Der Internationale Suchtstoffkontrollrat der UNO stellte gestern seinen Weltdrogenbericht 2010 vor. Das 1968 gegründete Überwachungsgremium mahnt darin effektive Schritte gegen die Korruption an und warnt vor neuen Designerdrogen. Dass viele der Probleme mit westlicher Bündnispolitik und dem globalen Raubtierkapitalismus zusammenhängen, verschweigt der Bericht jedoch.
Seit nunmehr 43 Jahren kämpft der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) der Vereinten Nation gegen illegale Drogen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Denn sowohl die Anzahl der verbotenen Substanzen als auch die der Konsumenten nimmt ständig zu. Am Mittwoch stellte der INCB seinen Jahresbericht 2010 zeitgleich in Wien und Berlin vor. Darin fordert der Kontrollrat unter anderem einen »verstärkten Einsatz« gegen »drogenbedingte Korruption«. Carola Lander, einziges deutsches Mitglied in dem Gremium, unterstrich in Berlin, dass dafür »transparente Systeme zur Rekrutierung und Beförderung von Beamten« und mehr Transparenz im Justizwesen nötig seien.
Wie das Beispiel Afghanistan zeigt, sind die kleinen Beamten jedoch nicht das Hauptproblem. Laut INCB-Bericht ist das Land am Hindukusch der größte Heroinproduzenten der Welt und Europa der »weltweit größte Markt« für den Stoff. Während der INCB die Drogentoten zählt, betreiben die afghanischen Verbündeten der ISAF-Truppen ganz offen ihr Heroingeschäft. Selbst der Bruder des afghanischen Präsidenten soll in den Handel verwickelt sein. So ähnlich verhält es sich in Kolumbien, wo die von den USA unterstützten Militärs ins Kokain-Business verstrickt sind. Aber solche Zusammenhänge sucht man im Bericht vergebens.
Und auch wenn der Suchtstoffkontrollrat eindringlich warnt, dass »die Produktion von Designerdrogen außer Kontrolle« sei, ignoriert er die ökonomischen und politischen Dimensionen des Problems. In Europa sind vor allem Rauschdesignerdrogen wie Mephedron auf dem Vormarsch. Eine Generation junger, prekarisierter Europäer ohne Jobperspektive flieht kollektiv in den Rausch. Die Drogenköche sind kreativ. »Ständig kommen neue Substanzen hinzu«, betonte Lander am Mittwoch. Allein in Europa zählt der INCB derzeit 16 neue Designer-Drogen. Anleitungen zu deren Herstellung finden sich im Internet.
In Asien nimmt hingegen der Konsum von leistungssteigernden Amphetaminen zu. Dass sich diese Durchhaltedroge dort solch großer Beliebtheit erfreut, ist einfach zu erklären. Viele Thailänder oder Inder schuften in Fabriken, in denen länger als 14 Stunden pro Tag für den Weltmarkt produziert wird. Ohne Doping hält die Plackerei auf Dauer niemand aus.
Der INCB-Bericht unterstreicht zudem, dass Arzneimittel gegen Krankheiten und Schmerzen für alle zugänglich sein müssten: Demnach werden 90 Prozent der Arzneimittel in westlichen Staaten konsumiert, obwohl hier nur 10 Prozent der Weltbevölkerung zu Hause sind. Dagegen haben 80 Prozent aller Erdenbürger keinen oder »nur ungenügenden Zugang« zu Schmerzmitteln und »leiden daher unnötig«. Währenddessen nimmt der Medikamentenmissbrauch im Westen weiter zu. Europäischer Spitzenreiter beim Pro-Kopf-Verbrauch sind die Deutschen: Fast zwei Millionen Bundesbürger gelten als tablettenabhängig.
Doch der Mangel an legalen Schmerzmitteln in vielen Entwicklungsländern ist auch hausgemacht. Der INCB trägt eine Mitschuld, weil sein westlich inspirierter Drogenpuritanismus seit langem tradierte Mittel illegalisiert, während er etwa das tödliche Zellgift Alkohol toleriert. Beispiel Bolivien: Am Mittwoch kritisierte Carola Lander auch, dass die Zahl der Kokabüsche in dem Andenstaat zugenommen habe.
