Wer kontrollierte die Killer?
Pentagon prüft Enthüllungen über "privaten" Spionagering eines Beamten
Von Olaf Standke *
Das Pentagon hat nach Berichten über das »private« Spionagenetzwerk
eines Mitarbeiters eine interne Untersuchung eingeleitet. Derzeit würden
noch die Fakten ermittelt, sagte Verteidigungsminister Robert Gates am
Montag (22. März) in Washington.
Wer in diesen Wochen Matt Damon bei der Film-Jagd nach angeblichen
irakischen Massenvernichtungswaffen und damit Bushs Kriegsgrund in die
Bagdader »Green Zone« begleitet, bekommt jenseits politischer Artikel,
aber nah an der Wirklichkeit auf lehrreich-unterhaltsame Weise eine
Vorstellung davon, was im Pentagon alles möglich ist. Der Hollywood-Star
hatte schon in seiner »Bourne«-Reihe als Agent ohne Gedächtnis auf
Identitätssuche für temporeiches wie intelligentes Actionkino gesorgt.
Das muss auch dem hochrangigen Pentagon-Beamten Michael D. Furlong
gefallen haben. Der »Senior Defense Department Employee« spricht gern
von seinen »Jason Bournes«, wenn er die Truppe von Privatagenten meint,
die er in Afghanistan und Pakistan angeheuert hat.
Wenn stimmt, was die »New York Times« enthüllte, dann geht es hier um
eine möglicherweise ungenehmigte Spionageoperation, deren Finanzierung
verschleiert wurde und die erst einmal fragen lässt, wer im Pentagon
eigentlich wen kontrolliert. Der 56-jährige Furlong war
Luftwaffenoffizier, errichtete für die Washingtoner Regierung Fernseh-
und Radiosender in Bosnien, Kosovo und Irak, gründete die Firma
International Media Ventures, um die US-Streitkräfte mit Wissen über die
afghanischen Paschtunenstämme zu versorgen, und arbeitet seit 2008 im
Strategic Command Joint Information Operations Warfare Center.
Auf der Luftwaffenbasis Lackland in San Antonio (Texas) werden
Informationen gesammelt und verwertet, wird die psychologische und
elektronische Kriegsführung konzipiert und organisiert. Der Großteil des
gesamten Geheimdienstetats finde sich heute beim Pentagon und seinen
Dienste wieder, erklärte Verteidigungsminister Gates gerade.
Auch Matt Damon hat es in dem Irak-Film mit einem skrupellosen
Pentagon-Manipulator und der Lüge als Massenvernichtungswaffe zu tun.
Sein Jason Bourne wiederum war ursprünglich ein eiskalter
Auftragskiller. Und auch da gibt es Berührungspunkte mit dem
Reality-Thriller von Michael D. Furlong. Der beschäftigte nicht nur
Sozial- und Regionalwissenschaftler für sein Projekt »Capstone«, er
steht auch im Verdacht, von dem »Aufklärungsprogramm« Gelder abgezweigt
zu haben, um damit an bestehenden Rechtsvorschriften vorbei ein geheimes
Killerkommando zur Jagd auf Taliban-Anhänger im
afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu finanzieren. »Wir haben
Informationen beschafft, damit sie die Lage besser einschätzen können.
Und sie haben diese dazu verwendet, um Leute zu töten«, sagte der Autor
Robert Young Pelton der »New York Times«.
Furlongs kleine Geheimarmee aus früheren CIA-Agenten und einstigen
US-Elitesoldaten, die später in sogenannten Sicherheitsunternehmen wie
der berüchtigten Firma Blackwater ihr Geld verdienten, soll inzwischen
aufgelöst sein. »Es ist grundsätzlich keine gute Idee, in einem
Kriegsgebiet freie Mitarbeiter herumlaufen zu haben, die einen auf James
Bond machen«, so dieser Tage ein Regierungsvertreter. Grundsätzlich
dürfen die US-Streitkräfte keine Privatfirmen für verdeckte
Spionageaktivitäten anheuern. Aber damit sind wir bei der nächsten
Frage: Sind solche Operationen ohne Zustimmung oder zumindest Duldung
des Pentagon oder der CIA wirklich möglich? Schließlich sollen
Informationen der Söldner zum Aufenthalt von Aufständischen auch an
offizielle Geheimdienstvertreter und Einheiten der US-Armee für
Drohnenangriffe weitergegeben worden sein.
Pentagon-Chef Gates, ein früherer CIA-Direktor, stellte sich am Montag
bei hartnäckigen Reporterfragen dumm. Er wisse nicht genug, um zu
wissen, ob es all diese Vorgänge gegeben habe, und wenn ja, ob sie einen
»Mehrwert« gebracht hätten. Man sei noch auf der Faktensuche. Furlong
hat unterdessen der »New York Times« Falschinformation vorgeworfen und
in Interviews mit den »San Antonio Express News« erklärt, dass sein
inzwischen suspendiertes Programm »vollständig vom Militär autorisiert«
und von US- wie NATO-Kommandos überwacht worden sei. Der Etat von rund
25 Millionen Dollar soll nach Erkenntnissen von US-amerikanischen Medien
aus einem Pentagon-Hauhaltstitel für die Räumung von Landminen in Irak
und in Afghanistan stammen.
Auch die CIA, so Robert Young Pelton in der Fernsehsendung »The World's
Most Dangerous Places«, sei offiziell gebrieft worden - und soll jetzt
die »New York Times« über den lästig gewordenen Konkurrenten informiert
haben. Der Skandal könnte noch so manchen Stoff für ein neues
Hollywood-Drehbuch ans Licht der Öffentlichkeit bringen.
* Aus: Neues Deutschland, 24. März 2010
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