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Koalitionskrach um Edward Snowden

Aufklärer soll im NSA-Ausschuss befragt werden – um das Wie und Wo streiten Union und SPD weiter

Von Velten Schäfer *

Die CDU konnte sich mit ihrer Ablehnung einer Befragung des Aufklärers in Deutschland bislang nicht durchsetzen. In den USA gibt es derweil erste Ansätze einer NSA-Reform.

Es ist noch immer nicht entschieden: Nach intensiver Debatte und viel Gezerre konnte der Untersuchungsausschuss zu den NSA-Aktivitäten in Deutschland sich bis Donnerstagabend lediglich darauf verständigen, den Aufklärer Edward Snowden zu befragen. Ob dies indes per Video, in Moskau oder doch im Deutschen Bundestag geschehen soll, ließ sich am Donnerstag auch in vierstündiger Sitzung nicht klären.

Die Debatte hinter verschlossenen Türen war offenbar von zähem Taktieren geprägt. LINKE und Grüne hatten zunächst einen Antrag vorgelegt, der eine Befragung von Snowden forderte, die in Deutschland stattfinden sollte. Doch mittels ihrer Stimmenmehrheit trennten CDU und SPD die beiden Aspekte des Antrags.

Dann wurde einstimmig beschlossen, dass Snowden als Zeuge zu hören sei – was LINKE und Grüne aufgrund ihrer Minderheitenrechte im Ausschuss auch alleine hätten durchsetzen können. Doch darüber, wie mit dem zweiten Teil des Antrages umzugehen sei, konnten sich die Koalitionäre nicht einigen.

CDU-Obmann Roderich Kiesewetter äußerte sich sehr apodiktisch und machte deutlich, dass »ich eine Anhörung des Zeugen Snowden in Deutschland ausschließe«. Für Kiesewetter steht außer Frage, dass man den von den USA mit schweren Vorwürfen überzogenen Aufklärer ausliefern müsse, sollte er nach Deutschland kommen. SPD-Obmann Christian Flisek sagte hingegen nach der Sitzung, es lägen weiterhin »alle Möglichkeiten einer Befragung auf dem Tisch«. Für den Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele steht die Tür für eine Befragung in Deutschland nun »mindestens halb offen«. LINKE-Obfrau Martina Renner unterstrich, wie bedeutsam eine Befragung in Deutschland für die Aufklärung der Affäre sei: Nur, wenn die Ausschussmitglieder einen Zeugen auch tatsächlich in Augenschein nehmen könnten, könnten sie ihn »wirklich beurteilen und einschätzen«.

Im Wahlkampf 2013 hatte sich die SPD für eine rückhaltlose Aufklärung ausgesprochen. Dies unterstrichen die »Youngsters« in der SPD-Fraktion – 26 Abgeordnete unter 40 Jahren: »Wir plädieren eindringlich für eine Befragung Edward Snowdens auf deutschem Boden«, so Christina Kampmann, eine Sprecherin der Gruppierung.

Unterdessen hat der Rechtsausschuss im Washingtoner Repräsentantenhaus einstimmig für ein Gesetz zur Reform der NSA votiert, das die automatische massenhafte Sammlung von Telefondaten durch den größten Auslandsgeheimdienst der USA beenden soll. Künftig würden danach Daten von den Telefonanbietern direkt gespeichert werden; die NSA dürfte sie erst mit einer Genehmigung des Geheimgerichts FISC durchsuchen. Allerdings wären nur Bürger der USA betroffen. Und ob der Vorschlag von Präsident Barack Obama auch den Senat passieren wird, ist offen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 9. Mai 2014


Obamas Rumpf-Reform

Olaf Standke über die Bemühungen, die NSA-Überwachung einzuschränken **

Dass die NSA systematisch Telefondaten sammelt, speichert und durchforstet, gehörte vor einem Jahr zu den ersten Enthüllungen, mit denen Edward Snowden weltweit für Schlagzeilen sorgte. Nach langem Zögern versprach USA-Präsident Barack Obama gesetzliche Veränderungen. Die haben nun im Kongress eine erste parlamentarische Hürde genommen, und das unerwartet einstimmig. Demokraten wie Republikaner votierten im Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses dafür, dass Verbindungsdaten künftig bei den privaten Telefongesellschaften verbleiben. Um bei »begründetem Verdacht« zugreifen zu können, müsste sich die NSA einen Beschluss des zuständigen Geheimgerichts besorgen.

Auch Bürgerrechtler nennen das eine »historische Wendung«. Doch ist der Wendekreis bescheiden. Zumal ein konkurrierender Entwurf im Geheimdienstausschuss vorsieht, dass die NSA ohne richterliche Anordnung Firmen zur Datenherausgabe zwingen und die Genehmigung nachreichen kann. Niemand weiß, über welchen Text der Senat als zweite Kammer schließlich wie abstimmen wird. Und Nutznießer wären ohnehin nur USA-Bürger, nicht die Überwachungsopfer im Ausland. Geht es beim NSA-Untersuchungsausschuss in Berlin letztlich lediglich um simulierte Aufklärung, darf man in Washington bestenfalls eine Rumpf-Reform erwarten.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 9. Mai 2014 (Kommentar)


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