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"Schwarzarbeit" der NSA

Pofalla verteilt Dokumente – Linksfraktion will Geheimdienstkooperation kippen

Von René Heilig *

Der Bürgerkrieg in Syrien und die Gefahr eines militärischen Eingreifens des Westens sind quasi ein Geschenk für das Kanzleramt. Dahinter verblassen der NSA-Spionageskandal und der Anteil deutscher Dienste an der Verletzung von Bürgerrechten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, ist eifriger Twitter-Nutzer. Nun hat er ein Foto weitergeleitet, auf dem ein Dokument des US-Geheimdienstes NSA zu sehen ist. Merkels Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), zuständig für den BND und die Geheimdienstkoordinierung, habe es dem Parlamentarischen Kontrollgremium, dessen Vorsitz Oppermann hält, weitergeleitet. Der SPD-Mann gerät aber – siehe Foto – keineswegs in den Verdacht, Geheimnisse verraten zu haben. »10 von 15 Seiten sind ganz geschwärzt«, erklärt er.

Kaum anders verfährt die Bundesregierung, wenn Abgeordnete nach deutschen Erkenntnissen zum NSA-Spionageprogramm PRISM fragen. Sie bietet allgemein bekannte Floskeln und behauptet, die US-Seite habe im Rahmen der Aufklärungsaktivitäten der Bundesregierung »zwischenzeitlich« dargelegt, »dass entgegen der Mediendarstellung zu PRISM und weiteren Programmen nicht massenhaft und anlasslos Kommunikation über das Internet aufgezeichnet wird, sondern eine gezielte Sammlung der Kommunikation Verdächtiger in den Bereichen Terrorismus, organisierte Kriminalität, Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit der USA erfolgt«. Alles geschehe »in Übereinstimmung mit deutschem und amerikanischem Recht«.

An den Punkten, wo es spannend wird, verweist die Bundesregierung auf Verschlusssachen und schweigt »im Hinblick auf das Staatswohl«. Ganz spannend wird es, wenn die LINKE-Abgeordneten Hunko, Korte und Behrens nach dem Analyseverfahren »Boundless Informant« und vergleichbaren Softwareentwicklungen, die unter anderem an deutschen Hochschulen gefördert von US-Geheimdiensten kreiert wurden.

Das ARD-Magazin »Fakt« verwies auf Forschungen des Professors Alexander Waibel. Er arbeitet unter anderem am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Waibel ist ein Spitzenmann auf dem Gebiet der digitalen Spracherkennung und forschte an Projekten für das Überwachungsprogramm »Total Information Awareness«. Es ist Grundlage und Vorläufer der aktuellen NSA-Programme à la PRISM. Auch der BND profitierte. Waibels Forschung wurde allein bis zum Jahr 2000 vom Bundesforschungsministerium mit mehr als drei Millionen Euro unterstützt. Doch das Ministerium beteuert wie das Bundeskanzleramt, nichts von der Forschung der Uni Karlsruhe für das Militär und die Geheimdienste Washingtons gewusst zu haben. Schlimm genug – falls das stimmt.

Es gibt gute Gründe für einen Antrag zur Beendigung der nachrichtendienstlichen Kooperation mit den USA und Großbritannien. Den hat die Linksfraktion des Bundestages formuliert. Zudem will man eine unabhängige Überprüfung der derzeitigen Praxis und der internationalen Verträge sowie aller Abkommen, die den Datenaustausch regeln, erreichen.

Die Regierung müsse »unverzüglich« alle erforderlichen Schritte einleiten, »um eine eigenständige, unabhängige, sachverständige Untersuchung zu der tatsächlichen Praxis der nachrichtendienstlichen Zugriffe, einschließlich der des Bundesnachrichtendienstes auf die Kommunikation europäischer Bürgerinnen und Bürger und die damit verbundene Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Vertraulichkeit und Integration informationstechnischer Systeme einleiten«. Zudem sollen die Strategische Aufklärung des BND eingestellt und die eingesetzten Etatmittel gesperrt werden.

Womit wir wieder bei Syrien und dem geplanten US-Angriff wären. Ganz offensichtlich ist der BND an der Beschaffung von Informationen verschiedenster Art beteiligt.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 5. September 2013


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