Hier zeigt sich ein Grundproblem der Drogenbekämpfung aus westlicher Perspektive. Denn Kokablätter – die von indigenen Ureinwohnern seit Jahrhunderten gekaut werden – sind ein milder Wachmacher und Schmerzstiller. Kokain aber, das durch chemische Prozesse aus den Blättern gewonnen wird, hat mit Koka nicht mehr viel zu tun. Es wird vor allem von übersättigten Europäern und US-Amerikanern konsumiert. Weil die Gringos Koka missbräuchlich verwenden, sollen die Bolivianer auf ihre heilige Pflanze verzichten. Auch eine Art von Drogenimperialismus, den Boliviens indigener Präsident Morales zurecht kritisiert.
Verstärkter Einsatz notwendig zur Einschränkung der negativen Folgen drogenbedingter Korruption
Auszüge aus der Presseinformation zum Jahresbericht 2010 des INCB
Wien, 2. März (Informationsdienst der Vereinten Nationen) — Im Kampf gegen den Drogenhandel muss die
Verhinderung der Korruption einen höheren Stellenwert einnehmen, so der Internationale Suchtstoffkontrollrat
in seinem
Jahresbericht 2010 [externer Link, pdf-Datei], der heute in Wien vorgestellt wurde.
„Nichts hat dermaßen negative Folgen für den Kampf gegen Drogenhandel wie die erfolgreichen Versuche
krimineller Organisationen, Amtspersonen einzuschüchtern und zu bestechen“, sagt Ratspräsident Hamid
Ghodse und unterstreicht die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen und dauerhafter Engagements.
„Beamte von Polizei und Justiz sehen sich bei ihrer Arbeit im Bereich der Drogenhandelsprävention häufig
einem enormen Druck durch das organisierte Verbrechen ausgesetzt. Ohne adäquaten Schutz stehen sie vor
einer schwierigen Wahl: Sollen sie selbst zu Gewaltopfern werden und womöglich ihr Leben verlieren oder ihre
Integrität einbüßen und zu Komplizen von Kriminellen werden?“, stellt Ghodse fest.
Der Bericht verweist darauf, dass die ungeheuren Profite, die auf dem Drogenmarkt eingefahren werden, die
finanziellen Mittel staatlicher Institutionen häufig übersteigen und so eine große Bedrohung für die öffentliche
und internationale Sicherheit darstellen. Kriminelle Organisationen mit Drogenhandelsimperien sind in einigen
Fällen sogar zu politischen Kräften geworden, ausgestattet mit der Macht und den Befugnissen legaler Institutionen.
Gerade die Behörden, die zur Kontrolle und Beseitigung des Drogenhandels gegründet wurden, sind
selbst korruptionsgefährdet.
Korruption wird strategisch eingesetzt
Es zeigt sich, dass die erfolgreichsten kriminellen Organisationen Gewalt und Bestechung strategisch und
systematisch einsetzen, um einen ungehinderten Fluss illegaler Drogen zu gewährleisten, so der Rat. Was sie
nicht durch Bestechung erreichen, lässt sich immer noch durch Gewaltanwendung und Einschüchterung erzielen
und umgekehrt, heißt es im Bericht. Darum leiden Regionen mit intensivem Drogenhandel oft unter hoher
Gewalt und Korruption.
Für die Profitmaximierung im Drogenhandel suchen und finden die meisten kriminellen Organisationen Mittel
und Wege, um sich der Komplizenschaft wichtiger Amtspersonen zu versichern.
Die tatsächliche Verbreitung von Korruption zu messen, ist nicht einfach. Offizielle Angaben sind gewöhnlich
den nationalen Kriminalitätsstatistiken entnommen und verweisen daher eher auf den Erfolg von Antikorruptionsmaßnahmen
als auf das eigentliche Ausmaß der Korruption. Offizielle Zahlen werden auch durch das
Vertrauen der Bürger in die Polizei und die Bereitschaft der Opfer zur Anzeige der Straftat beeinflusst. Ergänzend
zu den offiziellen Daten werden Erhebungen zur öffentlichen Wahrnehmung von Korruption herangezogen.
Der Einfluss der Korruption ist hingegen leicht zu erkennen. Der Bericht beschreibt, dass Korruption sich nachteilig
auf Glaubwürdigkeit und Effizienz des Strafrechtssystems auswirkt und eine Schwächung des Rechtsstaates
zur Folge hat. Länder, in denen mit Betäubungsmitteln gehandelt wird, sind besonders gefährdet. Dienststellen
für Betäubungsmittelkontrolle, die mit großen Geldsummen und Drogenmengen umgehen, sind am stärksten
betroffen, dasselbe gilt aber auch für die jeweiligen Abteilungen von Justiz- und Zollbehörden. Beamte dieser
Abteilungen haben nicht nur mehr Gelegenheit, sich bestechen zu lassen, sie werden auch aggressiv von kriminellen
Gruppen angeworben.
