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An geheimer Front

Vor 65 Jahren: Die Central Intelligence Agency wird gegründet

Von Jürgen Heiser *

Als am 18. September 1947 der zwei Monate zuvor von US-Präsident Harry S. Truman unterzeichnete National Security Act, das Nationale Sicherheitsgesetz der USA, in Kraft trat, leitete dies den Aufbau der Central Intelligence Agency (CIA) ein. Das Gesetz sah vor, die bisher getrennten Kriegs- und Marineministerien zum Verteidigungsministerium zusammenzulegen, mit der US Air Force (USAF) eine eigenständige Luftwaffe zu schaffen, den während des Zweiten Weltkriegs eingerichteten Vereinigten Generalstab (Joint Chiefs of Staff) zu institutionalisieren sowie den Nationalen Sicherheitsrat (NSC) und einen zentralen Geheimdienst zu gründen. Dessen »Director of Central Intelligence« (DCI) sollte als Chef der US-Nachrichtendienste gleichzeitig »Hauptberater« des Präsidenten der Vereinigten Staaten sein.

Mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz bekräftigte die US-Regierung ihren sechs Monate zuvor in der »Truman-Doktrin« aufgestellten Kurs der Konfrontation mit dem »kommunistischen Lager«. Sie war der Beginn US-amerikanischer Eindämmungspolitik gegenüber der UdSSR und sah eine Bandbreite von Maßnahmen zur Sicherung der Vormachtstellung der USA vor. Die Doktrin umfaßte die »friedliche« wirtschaftliche Einflußnahme nach Art des Marshallplans (offiziell »Europäisches Wiederaufbauprogramm«) für die westlichen Besatzungszonen. Dieser sollte der 1949 von den Westalliierten proklamierten Bundesrepublik Deutschland gegenüber der in der Folge gegründeten sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik durch einen rascheren Wiederaufbau Vorteile verschaffen. Zur Truman-Doktrin gehörten aber auch militärische Interventionen der USA in innere Konflikte wie im Griechischen Bürgerkrieg (1946–49), im Koreakrieg (1950–53) oder im Vietnamkrieg, der deshalb dort der »Amerikanische Krieg« genannt wird.

Kalter Krieg

Mit ihrem im Zweiten Weltkrieg erlangten Machtzuwachs schrieben sich die USA fortan selbst die führende Rolle einer globalen Ordnungsmacht der »freien Welt« des Kapitals gegen den »kommunistischen Machtbereich« der UdSSR, der jungen sozialistischen Staaten und der befreiten Nationalstaaten zu.

Nach den Worten der offiziellen Website der CIA »haben die Vereinigten Staaten seit den Tagen George Washingtons nachrichtendienstliche Aktivitäten entfaltet, aber erst seit dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Aktivitäten auf allen Regierungsebenen koordiniert«. Vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg hatte US-Präsident Franklin D. Roosevelt seinen Freund William J. Donovan, einen Juristen und Kriegshelden des Ersten Weltkriegs, zum ersten Geheimdienstkoordinator seines Stabes ernannt. Am 8. Dezember 1941 erklärten die USA dem Kaiserreich Japan den Krieg. Drei Tage später reagierten die mit Japan verbündeten faschistischen Diktaturen Deutschlands und Italiens mit ihrer Kriegserklärung an die USA. In der Folge wurde Donovan von Roosevelt zum Direktor des neugegründeten Geheimdienstes »Office of Strategic Services« (OSS) ernannt und mit dem Mandat ausgestattet, »strategische Informationen zu sammeln und zu analysieren«. Nach dem Sieg der Alliierten über die von Hitlerdeutschland angeführten Achsenmächte löste die US-Regierung das OSS jedoch ebenso wieder auf wie andere Institutionen, die ihre Funktionen während des Krieges erfüllt hatten.

Die durch den Krieg geschaffenen neuen Machtkonstellationen führten zu einer Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln und an anderen Fronten: Der Kalte Krieg begann. Der deutsche Imperialismus war mit dem Versuch gescheitert, den 1917 mit der russischen Oktoberrevolution eingeleiteten welthistorischen Prozeß der Emanzipation des Proletariats umzukehren. Weder konnte die UdSSR vernichtet noch die organisierte Arbeiterklasse in den von der Wehrmacht besetzten Ländern völlig zerschlagen werden. Die Sowjetunion war im Gegenteil erstarkt aus diesem Kampf hervorgegangen. Indem sie mit der Roten Armee die faschistische Wehrmacht im Osten zurückgeschlagen, ihr bis nach Berlin nachgesetzt und so dem deutschen Faschismus die entscheidende Niederlage beigebracht hatte, wuchs auch der Einfluß antifaschistischer, sozialistischer und kommunistischer Kräfte in weiten Teilen des vom Krieg verwüsteten Europa. Sie hatten die aggressive Natur des Imperialismus erkannt und wollten Verhältnisse schaffen, in denen das Industrie- und Finanzkapital nie wieder zu einer Machtentfaltung kommen sollte wie in Hitlerdeutschland. Parallel und vom Weltkrieg beeinflußt hatte in den Kolonien Asiens, Afrikas und Lateinamerikas der Befreiungsprozeß der Dekolonisierung begonnen. Tätigkeit ausgeweitet

