Sojawetten im Fonds
Getreide als interessantes Anlageprodukt für Vermögende
Von Hermannus Pfeiffer *
Die Finanzspekulation trägt zu den
aktuellen Preissteigerungen auf den
Agrarrohstoffmärkten bei. Wie stark
sind deutsche Banken noch beteiligt?
Schlechte Nachrichten für die Armen
dieser Welt: Aktuell steigen
die Weltmarktpreise für Getreide
und andere Agrarrohstoffe wieder
besorgniserregend. So schüren
Hitze und Trockenheit in den USA
Sorgen über größere Ernteausfälle
bei Mais und Sojabohnen und
»treiben die Preise in die Höhe«,
schreibt die Commerzbank in einer
Analyse der weltweiten Landwirtschaftsmärkte.
Besonders prekär
sei die Situation bei Sojabohnen:
Eine Dürre hatte zuvor bereits zu
Missernten in Brasilien und Argentinien
und damit zu einer höheren
Nachfrage nach US-Produkten
geführt. Gleichzeitig wird von
China eine rekordverdächtige
Nachfrage erwartet. Die Folge: Die
Preise wichtiger Grundnahrungsmittel
dürften 2012/13 weltweit
rasant ansteigen. Mais verteuerte
sich in den vergangenen Wochen
bereits um rund 70 Prozent, Weizen
– wegen einer Dürre in Russland
– um mehr als ein Drittel. Der
Agrarindex GSCI, der die Getreidepreise
insgesamt wiedergibt, hat
in diesem Sommer um mehr als 20
Prozent zulegt.
Die Höhe des Preisanstiegs erklärt
sich aber auch durch die Zockerei
von Finanzanlegern, die
Extremereignisse wie in den USA
für Getreidespekulationen ausnutzen.
Bereits im vergangenen
Herbst war das Thema ein Aufreger.
Wochenlang wurden die Zockerei
mit Nahrungsmitteln und
die Beteiligung deutscher Banken
zum Thema in den TV-Talkshows.
Das Interesse verflog aber wieder,
als die spektakulär hohen Preise
wieder spürbar sanken.
Der aktuelle Preisanstieg ist
Anlass genug, um zu fragen: Hat
zum Beispiel die Deutschen Bank
in der Zwischenzeit auf die Kritik
reagiert? »Öffentlich gibt sich die
Deutsche Bank beim Thema Nahrungsmittelspekulation
nachdenklich
«, erklärt ein Sprecher der
deutschen Verbraucherschutzorganisation
Foodwatch. »Doch es
wachsen Zweifel, ob sie die Geschäfte
tatsächlich – wie angekündigt
– ernsthaft überprüfen will.«
Foodwatch hatte im Oktober
mit dem Report »Die Hungermacher
« Belege publiziert, dass Finanzspekulationen
zu einem Anstieg
der Lebensmittelpreise und
dadurch in ärmeren Regionen der
Welt zu Hunger führten. Die Deutsche
Bank reagierte auf Protest
und schlechte Presse: Neue börsennotierte
Anlageprodukte auf
Basis von Agrarrohstoffen solle es
vorerst nicht mehr geben, versprach
Chef Josef Ackermann. Bis
Ende 2012 wolle man einen Bericht
zu den Auswirkungen auf
Nahrungsmittelpreise vorlegen.
»Doch«, heißt es bei Foodwatch,
»wie ernst diese Prüfung wirklich
gemeint ist, bleibt fraglich.«
Die Deutsche Bank verteidigt
sich. In einer Anhörung vor dem
Bundestagsausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit Ende
Juni erklärte der neue Chefvolkswirt
David Folkerts-Landau, es
gebe »kaum stichhaltige empirische
Belege für die Behauptung,
dass die zunehmende Bedeutung
von Agrarfinanzprodukten zu
Preissteigerungen« führe. Allerdings
verdoppelte sich das Anlagevolumen
der Finanzinvestitionen
in Agrarrohstoffe von 32 Milliarden
Euro auf 62 Milliarden Euro
in den drei Jahren bis Ende
2011 – im selben Zeitraum stiegen
die Preise vieler Nahrungsmittel
deutlich.
Doch selbst Kritiker der Agrarspekulation
warnen vor überzogenen
Urteilen: Diese Zockerei spielte
auf den Agrarmärkten weiterhin
lediglich eine Nebenrolle, allein auf
der Grundlage eines »strukturellen
Preisauftriebs« konnte Getreide für
Finanzmarktanleger interessant
werden, meint Hans-Heinrich Bass
von der Universität Bremen. Zu einem
ähnlichen Schluss kommt eine
Studie des Südwind-Instituts für
Ökonomie und Ökumene in Siegburg.
Unter Wissenschaftlern
herrsche »Einigkeit darüber«, dass
von Spekulanten erzeugte Preisveränderungen
nur kurz- bis mittelfristig
wirken, die Preise langfristig
aber die »Fundamentaldaten
widerspiegeln«, heißt es darin.
Was sind aber diese Fundamentaldaten?