Kampf gegen drogenbedingte Korruption
Der Bericht legt Strategien zur Inangriffnahme des drogenbedingten organisierten Verbrechens und zur Umsetzung
präventiver Maßnahmen dar. Da global arbeitende kriminelle Netzwerke über gewaltige Mittel verfügen und
Zugang zu hochentwickelten Technologien haben, sind sie in der Lage, sich rasch auf neue Taktiken der Drogenkontrolle
einzustellen und die Schwächen der Drogenkontrollbehörden auszunutzen. Präventivmaßnahmen werden
daher immer wichtiger, betont der Bericht.
Der Bericht ruft die Regierungen auf, effiziente, transparente und objektive Systeme zur Rekrutierung und
Beförderung von Beamten zu installieren, zugleich aber auch ein System der Leistungskontrolle und Rotation
von Mitarbeitern. Alle Behörden, die auf dem Gebiet der Drogenkontrolle tätig sind sind, sollten über Regelwerke
verfügen, die der Offenlegung von Interessenskonflikten sowie der Erfassung von Vermögenswerten
dienen, und sie sollten auch in der Lage sein, Disziplinarverfahren anzustrengen.
Größere Transparenz ist entscheidend für die Prävention von Korruption im Justizwesen. Verfahren sollten
öffentlich sein, und Richter müssen ihre Entscheidungen begründen, wobei diese Urteile schriftlich niedergelegt
und der Öffentlichkeit sowie den Medien zugänglich gemacht werden müssen.
Der Präsident des Suchtstoffkontrollrats ruft die politischen Entscheidungsträger auf, dem Rechtsstaat die
entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, damit er seinen Pflichten nachkommen kann. Jenen Staaten,
die technische oder andere Formen der Unterstützung benötigen, sollte diese gewährt werden. Die Hauptverantwortung
zum Schutz ihrer Bürger vor Einschüchterung und Korruption liegt zwar bei den Regierungen, doch
internationale Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, da sie die zentralen Strafvollzugsorgane zur
Kooperation befähigen kann.
ARZNEIMITTEL ZUR BEHANDLUNG VON KRANKHEITEN UND SCHMERZEN MÜSSEN FÜR ALLE ZUGÄNGLICH SEIN — INCB RUFT REGIERUNGEN UND DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT ZUM HANDELN AUF
Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen oder nur ungenügenden Zugang zu Schmerzmitteln
und leiden daher unnötig, so der heute veröffentlichte Jahresbericht des INCB.
„Neunzig Prozent der legalen Drogen werden von zehn Prozent der Weltbevölkerung in den Vereinigten Staaten,
Australien, Neuseeland und einigen europäischen Ländern konsumiert“, drückt Ratspräsident Hamid Ghodse
die Sorge des INCB aus. Viele Länder in Afrika, Asien und Teilen des amerikanischen Kontinents haben sehr
wenig oder gar keinen Zugang zu Betäubungsmitteln und psychotropen Substanzen zu medizinischen Zwecken.
Laut INCB gibt es genügend Rohstoffe, um den medizinischen Bedarf aller Menschen nach opioiden Schmerzmitteln
zu befriedigen. Doch eine Reihe von Barrieren behindert den Zugang zu diesen Medikamenten. Obwohl
der Kostenfaktor oft als Haupthindernis angenommen wird, werden kostengünstige Pharmazeutika in vielen
Ländern erfolgreich vertrieben — was beweist, dass ökonomische Schranken überwindbar sind.
Zu den Hindernissen für den Zugang zu Arzneimitteln gehören mangelnde Ausbildung von medizinischem
Personal, behördliche Auflagen, Schwierigkeiten beim Vertrieb sowie das Fehlen einer umfassenden Gesundheitspolitik,
die auch die Schmerzbehandlung einschließt. Drogenkontrollsysteme können dafür sorgen, dass
genügend Betäubungsmittel und psychotrope Substanzen für medizinische und wissenschaftliche Zwecke zur
Verfügung stehen und gleichzeitig verhindern, dass diese unsachgemäß verwendet oder missbraucht werden.
Während fehlender Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Patienten das Recht auf medizinische
Versorgung und Linderung von Schmerzen und Leiden beraubt, kann ein Überangebot zu Missbrauch und in
der Folge zu Drogenabhängigkeit führen. In seinem Bericht lenkt der INCB die Aufmerksamkeit auf das Problem
des Missbrauchs von Schmerzmitteln, der in einigen Ländern sogar den Missbrauch illegaler Drogen
übersteigt.
