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G-8-Gipfel in Kanada: Außer Spesen nichts gewesen?

Gespräch mit Rainer Falk, Vorstandsmitglied von WEED (Weltwirtschaft, Umwelt und Entwicklung)

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview, das am 29. Juni in der "jungen Welt" abgedruckt war. Es wurde geführt mit Rainer Falk vom Vorstand von WEED (Weltwirtschaft, Umwelt und Entwicklung). Rainer Falk hat selbst an den zahlreichen Veranstaltungen des "Gegengipfels" teilgenommen. Das Interview führte für die jw Hannes Kleber.


Frage: Sie haben an den Protesten und Veranstaltungen gegen das G-8-Treffen in den kanadischen Rocky Mountains teilgenommen. Wer hatte die Proteste organisiert?

Das waren die unterschiedlichsten Gruppen, angefangen von kanadischen NGOs, bis hin zu Basis- und Dritte-Welt-Gruppen. Es gab einen Gegenkongreß, einen sogenannten People’s Summit, am Wochenende vor dem Gipfel unter dem Motto »Wir sind die Gruppe der sechs Milliarden«. Auf diesem Kongreß wurde eine breite Diskussion über die Themen organisiert, die auch auf dem Gipfel auf der Tagesordnung standen. Es gab darüberhinaus verschiedene Demonstrationen. In Calgary kamen bis zu 2500 Menschen, in der Landeshauptstadt, in Ottawa, bis zu 5000 Menschen zusammen. Insgesamt sind diese Aktionen friedlich abgelaufen, was auch in der Presse sehr positiv berichtet wurde.

F: Wie war die internationale Beteiligung an den Aktionen und am Gegengipfel?

Es gab vor allen Dingen Teilnehmer aus den USA, es gab aber auch sehr viele Gäste von afrikanischen Organisationen, da hier auf dem offiziellen Gipfel der Haupttagungsordnungspunkt die sogenannte neue Partnerschaftsinitiative für Afrikas Entwicklung (NEPAD) gewesen ist.

F: Was war das wichtigste Anliegen der Proteste?

Es gab natürlich den Hauptkritikpunkt wie bei den anderen G-8-Treffen auch, daß dieses ein elitärer Club ist, der nur sich selbst repräsentiert, aber Entscheidungen für die ganze Welt trifft. Und dann gab es zweitens den Afrika-Aktionsplan, der im Mittelpunkt der Kritik stand.

F: Der sogenannte NEPAD?

Ja. NEPAD ist die Initiative der afrikanischen Staatschefs unter Führung von Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki, und dazu haben die G8 einen Aktionsplan verabschiedet.

F: Wie hat die kanadische Öffentlichkeit Proteste und Gipfel aufgenommen?

Die hiesige Öffentlichkeit hat die Protestaktionen eigentlich sehr positiv aufgenommen. Die Medien haben hervorgehoben, daß es sich um einen sogenannten friedlichen Dissens handelt, also um einen friedlichen Protest gegen einen offiziellen Gipfel, den viele in seiner Bedeutung nicht nachvollziehen konnten. Die kanadischen Gastgeber des G-8-Treffens haben zwar gesagt, daß der Gipfel diesmal kleiner ausfallen soll und daß sie ihn effektiver gestalten wollen, aber dennoch war es der teuerste aller bisherigen G-8-Gipfel. Man schätzt, daß 500 Millionen US-Dollar für diesen Gipfel ausgegeben wurden. Nicht zuletzt die enormen Sicherheitsmaßnahmen waren sehr kostspielig.

F: Mit welchem Eindruck fahren Sie von den Protesten nach Hause? Hat die nordamerikanische Protestbewegung ihre Lähmung, die sie nach den Anschlägen vom 11. September befallen hatte, überwunden?

Man könnte das, was wir hier in diesen Tagen in Kanada erlebt haben, als einen Auftakt sehen, als ein Zeichen dafür, daß die Bewegung wieder neue Kraft gefunden hat. Allerdings war in Kanada die Lähmung der globalisierungskritischen Bewegung nie so groß wie in den USA. Daß die Proteste hier so friedlich abgelaufen sind, hat sicher vielen Mut gemacht und dürfte dazu führen, daß die Bewegung wieder an Boden gewinnt.

F: Was ist von den Ergebnissen des G-8-Gipfels zu halten? Sehen Sie die Aussichten für die Weltwirtschaft ähnlich optimistisch, wie die G-8-Chefs?

Ich denke, daß ist lediglich propagandistischer Optimismus, was hier praktiziert wurde. Der Anspruch, auf den Gipfeln internationale Wirtschaftspolitik zu betreiben, ist längst aufgegeben worden. Im wesentlichen ist die Haltung der G-8-Länder, daß man alles den Märkten überläßt. In sofern gab es fast keinerlei wirtschaftspolitische Impulse, die von diesem Gipfel ausgegangen sind. Nicht einmal der Skandal um WorldCom hat zu größeren wirtschaftspolitischen Diskussionen auf dem Gipfel geführt.

Aus: junge Welt, 29. Juni 2002


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