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Scharfe Kritik der UNO an NSA-Überwachung

US-Präsident Obama strebt eine Geheimdienstreform mit Hintertür an und spart die Auslandsspionage ganz aus

Von Olaf Standke *

Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen hat die weltweiten Überwachungsprogramme der US-Geheimdienste massiv kritisiert und deren juristische Zügelung gefordert.

Die NSA hat in der Welt den denkbar schlechtesten Ruf. Bisher hatte man den Eindruck, das sei der National Security Agency weitgehend egal. Doch ganz so scheint es nicht zu sein, denn mit einem »Media Kit«, das die PR-Abteilung des größten Auslandsgeheimdienstes der USA an heimische Journalisten verschickt hat, will man die Wahrheit über den größten Datenkraken aller Zeiten verbreiten – und so »das Bewusstsein für die Rolle der NSA bei der Verteidigung der Nation erweitern«. Zum Beispiel mit der Behauptung: »Die Arbeit der NSA wird in einem rechtlichen Rahmen ausgeführt, der Privatsphäre schützt.« So, als hätte es all die Snowden-Enthüllungen der vergangenen Monate nicht gegeben, die das Gegenteil beweisen. Oder die Einschätzung eines Bundesrichters, dass die flächendeckende, anlasslose Sammlung der Verbindungsdaten aller USA-Bürger wohl kaum mit der Verfassung in Übereinstimmung stehen dürfte.

Auch das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen hat jetzt in einem Report die grenzenlosen Überwachungsprogramme der US-amerikanischen Geheimdienste massiv kritisiert. Die 18 Experten des Ausschusses zeigten sich am Donnerstag tief besorgt über die Abhör- und Ausspähaktivitäten der NSA innerhalb wie außerhalb der Vereinigten Staaten. Überwachung dürfe nur »im Einklang mit rechtlichen Prinzipien« erfolgen, forderte der für den Report zuständige Schweizer Rechtsprofessor Walter Kälin in Genf. Erforderlich sei eine »klare, detaillierte Regelung mit Absicherung für diejenigen, die unter Beobachtung stehen«. Und die Überwachung müsse »auf Fälle, in denen sie notwendig und gerechtfertigt ist, beschränkt werden«. Der Bericht verweist auf den UN-Zivilpakt, vor allem dessen Artikel 17 über Eingriffe ins Privatleben. Die Regierung in Washington wurde aufgefordert, die Gesetzgebung zur Überwachungspraxis ihres Geheimdienstes NSA zu überprüfen und klarere Regeln für Bewilligungspraxis, Abhördauer, Speichervorgänge und Datenübertragung zu beschließen. Zudem müsse es Maßnahmen gegen Missbrauch und einen unabhängigen Kontrollmechanismus der Überwachung geben.

Wenige Stunden zuvor hatte Präsident Barack Obama seine Vorschläge zur Eindämmung der NSA-Ausspähung offiziell vorgelegt. Danach sollen die Telefondaten künftig nicht mehr vom Geheimdienst selbst, sondern von den Telefonanbietern gespeichert werden und zwar nur noch 18 Monate lang. Um dieses Material zu durchsuchen, müsste die NSA einen Gerichtsbeschluss erwirken, Erst dann wären die Unternehmen verpflichtet, Daten zeitnah und in maschinenlesbarem Format zur Verfügung zu stellen. Zudem soll der Kreis der überprüften Kontakte verringert werden und bei den »Bekannten von Bekannten« verdächtiger Personen enden.

Nur ist das alles lediglich ein »Reförmchen«. Auch in dieser Form werden massenhaft Daten missbraucht. Zudem hat die Regierung diverse Hintertüren eingebaut. Dass Durchsuchungen einen richterlichen Beschluss brauchen, soll in »Emergency Situations», also Notfällen, nicht gelten. Deren Definition aber bleibt im Dunkeln. So wie die konkrete Dauer der Freigabe von Telefonnummern durch das zuständige Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) vage gehalten ist. Bisher hat dieses Gericht ohnehin praktisch jedem Antrag stattgegeben.

Schließlich ist völlig offen, ob der Kongress dem Gesetzentwurf überhaupt zustimmt. Mike Rogers, Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, hat einen eigenen vorgelegt, der selbst diese rechtsstaatliche Hürde auslässt. Ganz davon abgesehen, dass in beiden Vorlagen die massenhafte NSA-Überwachung außerhalb der USA erst gar nicht zu Sprache kommt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 29. März 2014


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