Der Rat empfiehlt den Regierungen dringend, die in seinem Bericht enthaltenen Empfehlungen mit Unterstützung
der internationalen Gemeinschaft anzunehmen, um die Barrieren zu identifizieren, die zu einem ungenügenden
Zugang führen, und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Empfehlungen des Rats umfassen
das gesamte Spektrum der Gebiete, die den Zugang zu Drogen für medizinische und wissenschaftliche Zwecke
beeinflussen, zum Beispiel die Sammlung von statistischen Daten zum Bedarf an legalen Drogen, Gesetzgebung,
Erziehung und Ausbildung, staatliche Kontrollsysteme, Prävention von Abzweigung und Missbrauch.
Regionale Schwerpunkte
Afrika
Der Jahresbericht 2010 des Internationalen Suchtstoffkontrollrats (INCB) stellt fest, dass der Kokainschmuggel
durch Afrika nach Europa wieder ansteigt. Nach einem Rückgang des Kokainhandels in der Region in den letzten
beiden Jahren zeigt sich wieder ein Aufwärtstrend, wie mehrere große Beschlagnahmungen 2010 zeigen.
Im Juni des Jahres wurden rekordverdächtige 2,1 Tonnen Kokain in Gambia sichergestellt. Im Mai wurden in
Liberia Mitglieder eines Drogenhandelsnetzwerks festgenommen, weil sie versucht hatten, mindestens 4 Tonnen
Kokain nach Europa zu schmuggeln, und 450 Kilogramm Kokain aus Chile wurden im Juli in Nigeria abgefangen.
Kokain ist durch seinen enormen Wert im Vergleich zur Größe der Volkswirtschaften der betroffenen Länder
eine ernste Gefahr. Drogenhändler verfügen über die Mittel, Beamte zu bestechen, um ihre Operationen zu
sichern. Im März 2010 wurden elf hohe Beamte gambischer Strafvollzugsbehörden im Zusammenhang mit
Drogenhandel verhaftet.
In Afrika wird Cannabis noch immer am meisten produziert, gehandelt und konsumiert. Die Jahresprävalenz des
Drogenmissbrauchs in der Bevölkerungsgruppe der 15- bis 18-Jährigen fluktuiert zwischen fünf und zehn Prozent
und beträgt damit etwa das Doppelte der globalen Durchschnittsrate. Marokko gehört nach wie vor zu den weltweit
größten Produzenten von Cannabisharz, vermeldet jedoch einen signifikanten Rückgang des Cannabisanbaus (von
134 000 Hektar im Jahr 2003 auf 56 000 Hektar im Jahr 2005) und der Cannabisharzproduktion (von 3070 Tonnen
auf 820 Tonnen im gleichen Zeitraum).
Ostafrika ist das wichtigste Transitgebiet für den Heroinschmuggel von Asien nach Afrika, hauptsächlich über
die großen Flughäfen von Addis Abeba und Nairobi. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr etwa 35 Tonnen
Heroin nach Afrika geschmuggelt, wovon mehr als die Hälfte (25 Tonnen) von afrikanischen Drogenabhängigen
(geschätzt etwa 1,2 Millionen) konsumiert wird, während der Rest in andere Regionen transportiert wird, vor
allem nach Europa.
Der Rat zeigt sich besorgt angesichts der Tatsache, dass in Afrika der Missbrauch fast aller Typen von Drogen
in den letzten Jahren angestiegen ist. Das ist besonders beunruhigend, da das staatliche Gesundheitssystem
in vielen Ländern nicht über die Mittel verfügt, um Drogenabhängige entsprechend zu behandeln.
Während der Handel mit Vorläufersubstanzen, die zur Produktion von Drogen notwendig sind, rückläufig
ist, stellen gefälschte Arzneimittel weiterhin ein großes Problem dar. In vielen afrikanischen Ländern können
gefälschte Pharmazeutika auf Straßenmärkten erworben werden und stellen ein hohes Risiko für die Gesundheit
der Bevölkerung dar.
