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Die Grenzen der Aufklärung

Koalition und Opposition streiten über den Auftrag des NSA-Untersuchungsausschusses

Von Aert van Riel *

In der Frage, was der geplante NSA-Ausschuss untersuchen darf, ist die Koalition der Opposition etwas entgegengekommen. Auch die deutsche Rolle im US-Drohnenkrieg soll beleuchtet werden.

Bundesregierung und Opposition haben sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag des geplanten Ausschusses zur Geheimdienst-Spähaffäre einigen können. Deswegen wurden nun im Plenum des Bundestags zwei unterschiedliche Anträge beraten. LINKE und Grüne beharren auf ihrem gemeinsamen Papier. Die Große Koalition hat zwar in ihrem Antrag einige Forderungen der Opposition aufgenommen, aber längst nicht alle. Besonders die Rolle der deutschen Geheimdienste soll teilweise im Dunkeln gelassen werden. So weigern sich Union und SPD, explizit Fragen über die Spähaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes und die Weitergabe von Informationen an die USA zu untersuchen. Die Opposition will hingegen wissen, ob deutsche Dienste etwa Daten aus Afghanistan an die USA weiterleiten und dafür Daten vom US-Geheimdienst NSA über Europa erhalten.

Ein Entgegenkommen von Schwarz-Rot gibt es allerdings bei der Aufklärung von Deutschlands Rolle im Drohnenkrieg der USA. Eine entsprechende Passage haben die Koalitionsfraktionen vor kurzem in ihren Antrag aufgenommen. Demnach soll aufgedeckt werden, ob US-amerikanische Stellen auf deutschem Staatsgebiet oder von diesem ausgehend rechtswidrige Maßnahmen – etwa gezielte Tötungen durch Kampfdrohneneinsätze – durchgeführt oder vorbereitet haben. Zu dieser Vorbereitung zählen auch Befragungen von Asylbewerbern aus dem Zielgebiet. Nach Recherchen der »Süddeutschen Zeitung« und des ARD-Magazins Panorama sind US-Standorte in Deutschland maßgeblich in die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen in Afrika eingebunden.

Einigkeit besteht auch darüber, dass bis zurück ins Jahr 2001 aufgearbeitet werden muss, in welchem Umfang US-amerikanische und britische Nachrichtendienste Kommunikation in Deutschland ausgespäht haben und inwieweit deutsche Sicherheitsbehörden hiervon Kenntnis hatten. Ansonsten monieren LINKE und Grüne, der Vorschlag der Regierungsfraktionen gehe insgesamt nicht weit genug. Diese werfen wiederum der Opposition vor, in ihrem Antrag vieles allgemein gehalten zu haben sowie außerhalb der Kompetenzen des Bundestags. Auf dieser Grundlage könne kein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden.

In diesem Konflikt geht es auch um die Minderheitenrechte der ungewöhnlich kleinen Opposition. LINKE und Grüne wollen künftig selbst Untersuchungsausschüsse durchsetzen, ohne auf die Große Koalition angewiesen zu sein. Weil sie hierfür das Quorum nicht erreichen, verlangen die Oppositionsparteien auch Gesetzesänderungen. Schwarz-Rot will aber nur die Geschäftsordnung des Bundestags ändern.

Der Streit um die Minderheitenrechte und den NSA-Untersuchungsausschuss wird nun im Geschäftsordnungsausschuss weiter ausgetragen. Möglich ist laut Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann, dass es zwei Untersuchungsausschüsse geben könnte, wenn sich die Fraktionen nicht auf einen gemeinsamen Auftrag einigen. Aber auch, wenn eine solche Übereinkunft doch noch zustande kommen sollte, würde wohl weiter Streit zwischen Koalition und Opposition drohen. Denn Linkspartei und Grüne fordern, dass in dem Ausschuss auch der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden als Zeuge befragt wird. Er hatte durch seine Enthüllungen die Affäre ins Rollen gebracht. Viele Politiker von Union und SPD sind dagegen skeptisch. Bei einer Befragung Snowdens befürchten sie, dass sich die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den USA weiter verschlechtern könnten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kann sich zudem gegen die Anhörung eines Zeugen aus dem Ausland stellen, wenn »schwerwiegende, das Staatswohl gefährdende außenpolitische Belange dagegen sprechen«. Ohne Informationen des Hauptzeugen wäre der Erkenntnisgewinn des Untersuchungsausschusses massiv eingeschränkt.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 14. Februar 2014


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