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"Milliarden-Paket für die Entwicklungsländer", betonen die einen - "Mickrige Ergebnisse", die anderen

Unterschiedliche Reaktionen auf den G8-Gipfel im schottischen Gleneagles

Der G8-Gipfel am 6., 7. und 8. Juli 2005 im schottischen Gleneagles war überschattet von den verheerenden Terroranschlägen in London am 7. Juli. Dennoch wurden die Verhandlungen und Gespräche nicht abgebrochen und haben auch Ergebnisse erbracht. Die allerdings nehmen sich nach Auffassung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eher bescheiden aus, wie die im Folgenden dokumentierten Stellungnahmen belegen. Doch zu Beginn das, was die Agenturen über den Gipfel berichteten.



Der Gipfel aus Sicht des deutschen Bundeskanzlers:

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat eine positive Bilanz des G8-Gipfels der sieben führenden Industrieländer und Russlands gezogen. Trotz der verheerenden Terroranschläge in London seien wichtige Themen wie Afrika-Hilfen, mehr Klimaschutz und Impulse für die Weltwirtschaft auf den Weg gebracht worden. "Ich würde glauben - trotz aller Tragik, die auf diesem Gipfel liegt - dass er in der Sache durchaus erfolgreich war", sagte Schröder am 8. Juli zum Abschluss des dreitägigen Treffens der G8-Staats- und Regierungschefs im schottischen Gleneagles. Der Aufbruch, der von diesem Gipfel ausgehe, sei durch die Ereignisse in London zwar "gedämpft, aber nicht gebrochen".

Zuvor hatten sich die G8-Länder Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien, Japan und Russland auf einen weit reichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder sowie eine Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe verständigt. Auch in der bis zuletzt strittigen Frage des Klimaschutzes hatten sich die G8 etwas angenähert und einen unverbindlichen Aktionsplan beschlossen.

Mit Blick auf den Widerstand der USA gegen verbindliche Zusagen zum Klimaschutz sagte Schröder: "Ich glaube, dass man sich näher gekommen ist." Erstmals sei das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen von allen G8-Staaten als ein denkbares Instrument akzeptiert worden. Er wolle dies aber nicht überschätzen, weil er noch nicht sehe, dass die USA damit einverstanden seien, sagte Schröder. Erfreulich sei aber, dass große Schwellenländer wie China und Indien Interesse an mehr Energieeffizienz zeigten. Deutschland sei Weltmarktführer bei Solar- und Windenergie und habe etwas zu bieten.

Mit den Beschlüssen zur Erhöhung der Afrika-Hilfe hätten die G8 deutlich gemacht, dass sie es ernst meinten, sagte Schröder. Neben Haushaltsgeldern seien aber weitere Finanzmittel erforderlich. "Das wird kein leichter Ritt", sagte der Kanzler. Die Debatte darüber sei noch nicht abgeschlossen. Pläne der britischen Regierung, die Hilfen rasch über ein milliardenschweres Anleihen-Programm zu finanzieren, lehnte Schröder ab. Er verwies darauf, dass damit auch Banken kräftig verdienen würden. "Afrika zu helfen ist ein wichtiges Ziel, Goldman Sachs braucht keine Hilfe", sagte Schröder mit Blick vor allem internationale Investmentbanken. Unabhängig davon könne eine Impfkampagne auf den Weg gebracht werden. Das Volumen von vier Milliarden Dollar in zehn Jahren sei überschaubar. Der deutsche Anteil lasse sich aus dem Haushalt finanzieren, was "der ein oder andere Finanzminister sicher zurückhaltender" sehe. Bei den Afrika-Hilfen dürfe nicht nur auf Summen geschaut werden. Auch die Agrar-Exportsubventionen der Industriestaaten müssten endlich abgeschafft werden. Noch wichtiger sei ein freier Marktzugang für die Entwicklungsländer. Deutschland sei hier im Gegensatz zu anderen Industriestaaten weiter.