Amerika
Mittelamerika und die Karibik
Aufgrund ihrer Lage an der Schnittstelle zwischen den Hauptherstellerländern in Südamerika und den Konsumentenmärkten
in Nordamerika und Europa ist die mittelamerikanische und karibische Region nach wie vor
ein wichtiges Transitgebiet für den illegalen Drogenhandel in großem Maßstab. Die Gesamtmenge an Kokain,
die nach Nordamerika geschmuggelt wurde, ist zwar wegen sinkender Nachfrage zurückgegangen, doch der
durch Mittelamerika transportierte Anteil ist gestiegen.
In den Vereinigten Staaten konsumierten 2009 etwa 38 Millionen Menschen illegale Drogen, ein Anstieg
von 2,5 Millionen im Vergleich zu 2008. Von 1999 bis 2007 verdoppelte sich die Anzahl der Drogentoten
auf 38 371 (2007); in einigen Bundesstaaten überstieg die Anzahl der drogenbedingten Todesfälle die Anzahl
der Verkehrstoten. Cannabis ist nach wie vor die am weitesten verbreitete Missbrauchsdroge (28 Millionen im
Jahr 2009).
In Kanada ging der Drogenmissbrauch bei jungen Leuten (den 15- bis 24-Jährigen) zurück: Cannabiskonsum
sank von 32,7 Prozent im Jahr 2008 auf 26,3 Prozent im Jahr 2009, Kokain- und MDMA-Missbrauch halbierten
sich im selben Zeitraum.
Südamerika
Im Jahr 2009 reduzierte sich das Gesamtanbaugebiet des Kokastrauchs in Südamerika zum zweiten Mal in
Folge, was auf einen beträchtlichen Rückgang des Anbaus in Kolumbien zurückzuführen ist. In Bolivien und
Peru vergrößerte sich dagegen das Kokaanbaugebiet zum vierten Mal in Folge.
Während der Kokainmarkt in den Vereinigten Staaten schrumpfte (etwa 40 Prozent Marktanteil), steigt der
Marktanteil in Europa weiterhin (30 Prozent). Im Südkegel beträgt er lediglich 10 bis 20 Prozent. Mittelamerika
und die Karibik sind weiterhin ein Haupthandelsweg für illegale Drogen aus Südamerika mit dem Ziel
Nordamerika und Europa. Kolumbien ist nach wie vor Hauptherkunftsland von Kokain für Europa, allerdings
spielt Peru eine immer wichtigere Rolle.
In den letzten Jahren ist der Einsatz von Halbtaucherschiffen für den Drogenschmuggel deutlich gestiegen, ebenso
wie die Frachtkapazität dieser Schiffe. In den Jahren 2008 und 2009 konfiszierten Strafverfolgungsbehörden
34 Halbtaucherschiffe. Ein U-Boot, das im Juli 2010 in Ecuador konfisziert wurde, hatte 14 Tonnen Drogen transportiert.
In Afrika gibt es zudem Anzeichen für einen gestiegenen Kokainhandel mit großen Frachtflugzeugen.
In Bolivien, Kolumbien und Peru wurden 2008 fast 10 000 Koka verarbeitende Labore zerstört. Doch in den
letzten Jahren wurden auch Kokainlabore in Argentinien, Venezuela, Chile und Ecuador vernichtet. Im Oktober
2009 zerstörten die ecuadorianischen Behörden eines der größten Kokainlabore, die es je im Land gegeben
hat; dort wurden 20 Tonnen Kokain pro Monat produziert.
Das illegale Anbaugebiet von Schlafmohn in Südamerika macht nur 1 Prozent der weltweiten Anbaufläche aus.
In Kolumbien, dem Land mit dem umfangreichsten illegalen Schlafmohnanbau in Südamerika, ist die Fläche
allmählich von 6500 Hektar im Jahr 2000 auf 356 Hektar im Jahr 2009 zurückgegangen.
Kaliumpermanganat bleibt das wichtigste Oxidationsmittel bei der Herstellung von Kokain in Südamerika. Im
Jahr 2009 wurden 22,8 Tonnen davon in Kolumbien sichergestellt. Das ist die kleinste Gesamtmenge der
Substanz, die in den letzten zehn Jahren im Land beschlagnahmt wurde. Die Menge an Kaliumpermanganat,
die in kolumbianischen Geheimlaboren hergestellt wurde, reicht aus, um die gesamte Nachfrage der Drogenhändler
zu decken.
Asien
Ost- und Südostasien
In Ost- und Südostasien sind Herstellung, Handel und Missbrauch synthetischer Drogen seit 2008 signifikant
gestiegen. Illegale Herstellung von amphetaminähnlichen Stimulanzien fand dort statt, wo die benötigten
Vorläufersubstanzen leicht zugänglich waren. Nennenswerte Mengen von Methamphetamin kamen aus der
Islamischen Republik Iran sowie Nachbarländern in der Region, was einen neuen Trend darstellt.