Im eigenen Land hatte die herrschende Klasse der USA schon während des Ersten Weltkriegs, der Oktoberrevolution und der Erhebungen der kriegsmüden Bevölkerung Europas begonnen, systematisch die sich organisierende Arbeiterklasse, die um ihre Gleichstellung kämpfenden Frauen und die Antikriegsbewegung zu unterdrücken und zu zersetzen. Treibende Kraft war dabei die US-Bundespolizei FBI unter ihrem langjährigen Direktor J. Edgar Hoover. Er hatte vor allem der neugegründeten Kommunistischen Partei der USA in den 1920er Jahren den Krieg »an der Heimatfront« erklärt und sie mit einer beispiellosen Kriminalisierungsstrategie überzogen. Nach innen wirkte das FBI als politische Polizei und Geheimdienst in einem (siehe jW vom 15.2.2012; auch hier: "Krieg an der Heimatfront").

US-Präsident Truman setzte deshalb angesichts der Veränderungen im Weltmaßstab die Bildung eines zentralisierten und weltweit operierenden Geheimdienstes auf die Tagesordnung. Die Voraussetzungen dafür wurden 1947 mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz geschaffen. Die CIA erhielt ihren Auftrag: »Alle der nationalen Sicherheit dienenden Geheimdienstaktivitäten koordinieren, in Wechselwirkung zueinander setzen, die Ergebnisse auswerten und die Tätigkeit ausweiten.«

Bei der Aufbauarbeit bediente sich die CIA eines Fachmanns, der sich kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs den anrückenden US-Truppen ergeben hatte und ihnen seine Dienste anbot: Generalmajor Reinhard Gehlen. Seine Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) des Generalstabs der faschistischen deutschen Wehrmacht stand in dem Ruf, systematische und exakt dokumentierende Spionagearbeit bei der Bewertung der »Feindlage« in der UdSSR geleistet zu haben. Gehlen brachte dieses Wissen und Arbeitsergebnisse aus seinem bisherigen Dienstverhältnis in den Bund mit seinen neuen amerikanischen Freunden ein. Im Gegenzug verhalfen die US-Besatzungsbehörden ihm zu einer neuen Karriere in der jungen BRD. Er wurde beauftragt, mit Hilfe ehemaliger Mitarbeiter der FHO die »Organisation Gehlen« (OrG) als Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BND) aufzubauen. Sitz der OrG war zunächst der US-Militärstützpunkt »Camp King« in Oberursel im Taunus. Am 6. Dezember 1947 zog Gehlens Dienst in die ehemalige Rudolf-Heß-Siedlung in Pullach bei München um, wo der BND bis zu seinem anstehenden Umzug nach Berlin bis heute residiert.

Indem also unter dem Schirm der US-Regierung 1947 die Fundamente für CIA und BND gelegt wurden und sie mit der Truman-Doktrin ihren Marschbefehl erhielten, begann eine strategische deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, die 1973 – ein Beispiel von vielen – im Militärputsch gegen die gewählte sozialistische Regierung von Präsident Salvador Allende Früchte trug und sich in den aktuellen politisch-militärischen Interventionen der NATO an neuen »geheimen Fronten« zu bewähren hat.

Quellentext: »Verborgene Aktionen«

Ein CIA-Agent berichtet: »Meine Einführung in das Nachrichtengeschäft erfolgte während der frühen Jahre des Kalten Kriegs, während ich bei der US-Armee in Deutschland Dienst tat. Dort wurde ich 1952 in die »Spezialschule« des Europäischen Kommandos in Oberammergau geschickt, um Russisch und die Grundelemente der Nachrichtenmethoden und -techniken zu studieren. Nachher wurde ich zum Dienst an der DDR-Grenze eingeteilt. (…) Wir glaubten, daß wir die Welt für die Demokratie freihielten und daß wir in der vordersten Linie der Verteidigung gegen die Ausbreitung des Kommunismus standen.

Nachdem ich den Militärdienst verlassen hatte, kehrte ich an die Pennsylvania State University zurück, wo ich sowjetische Studien und Geschichte als Hauptfach belegte. Kurze Zeit vor meinem Examen wurde ich insgeheim von der CIA rekrutiert, in die ich offiziell im September 1955 eintrat. Der Kampf zwischen der Demokratie und dem Kommunismus erschien wichtiger als je, und die CIA stand in der vordersten Front dieses internationalen Ringens. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen. (…) Als Spezialist für das sowjetische Militärwesen leistete ich Forschungs- und dann laufende Nachrichtendienstarbeit. (…) Ich war zu einem Zeitpunkt der führende Experte der CIA – und wahrscheinlich der US-Regierung – für die sowjetische Militärhilfe an die Länder der Dritten Welt. (…) Die CIA fungierte nicht, wie man der Öffentlichkeit und dem Kongreß bekanntgab, als Clearinghaus und als Produzent nationaler Nachrichten für die Regierung. Ihr Grundauftrag bestand in verborgenen Operationen, besonders verdeckten Aktionen – der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Nationen.« Victor Marchetti, 1955 bis 1969 Spezialagent der CIA; mit John D. Marks Verfasser des von der CIA massiv zensierten Buches »The CIA and the Cult of Intelligence« (New York, Stuttgart 1974). Zitiert aus dem Vorwort der dt. Ausgabe, S. 11



* Aus: junge Welt, Samstag, 15. September 2012


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