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MAD duldet Neonazis in Strategischer Aufklärung der Bundeswehr

Von René Heilig*

Es ist noch immer unklar, wie tief der Militärische Abschirmdienst (MAD) in »Pannen« bei der Fahndung nach dem NSU-Mördertrio verwickelt ist - doch mangelnde Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremisten scheint ein Markenzeichen der »Firma« zu sein.

Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre habe man jährlich 270 Bundeswehrangehörige »als Extremisten erkannt« oder es lagen »tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der Beteiligung an extremistischen Bestrebungen vor«, teilte das Verteidigungsministerium dem Grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele auf dessen Anfrage mit. Das Ministerium beeilte sich zu ergänzen, dass diese Rechtsradikalen »in aller Regel« nicht für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit in Betracht gezogen würden.

Ausnahmen von der Regel sind offenbar zwei Bundeswehrangehörige, die zwischen 2002 und 2006 im hochsensiblen Kommando Strategische Aufklärung - einer Art Auslandsgeheimdienst des Militärs - Dienst taten. Sie gehörten dem Fernmeldeabschnitt 911 (demnächst EloKaBtl 911) an, der bei Bramstedt stationiert ist. Dessen Abhörstation ist Teil eines NATO-Netzes, das von Norwegen bis vor die iranische Haustür reicht. Insider bezeichnen die Bundeswehranlage als »großes Ohr« des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Während einer der Soldaten vom MAD eine Freigabe für Verschlusssachen bis zur Stufe »Geheim« erhielt, stattete man den zweiten Bundeswehrangehörigen gemäß dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz mit Rechten aus, die zum Umgang mit als »Streng geheim« klassifizierten Dokumenten berechtigen. Die Freigabe entspricht der Überprüfungsstufe 3, die laut Gesetz für Personen bestimmt ist, »die bei einem Nachrichtendienst des Bundes oder einer Behörde Tätigkeiten mit vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wahrnehmen«.

Laut Soldatengesetz darf niemand für die Bundeswehr arbeiten, der nicht »jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt«.

Das Ministerium stellt fest, dass dem MAD »keine sicherheitserheblichen Erkenntnisse vorlagen«. Ein Blick ins Internet hätte den Geheimdienstlern gezeigt, dass die Soldaten als bekennende Rechtsextremisten und Burschenschaftler aufgefallen sind. Der Bundeswehrangehörige R. K. beispielsweise tat sich bei der Greifswalder »Bürgerinitiative zur Wahrung der Grundrechte« hervor, die vom Verfassungsschutz in Schwerin als rechtsextremistisch bewertet wurde.

Am Donnerstag sind drei hochrangige MAD-Mitarbeiter vor den sogenannten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen. Sie sollen unter anderem zu Anwerbeversuchen beim späteren NSU-Serienmörder Uwe Mundlos sowie zu Vorwürfen befragt werden, laut denen der MAD Anfang der 2000er Jahre relativ gut über den Aufenthaltsort des gesuchten NSU-Terrortrios in Chemnitz informiert gewesen sein soll. Die Befragung wird dem Vernehmen nach weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 07. November 2012


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