Im Jahr 2009 wurden in China 6,6 Tonnen Methamphetamin und 1,1 Millionen Ecstasy-Tabletten beschlagnahmt.
Europa als Quelle für MDMA hat an Bedeutung verloren, und mehr Länder außerhalb Europas vermeldeten
einheimische Herstellung. China und die Niederlande zum Beispiel wurden als Herkunftsländer für in Indonesien
konfisziertes MDMA angegeben.
Die Opiumproduktion in der Region stieg wieder an, was auf einen 11-prozentigen Anstieg in Myanmar zurückzuführen
ist. Von dort stammen 95 Prozent der Gesamtproduktion in Ost- und Südostasien. Trotz dieses Anstiegs
kamen 2009 aber nur fünf Prozent des weltweit illegal hergestellten Opiums aus der Region.
Heroin ist nach wie vor die wichtigste Missbrauchsdroge in China, Malaysia, Myanmar, Singapur und Vietnam,
wobei die meisten Länder in der Region sinkende oder stabile Trends beim Heroinkonsum melden. Steigender
Konsum von Methamphetamin wird aus Kambodscha, China, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur,
Thailand und Vietnam gemeldet. Methamphetamin ist bereits die Missbrauchsdroge Nr.1 in Laos und Thailand
und die zweitwichtigste in Kambodscha und China.
Geschätzte 25 Prozent aller injizierenden Drogenabhängigen weltweit leben in Ost- und Südostasien. Das Risiko
einer HIV-Epidemie bleibt hoch. Der Rat unterstreicht, wie wichtig die Unterstützung bei der HIV-Prävention
sowie Beistand und Betreuung von Drogenabhängigen in Ost- und Südostasien ist.
Südasien
Südasien hat sich zu einer der wichtigsten Regionen entwickelt, in der Drogenhändler sich die zur
illegalen Herstellung von Methamphetamin notwendigen Chemikalien beschaffen, vornehmlich Ephedrin und
Pseudoephedrin.
Indische Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmten 2009 1,2 Tonnen Ephedrin. Kriminelle Netzwerke nehmen
immer häufiger Bangladesch als Quelle für jene pharmazeutischen Produkte ins Visier, die diese Vorläufersubstanzen
enthalten. In Bangladesch wird auch Pseudoephedrin aus Indien tablettiert, bevor es nach Mittelamerika
und in die Karibik verschickt wird.
In Indien werden immer mehr Einrichtungen entdeckt, in denen Vorläufersubstanzen für Märkte in anderen
Ländern zu Methamphetamin verarbeitet werden.
Pharmazeutische Produkte, die Betäubungsmittel enthalten, werden in südasiatischen Ländern verbreitet missbraucht.
In Bangladesch wurden 2009 18 600 Ampullen mit Buprenorphin, einem Schmerzmittel, sichergestellt
— ein signifikanter Anstieg im Vergleich zu 2006. Indien ist eines der Hauptherkunftsländer für psychotrope
Substanzen, die von illegalen Versandapotheken über das Internet verkauft werden.
Cannabis wird in großem Umfang überall in Südasien angebaut. So haben zum Beispiel 2009 Strafverfolgungsbehörden
in Bangladesch 2,1 Tonnen Cannabiskraut beschlagnahmen können.
Westasien
Die illegale Opiumproduktion in der Region wurde 2010 verglichen mit dem Vorjahr nahezu halbiert. Der starke
Rückgang auf jetzt 3600 Tonnen war hauptsächlich einer Pilzkrankheit zuzuschreiben, die den Schlafmohn
befiel. Der Umfang des Gebiets mit illegalem Schlafmohnanbau blieb aber derselbe wie im Vorjahr.
Der Opiumvorrat in Afghanistan und den Nachbarländern beträgt insgesamt etwa 12 000 Tonnen, das entspricht
der weltweiten illegalen Nachfrage nach Opiaten von 2,5 Jahren. Die Tatsache, dass die illegale Opiumproduktion
2010 zurückging, bedeutet keineswegs einen Rückgang der Heroinproduktion auf dem Schwarzmarkt, da
genügend Opiumvorräte vorhanden sind.
Da die Opiumpreise in die Höhe schossen und ein Kilogramm trockenes Opium heute für US$ 207 verkauft
wird, verglichen mit US$ 78 im Jahr 2009, ist es durchaus möglich, dass afghanische Bauern 2011 noch mehr
Schlafmohn anbauen wollen.