Die Preise von Getreide
und Soja steigen vor allem,
weil die Zahl der Menschen weltweit
wächst, immer mehr Feldfrüchte
als Viehfutter und zur Produktion
von Ethanol verwendet
werden. Preissteigernd wirkt auch
der Nachfragezuwachs in Schwellenländern,
vor allem in China, sowie
die eigennützige Agrarpolitik
in Europa und den USA. Zugleich
stagnieren die Erträge in wichtigen
Anbauländern. Und der Klimawandel
beschert der Welt sich
häufende Extremwetterereignisse.
Unter den Akteuren auf den Finanzmärkten
ist indes weiterhin
die Auffassung verbreitet, dass
Agrarprodukte jede Vermögensanlage
»abrunden«, weil deren
Kursentwicklung antizyklisch beispielsweise
zu Aktien verläuft. Dabei
zeigen einige Geldhäuser, dass
es auch ohne geht: So hat die Landesbank
Baden-Württemberg im
Juni erklärt, aus der Spekulation
mit Agrarrohstoffen auszusteigen.
Zuvor hatte die Deka-Bank der
Sparkassen angekündigt, in eigenen
Fonds angebotene Wetten auf
Agrarrohstoffe bis zum Jahresende
zu streichen.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. Juli 2012
Dürre erschüttert US-Wirtschaft
Ernteausfälle führen zu steigenden Preisen bei Lebensmitteln und Benzin
Von John Dyer, Boston **
Die schlimmste Dürre seit mehr als 70
Jahren hält die US-amerikanische
Landwirtschaft fest im Griff. Steigende
Getreide- und Fleischpreise gefährden
inzwischen sogar die wirtschaftliche
Erholung.
Wegen der extremen Dürre in den
USA befürchten Tausende Landwirte
den finanziellen Ruin. Aber
alle Amerikaner werden die Folgen
durch steigende Lebensmittelund
Treibstoffkosten zu spüren
bekommen. »Es entwickelt sich
von einer Krise zu einem Albtraum
«, erklärte der Agrarwissenschaftler
Tony Vyn von der
Universität Purdue in Philadelphia.
»Auf immer mehr Feldern
wird die Ernte komplett ausfallen.
«
Landwirt Kenny Brummer aus
Süd-Illinois hat mit Trockenheit
und ihren Folgen bereits seine Erfahrungen
gemacht. Er bewirtschaftet
knapp 330 Hektar mit
Mais. Damit füttert er seine 400
Kühe und 30 000 Schweine.
Nachdem seine Ernte bereits vernichtet
wurde, muss er Futtermittel
einkaufen. Diese sind allerdings
aufgrund der verstärkten
Nachfrage sehr teuer geworden.
Alle seine Tiere wird er nicht versorgen
können. Also wird ihm
nichts anderes übrig bleiben, als
einige vorzeitig schlachten zu lassen.
Um überhaupt irgendwie
durchzukommen, muss er seine
Lebensgrundlage verringern. »Wo
wird das noch hinführen?«, fragt
er sich. »Jeden Morgen wache ich
mit Sorgen auf. Natürlich ist die
Dürre schlimm, aber damit fangen
die Probleme eigentlich erst an.«
Gouverneur Pat Quinn besuchte
vor wenigen Tagen Brummers
Heimatort Waltonville. Diese
Gegend ist wie tausend andere Gemeinden
im mittleren Westen zum
Notstandsgebiet erklärt worden.
Verzweifelte Landwirte kommen
so in den Genuss von billigen Krediten
und anderen Hilfeleistungen.
Quinn versuchte auf einem
der ausgetrockneten Felder eine
Kornähre zu finden. Normalerweise
wäre er von Hunderten umringt,
doch dieses Mal dauerte es
einige Minuten, bis er eine fand.
Und sie war leer.
Nach Angaben der Wetterbehörde
NOAA sind im mittleren
Westen Temperaturen von 40
Grad Celsius an der Tagesordnung.
»Die Hitze hat Dutzende
Staaten fest im Griff«, erklärte Richard
Heim von NOAA. Ein Drittel
der USA leide unter »extremer bis
sehr extremer Dürre«, und mehr
als 80 Prozent der USA verzeichnen
überdurchschnittliche Temperaturen.
»So weit ich das sehe, werden
75 Prozent der Maisernte in den
betroffenen Gebieten vernichtet
werden«, sagte Mike Zuzolo, Präsident
von Global Commodity
Analytics and Consulting. Das
Landwirtschaftsministerium hatte
schon vor einigen Tagen ausgerechnet,
dass die Ernte um mindestens
zwölf Prozent geringer
ausfällt als im Vorjahr. Zudem ist
der Preis von Mais 45 Prozent höher
als normalerweise. Auch im
Ministerium wird davon ausgegangen,
dass die Ausfälle und
Preise noch steigen werden.
Dadurch werden auch die Lebensmittelpreise
weiter steigen –
für Getreide und für Fleisch. Und
da Mais auch im großen Stil für
die Treibstoffherstellung benutzt
wird, werden auch die Spritpreise
steigen. US-Landwirtschaftsminister
Tom Vilsack sagte, die Dürre
hätte zu keinem schlechteren
Zeitpunkt kommen können. Der
Wirtschaft sei es nach einer zaghaften
Erholung zuletzt wieder
schlechter gegangen. Durch die
Dürre würde ihre Entwicklung
weiter zurück geworfen.
** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. Juli 2012
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