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Kommt Snowden nach Berlin?

Im NSA-Untersuchungsausschuss zeigten Union und SPD Interesse, den Whistleblower als Zeugen zu befragen

Von Fabian Lambeck *

Der Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre kam am Donnerstag zu seiner ersten Sitzung zusammen. LINKE und Grüne wollen Edward Snowden vorladen, Union und SPD schienen nicht abgeneigt.

Kommt Edward Snowden oder kommt er nicht? Dies schien die Frage, die am Donnerstag alle Journalisten interessierte. LINKE und Grüne wollen den Whistleblower als Zeugen vor den NSA-Untersuchungsausschuss laden, der am Donnerstag in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam. In dem achtköpfigen Gremium sitzen vier Abgeordnete von der Union, zwei von der SPD und jeweils einer von Linkspartei und Grünen und soll sich mit der Spionagepraxis des US-amerikanischen Geheimdienstes National Security Agency und seiner Verbündeten, den sogenannten »Five Eyes« befassen. Zudem soll er die möglichen Verwicklungen deutscher Dienste prüfen. Die NSA hatte selbst das Handy von Kanzlerin Merkel abgehört und milliardenfach die Daten von Bundesbürgern abgegriffen.

Die beiden Oppositionsparteien arbeiten im Ausschuss eng zusammen. Der gemeinsame Antrag zur Ladung Snwodens wurde am Donnerstag von Hans-Christian Ströbele (Grüne) eingebracht. Auch wenn der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) bezweifelte, dass die Befragung des Amerikaners neue Erkenntnisse bringen könnte, signalisierten die Obmänner Patrick Sensburg (CDU) und Christian Flisek (SPD) zumindest Interesse an einer Vorladung. Notfalls könnten Grüne und LINKE Snowden auch ohne schwarz-rote Stimmen vorladen.

Ströbele wies darauf hin, dass das russische Asyl Snowdens an die Bedingung geknüpft sei, dass er den USA nicht weiter schade. Eine Befragung in Deutschland sei notwendig, weil er nur hier vollständig aussagen könne. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte erst vor wenigen Tagen gesagt, die Bundesrepublik könne für die Sicherheit Snwodens nicht garantieren. Die Obfrau der Linksfraktion, Martina Renner, rechnete damit, dass der Snowden-Antrag bereits in der kommenden Sitzung beschlossen werden könnte.

Ansonsten lässt man es ruhig angehen. Schließlich hat man zwei Jahre Zeit. Vor 2017 wird das Gremium keinen Abschlussbericht vorlegen. Ausschusschef Binninger teilte mit, dass frühestens im Juni die ersten Zeugen gehört würden. Anfangs will man IT-Experten und Juristen befragen, um sich auf den Stand der Dinge bringen zu lassen. Später sollen Nachrichtendienstler und Politiker folgen.

Der Ausschuss kann zwar auch ausländische Zeugen laden, aber folgen muss diesen Bitten niemand. Bislang zeigten die USA und Großbritannien wenig Kooperationsbereitschaft. Dass beide Staaten Geheimdienstvertreter vor den Bundestag schicken, scheint unwahrscheinlich.

Deshalb wird man sich auf die Arbeit der deutschen Schlapphüte konzentrieren. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem BND und den befreundeten Diensten ist schließlich kein Geheimnis. Erst vor wenigen Tagen sagte der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, gegenüber dem ZDF: »Wir haben routiniert mit der NSA vorher zusammengearbeitet und werden es auch in der Zukunft tun.« Edward Snowden meinte gegenüber dem NDR, dass der BND und die Agency »nicht nur Informationen tauschen, sondern sogar Instrumente und Infrastruktur teilen. Sie arbeiten gegen gemeinsame Zielpersonen, und darin liegt eine große Gefahr.«

Klar ist, spätestens seit 2007 leitet der BND in Afghanistan und Nordafrika abgeschöpfte Daten an die NSA weiter. Dass diese Infos auch Killerdrohnen an ihr Ziel führen, ist mehr als wahrscheinlich. Die enge Zusammenarbeit beruht auf einem Abkommen, für das der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2002 die Grundlagen schuf. Auch deshalb will die Linksfraktion den heutigen Außenminister als Zeugen vorladen. Ebenso wie den ehemaligen Geheimdienstkoordinator und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU).

* Aus: neues deutschland, Freitag, 4. April 2014


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