Fast der gesamte illegale Schlafmohnanbau in Afghanistan konzentriert sich auf die südlichen und westlichen
Landesteile. In der Provinz Helmand werden 53 Prozent des Ackerlandes für den Schlafmohnanbau genutzt.
Von 34 afghanischen Provinzen sind 20 dauerhaft frei von Schlafmohnanbau, wobei die nördliche Region ihren
2009 erreichten schlafmohnfreien Status beibehält.
Der Drogenmissbrauch im Land selbst ist dramatisch gestiegen. In Afghanistan gibt es jetzt fast eine Million
Drogenabhängige, etwa 8 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren. Verglichen mit 2005 stieg der
Opiummissbrauch um 53 Prozent, der Heroinmissbrauch um 140 Prozent.
Afghanistan könnte mit einer Produktionskapazität von 1500 bis 3500 Tonnen pro Jahr auch der weltweit
größte Produzent von Cannabisharz („Haschisch“) sein. Der extrem hohe Ertrag an Cannabisharz in Afghanistan
(145 Kilogramm pro Hektar) ist mehr als dreimal so hoch wie in Marokko (40 Kilogramm pro Hektar).
Kampagnen zur Vernichtung der Ernte hatten zwar keine große Wirkung, erfolgreich waren afghanische Strafverfolgungsbehörden
jedoch in ihrem Kampf gegen den Drogenhandel. Sie beschlagnahmten 2,5 Tonnen Heroin,
7,5 Tonnen Morphin, 59 Tonnen Opium, 23 Tonnen Cannabisharz und mehr als 400 Tonnen Vorläufersubstanzen
in fester Form.
Afghanische Opiate werden hauptsächlich durch die Islamische Republik Iran, Pakistan und Zentralasien
geschmuggelt. Die an der Schmuggelroute gelegenen Länder sind mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert,
die mit dem Drogenhandel zusammenhängen wie organisiertes Verbrechen, Korruption und hohe inländische
Nachfrage nach Opiaten. In der Islamischen Republik Iran sind zum Beispiel geschätzte 2,8 Prozent der
Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren abhängig von Opiaten.
Die kürzeste Schmuggelroute für afghanische Opiate nach Europa führt durch die Islamische Republik Iran.
Geschätzte 37 Prozent des afghanischen Heroins werden jährlich durch dieses Land geschmuggelt. Der Rest
geht durch Pakistan oder über die zentralasiatische Route durch Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und
Aserbeidschan. Der Nahe Osten wird vorwiegend als Transitroute für Heroin genutzt, das aus Afghanistan in
die arabischen Länder geschmuggelt wird.
Der Missbrauch von amphetaminähnlichen Stimulanzien ist in der Region dramatisch angestiegen. In der Islamischen
Republik Iran gab es 2009 einen 60-prozentigen Anstieg bei beschlagnahmten amphetaminähnlichen
Stimulanzien. Unter dem Namen Captagon verkaufte Tabletten, die hauptsächlich Amphetamin, aber auch Koffein
enthalten, werden in Syrien und der Türkei produziert und nach Saudi-Arabien, dem größten Schwarzmarkt für
Captagon, sowie in den Irak geschmuggelt.
Europa
Kokainmissbrauch verbreitet sich von Westeuropa in andere Gebiete der Region. In einigen Ländern könnte
Kokain als Missbrauchsdroge Amphetamin und Ecstasy ersetzen, zum Beispiel in Dänemark, Spanien und im
Vereinigten Königreich, wo der Anstieg von Kokainmissbrauch zeitlich mit einem Rückgang beim Amphetaminmissbrauch
zusammenfällt.
Westeuropa ist weltweit der größte Markt für Heroin, wobei etwa 60 Prozent des Konsums sich auf vier Länder
verteilen (Vereinigtes Königreich, Italien, Frankreich und Deutschland). In europäischen Ländern wird fast die Hälfte des weltweiten Heroins konsumiert. Die Russische Föderation liegt in Europa an der Spitze beim Missbrauch
von Opiaten (1,6 Prozent). Fast das gesamte in Europa verfügbare Heroin stammt aus Afghanistan.
Insgesamt scheint in Europa der Cannabiskonsum stabil, in einigen Ländern sogar rückläufig zu sein. Im letzten
Jahr konsumierten 1,2 Prozent aller europäischen Bürger Kokain; Spanien vermeldet mit 3,1 Prozent die höchste
Missbrauchsrate.