Die aktuelle Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) könne nur zum Erfolg werden, wenn die G8-Staaten sich für freie Märkte und Subventionsabbau engagierten. "Wir müssen in Hongkong weiter kommen", sagte der Kanzler zum WTO-Ministertreffen im Dezember. "Ich hoffe, es ziehen alle mit." Sein Vorstoß zu mehr Transparenz auf den Ölmärkten sei vor allem bei Entwicklungsländern auf positive Resonanz gestoßen, sagte der Kanzler. Schließlich hätten diese eine "unglaubliche Rechnung" zu zahlen. Schröder verwies darauf, dass eine Preisveränderung um einen Dollar pro Barrel (159 Liter) die deutsche Öl- und Gasrechnung um eine Milliarde be- oder entlaste. Ein "Transparenzgewinn" von wenigen US-Dollar je Barrel wäre daher schon ein Konjunkturprogramm.

(AP, 8. Juli 2005)

"Milliarden-Paket für die Entwicklungsländer"

Zum Abschluss ihres Gipfeltreffens im schottischen Gleneagles haben die G-8-Staaten ein Milliarden-Paket für die Entwicklungsländer beschlossen. Die Entwicklungshilfe soll bis zum Jahr 2010 um 50 Milliarden Dollar (rund 42 Milliarden Euro) aufgestockt werden, wie der britische Premierminister Tony Blair im schottischen Gleneagles ankündigte. Zudem stellten die G-8-Staaten die Abschaffung der Subventionierung von Agrarexporten in Aussicht.

"Das ist nicht das Ende der Armut in Afrika, aber die Hoffnung darauf, dass sie eines Tages enden wird", sagte Blair. Die Hilfen speziell für Afrika sollen bis zum Jahr 2010 um dann jährlich 25 Milliarden Dollar höher liegen - und damit im Vergleich zu 2004 verdoppelt werden. In den Aufstockungsbetrag von 50 Milliarden Dollar wurden teilweise auch schon beschlossene Programme sowie Schuldenerlasse eingerechnet. Somit handelt es sich nicht vollständig um frisches Geld. Im Gegenzug verpflichten sich die Empfängerländer zu guter Regierungsführung ("Good Governance") und einem verstärktem Bemühen um Demokratie.

Als weitere Hilfen für die Entwicklungsländer nannte Blair den bereits im Juni beschlossenen Schuldenerlass in Höhe von zunächst 40 Milliarden Dollar (rund 33,6 Milliarden Euro) für 18 der ärmsten Länder der Welt sowie die Absicht, für einen faireren Welthandel zu sorgen. In ihrer Abschlusserklärung stellten die G-8-Staaten zudem die Abschaffung der Subventionierung von Agrarexporten in Aussicht.

"Nichts von alledem wird die grausame Wirkung des Terrorismus aufheben können", sagte Blair nach dem G-8-Gipfel, der unter dem Eindruck der Anschlagsserie vom Donnerstag in London stand. Die Konferenz wurde am Freitag um eine Stunde abgekürzt, damit Blair eher zum Krisenmanagement in die Hauptstadt zurückkehren konnte. Der britische Außenminister Jack Straw sagte, die Londoner Anschläge hätten die Teilnehmer des Gipfeltreffens geradezu zusammengeschweißt.

Ferner beschlossen die G-8-Staaten, die palästinensische Autonomiebehörde mit drei Milliarden Dollar (2,5 Milliarden Euro) zu unterstützen. Das Geld solle "in den kommenden Jahren" fließen, sagte Blair. Einen genauen Zeitrahmen nannte er nicht.

Zugleich kündigten die G-8-Staaten für den 1. November eine Klimaschutzkonferenz in Großbritannien an. Ziel sei "ein neuer Dialog" zwischen den G-8-Staaten und den aufstrebenden neuen Wirtschaftsländern, um das Problem der Erderwärmung anzugehen, sagte Blair. Der Ausstoß der schädlichen Emissionen solle zunächst verlangsamt und später zurückgefahren werden.

