stehen bereits Werkzeuge wie der ökologische Fußabdruck zur Verfügung. Michael Kuhndt vom UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production, einer Gründung des Wuppertal-Institutes mit dem UN-Umweltprogramm, begrüßte den Vorschlag. Nachhaltigkeitsziele seien auch für Verbraucher nötig. Andere Experten sind skeptischer: Sie sehen die Ziele nur im Fokus möglicher Konsumeinschränkungen und halten diese schlicht für nicht durchsetzbar. Kuhndt hingegen meint, dass detailliert ausformulierte Konsumziele »nur Ergebnis einer breiten Diskussion« sein könnten.

Beim Worldwatch Institute in Washington, einer Denkfabrik der US-Öko-Aktivisten, ist die Debatte schon konkreter. Der Forscher Erik Assadourian denkt an eine Arbeitswoche von 20 Stunden, erhöhte Steuern für Reiche oder die Verdopplung des Anteils von nicht motorisiertem Verkehr – etwa mit dem Fahrrad – , aber auch im aktuellen US-Kontext an eine freie Gesundheitsversorgung für alle. Übereinstimmend sehen etliche Blogger die Einschränkung des Fleischkonsums als ein wesentliches Ziel. Damit könnte sowohl die Umwelt geschont als auch die Lebensweise gesünder werden.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Februar 2011


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