Osteuropa ist eine der wenigen Regionen in der Welt, in der die HIV-Prävalenz steigt. Schwere und sich ausbreitende
Epidemien werden aus der Russischen Föderation und der Ukraine gemeldet. Mit über 1,6 Prozent
ist die HIV-Infektionsrate unter Erwachsenen in der Ukraine die höchste in Europa. Die Verwendung von
kontaminiertem Besteck bei der Drogeninjizierung war die Ursache von über 50 Prozent der neu diagnostizierten
Fälle in Osteuropa.
Ozeanien
Cannabis ist nach wie vor die am häufigsten missbrauchte Droge in Ozeanien. Die Jahresprävalenz von
Cannabismissbrauch in Neuseeland gehört mit 14,6 Prozent bei den 14- bis 64-Jährigen zu den weltweit höchsten.
Die Lebenszeitprävalenz von Cannabismissbrauch lag in Fidschi und Papua Neuguinea bei 47 bzw. 55 Prozent.
Da in der Region selbst intensiver Anbau betrieben wird, hält sich der Schmuggel nach Ozeanien auf niedrigem
Niveau.
Der Gebrauch von Ecstasy ist in Ozeanien in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, wobei Australien die
weltweit höchste Jahresprävalenz für diesen Drogentyp aufweist.
Jüngste Beschlagnahmungen weisen darauf hin, dass die Region als Durchgangsroute für den Transport von
Drogen und Vorläufersubstanzen genutzt wird.
In Australien ist der Umfang der an der Grenze konfiszierten amphetaminähnlichen Stimulanzien in den letzten
beiden Jahren um 58 Prozent gestiegen. Neuseeland hat 2010 dem Kampf gegen Herstellung und Missbrauch
von Methamphetamin höchste Priorität eingeräumt. Strafverfolgungsbehörden vermeldeten eine Reihe von
Sicherstellungen dieser Droge, die von Flugpassagieren aus China geschmuggelt wurde.
ÜBER DEN INTERNATIONALEN SUCHTSTOFFKONTROLLRAT
Der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) ist das unabhängige Kontrollorgan für die Umsetzung der internationalen
Drogenkontrollabkommen der Vereinten Nationen. Er wurde 1968 in Übereinstimmung mit dem Einheitsabkommen
über die Betäubungsmittel von 1961 gegründet. Es gab Vorgänger, die in Übereinstimmung mit
früheren Abkommen zur Drogenkontrolle arbeiteten und bis in die Zeit des Völkerbundes zurückgehen.
Mitgliedschaft
Der INCB besteht aus 13 Mitgliedern, die vom Wirtschafts- und Sozialrat gewählt werden und die
ihre Funktion nicht als Regierungsvertreter, sondern in persönlicher Eigenschaft ausüben.
Aufgaben
Der Aufgabenbereich des INCB ist in folgenden Übereinkommen festgelegt:
im Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel von 1961; im Übereinkommen über psychotrope Substanzen
von 1971; im Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und
psychotropen Stoffen von 1988.
Der Internationale Suchtstoffkontrollrat kooperiert mit Regierungen um sicherzustellen, dass angemessene
Drogenvorräte für medizinische und wissenschaftliche Zwecke verfügbar sind und dass keine Abzweigung
von Drogen aus legalen Beständen in illegale Kanäle stattfindet. Der INCB identifiziert Schwachstellen in den
nationalen und internationalen Kontrollsystemen und unterstützt entsprechende Abhilfemaßnahmen.
Der INCB verfügt über ein Sekretariat, das ihn in seinen vertragsrelevanten Aufgaben unterstützt. Das INCB-Sekretariat
mit Sitz in Wien ist im Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung
(UNODC) angesiedelt, doch in allen wichtigen Angelegenheiten betreffend die Ausübung von Machtbefugnissen
und die Aufgabenerfüllung des Rats gemäß den Abkommen ausschließlich dem Rat verantwortlich.
Jahresbericht
Der INCB verfasst einen Jahresbericht über seine Tätigkeiten, der dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten
Nationen durch die Suchtstoffkommission vorgelegt wird. Der Bericht enthält eine Analyse der globalen Lage
im Bereich der Drogenkontrolle. Als ein unabhängiges Organ versucht der INCB, gefährliche Entwicklungstendenzen
zu identifizieren und vorherzusagen und schlägt notwendige Gegenmaßnahmen vor.
Quelle: www.unric.org