(AFP, 8. Juli 2005


Mickrige Ergebnisse - das Konzept G8 ist am Ende

Erklärung von Attac: Gleneagles, 08.07.2005

"Noch nie war die Kluft zwischen Ankündigungen und Ergebnis eines G8 Gipfels so groß wie dieses Mal", erklärte Peter Wahl vom Attac-Koordinierungskreis zum G8 in Gleneagles. "Von den vollmundigen Sprüchen vom Jahr der Entscheidung und vom historischen Durchbruch ist unterm Strich gerade mal ein mickriger Schuldenerlass geblieben," so Wahl. Der schottische Spargipfel zeige, dass das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag dieser Veranstaltungen immer krasser wird. "Das wäre auch ohne die verbrecherischen Anschläge in London so gewesen" sagte Wahl. Zur ohnehin fehlenden Legitimation der G8 als Weltregierung kommt die offensichtliche Handlungsunfähigkeit. "Die Fähigkeit dieses Gremiums, Lösungen für die brennenden Probleme des Planeten zu finden tendiert gegen Null." Es müssten neue Konzepte her, das Konzept G8 sei am Ende, erklärte der Attac-Vertreter.

Besonders stolz sind die G8 auf ihre Entschuldungsinitiative. Die Entwicklungsländer zahlen jährlich über 300 Mrd. US$ an Zinsen und Tilgungen. Durch den G8-Beschluss werden es im nächsten Jahr lediglich ca. 1 Mrd.Us $ weniger sein. "Schon der Kölner G8-Gipfel 1999 rühmte sich, eine abschließende historische Lösung gefunden zu haben. Wie viele historische Lösungen soll es noch geben, die schon Makulatur sind, bevor die Tinte trocken ist? "Für 18 Länder ergeben sich zwar ein paar Spielräume, aber die Schuldenkrise als globaler Verteilungskonflikt wird dadurch nicht mal ansatzweise gelöst", sagte Philipp Hersel, ebenfalls Mitglied des Attac-Koordinierungskreises. Weiterhin kritisierte Hersel, dass der Erlass an die überholten und dogmatischen Auflagen neoliberaler Strukturanpassung geknüpft ist. "Der auch zukünftige Zwang zu Privatisierung und Marktöffnung verschärft die Armut in weitaus stärkerem Maße, als sie durch den geringeren Schuldendienst reduziert wird."

Auch bei allen anderen Plänen, wie die Abgabe auf Flugtickets, die Internationale Finanzfazilität oder die Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika, haben wechselnde Koalitionen eine Entscheidung blockiert. "Keinerlei Bewegung gab es auch bei der Klimaproblematik," sagte Peter Wahl. "Bush hat nichts unterschrieben, was er nicht bereits vorher dazu gesagt hätte."


Gipfel der verpassten Chance

G8-Kompromiss zum Klimaschutz laut WWF "weniger als nichts"

Der von den Terroranschlägen überschattete G8-Gipfel in Schottland hat nach Einschätzung des WWF den internationalen Klimaschutz nicht voran gebracht. Die von der Bundesregierung vollmundig verkündeten "Fortschritte" seien ein Etikettenschwindel. Bei der Bush-Administration sei keinerlei Bewegung erkennbar. Im vorab bekannt gewordenen Abschlussdokument wird anerkannt, dass der Klimawandel ein Problem darstellt. Es gibt aber keine konkreten Ziele oder Maßnahmen vor. "Das ist in etwa so als ob die Regierungschefs anerkennen, dass die Erde keine Scheibe ist", kritisiert Jennifer Morgan Leiterin des internationalen Klimaprogramms des WWF. Die bekannt gewordenen Formulierungen seien windelweich und blieben weit hinter den notwendigen Maßnahmen zurück.

Der G8-Gipfel habe versäumt, ein klares Bekenntnis abzugeben, den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius zu halten. Hierzu seien stärkere Reduzierungen der Treibhausgasemissionen nötig. Allein auf Technik zu setzen, wie es die US-Amerikaner propagieren, gehe am Problem vorbei. Natürlich müssen technische Lösungen vorangetrieben werden, parallel müsse man aber Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Investitionen in klimaverträgliche Technologien lohnen.

Die Europäer haben nach Einschätzung des WWF die Chance verpasst, sich als zukunftsfähige Regierungen zu profilieren. Insgesamt habe sich der Graben zwischen den USA und dem Rest der Welt noch vertieft. Der WWF ist enttäuscht, dass es nicht gelungen sei, den fünf größten Schwellenländern, Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika den Weg für eine CO2-arme Entwicklung zu ebnen. Finanzielle und technische Unterstützung der G8 suche man vergeblich.

Aus: Internetzeitung www.ngo-online.de, 8. Juli 2005





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